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Kompaktlexikon der Biologie: Ethylen

Ethylen, Ethen, Äthylen, Formel H2C=CH2, das einfachste Alken (Olefin) mit einem Molekulargewicht von 28. E. ist ein farbloses, entzündliches Gas mit unangenehmem Geruch und leichter als Luft.

E. wird als Phytohormon, seit dem Ende des 19. Jh. erforscht. Erstmals aufmerksam auf die Rolle von E. für bestimmte pflanzliche Entwicklungsprozesse wurde man mit dem Einrichten von Gaslaternen, deren undichte Leitungen bewirkten, dass bei unmittelbar benachbarten Bäumen mehr Blätter als üblich abgeworfen wurden (Abscission). Die klassische Ethylenantwort ist jedoch die so genannte Triple Response („dreifache Antwort“) von Keimlingen: In Anwesenheit von E. kommt es zu gehemmtem Sprosswachstum, verstärktem Dickenwachstum sowie zu gestörtem Gravitropismus. Weiterhin kann E. die Samen- und Knospenruhe brechen, die Seneszenz von Blättern und Blüten fördern und die Bildung von Wurzelhaaren induzieren. Außerdem kontrolliert E. bei Keimlingen dikotyler Pflanzen die Bildung des Hypocotylhakens, indem es das asymmetrische Wachstum an der Sprossspitze reguliert. In ähnlicher Weise steuert E. die Epinastie. Eine wichtige Rolle kommt E. schließlich bei der Abwehr von Pflanzenpathogenen zu, wo es zusammen mit Jasmonsäure die Expression bestimmter Abwehrgene induziert. Auch bei Umweltstress wie Dürre (Dürrestress), Überflutung (Anoxie) und Frost (Kälteschäden) wird die Ethylenbiosynthese gesteigert.

Von kommerziellem Interesse ist E. vor allem für die kontrollierte Reifung von Früchten, da E. neben dem Blatt- und Fruchtabwurf auch die Reifung bestimmter Früchte fördert. So reifen Bananen schneller in Anwesenheit vollreifer Äpfel, die E. abgeben (Klimakterium). Kühle Lagerungstemperaturen und eine geringe Sauerstoffkonzentration unterdrücken die E.-Biosynthese und zögern die Fruchtreife heraus, wohingegen durch Besprühen mit Etephon (2-Chlorethylphosphorsäure) der intrazelluläre E.-Spiegel angehoben werden kann.

Die E.-Biosynthese erfolgt in Pflanzen von der Aminosäure Methionin aus, das über 5-Adenosyl-Methionin zur unmittelbaren E.-Vorstufe 1 – Aminocyclopropan-1-carboxylsäure (ACC) umgewandelt wird. Sowohl das Enzym ACC-Synthase als auch die ACC-Oxidase, die ACC zu E. umsetzt, sind für gentechnische Anwendungen zur Kontrolle der Fruchtreife von großem Interesse. Versuche mit Tomaten, diese Gene mittels Antisense-Technik auszuschalten, führten zu Früchten, die deutlich langsamer reifen.

Auf molekularer Ebene wirkt E. vor allem dadurch, dass es die Expression bestimmter Gene verändert, die wie Cellulasen, Chitinasen, Glucanasen an Abwehrprozessen und Fruchtreifung beteiligt sind. In diesem Zusammenhang konnten in den Promotoren dieser Gene so genannte ethylene response elements (ERE) identifiziert werden, an die bestimmte ERE-bindende Proteine binden. Im Unterschied zu anderen Phytohormonen (Abscisinsäure, Cytokinine) sind im Falle von E. der als ETR 1 bezeichnete E.-Rezeptor und weitere Komponenten der Signalkette bereits identifiziert worden. Dabei waren Arabidopsis-Mutanten hilfreich, die trotz hoher E.-Konzentrationen nicht die typische Triple Response zeigten. Andere Mutanten, wie die ctr-Mutanten, wiesen auch ohne E.-Gabe das typische Verhalten auf, sodass die mutierten Gene ebenfalls an der E.-Signalkette beteiligt sein müssen.



Ethylen: Schematische Darstellung der Ethylensignalkette. E. bindet an den in der Plasmamembran lokalisierten und als Dimer vorliegenden Rezeptor ETR 1, wodurch der negative Regulator CTR inaktiviert und wahrscheinlich ein Ionenkanal aktiviert werden. Wie die dargestellten Proteine miteinander interagieren, ist derzeit noch unklar

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Redaktion:
Dipl.-Biol. Elke Brechner (Projektleitung)
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Dr. Daniel Dreesmann

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Professor Dr. Helmut König, Institut für Mikrobiologie und Weinforschung, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Professor Dr. Siegbert Melzer, Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH Zürich
Professor Dr. Walter Sudhaus, Institut für Zoologie, Freie Universität Berlin
Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

Essayautoren:
Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
Inke Drossé, Neubiberg (Tierquälerei in der Landwirtschaft)
Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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