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Kompaktlexikon der Biologie: Gibberelline

Gibberelline, Abk. GA, eine Gruppe von Pflanzenhormonen, die u.a. die Samenkeimung fördern, das Streckungswachstum der Sprossachse kontrollieren sowie außerdem die Blühinduktion beeinflussen. G. zählen zu den Terpenoiden und leiten sich somit vom Isopren ab (Isoprenoide). Inzwischen sind über 100 verschiedene G. beschrieben worden, von denen jedoch nur wenige biologisch aktiv sind. Sie alle zeichnen sich durch das Vorhandensein eines ent-Kauren-Ringes aus, der sich auch im ent-Gibberellan-Grundgerüst wiederfindet, auf dem alle G. basieren. Alle bislang bekannten G. wurden der Einfachheit halber von GA1 bis GA125 durchnummeriert.

Die Bezeichnung G. kommt vom Pilz Gibberella fujikuori, der in Japan schon seit jeher als Verursacher einer Reiskrankheit galt, bei der Reispflanzen keine Samen ausbildeten und einen hohen Wuchs aufwiesen. Obwohl die G., unbemerkt von anderen Forschern, in Japan bereits seit den 1930er Jahren bekannt waren, gelang es erst in den 1950er-Jahren ihre chemische Struktur aufzuklären.

Chemisch betrachtet handelt es sich bei G. um aus vier Isopreneinheiten aufgebaute tetrazyklische Diterpene. Die komplexe Biosynthese der G. läuft in drei Stufen ab, wobei die daran beteiligten Enzyme in den Proplastiden, im Cytosol oder am endoplasmatischen Reticulum lokalisiert sind. ( vgl. Abb. ) An den 1) Ringschluss schließt sich 2) die Oxidation des gebildeten ent-Kauren zum GA12-Aldehyd an, aus dem 3) alle übrigen G. gebildet werden. Diese lassen sich qualitativ und quantitativ nur durch die Verwendung moderner Trennverfahren wie der Gaschromatographie und Massenspektrometrie genau voneinander unterscheiden. In Bioassays kann lediglich die Präsenz von G. und gibberellinähnlichen Substanzen in Pflanzenextrakten nachgewiesen werden.

Die Biosynthese der G. wird durch eine Reihe von Umweltfaktoren reguliert. Hierzu zählen die Fotoperiode (gesteigerte G.-Synthese im Langtag) und die Temperatur, wobei G. an den durch Kältewirkung kontrollierten Phänomenen Stratifikation und Vernalisation beteiligt sind. Neben diesen steigernden Faktoren der G.-Synthese wird die steady state-Konzentration der aktiven G. durch eine negative Rückkopplung der Synthese sowie durch die Konjugation freier G. an Glucose reguliert. Auch der Transport von G. und deren Vorstufen im Phloem trägt zu veränderten Konzentrationen dieses Pflanzenhormons bei.

G. fördern das Sprosswachstum vor allem bei Zwerg- und Rosettenpflanzen, indem sie die Zellstreckung und Zellteilung steigern. Exogen zugeführte G. fördern z.B. das Wachstum von einer Zwergmaismutante so stark, dass diese fast die Größe von Wildtyppflanzen erreicht. Rosettenpflanzen, die nur unter Langtag-Bedingungen „schiessen“, d.h. verlängerte Internodien ausbilden und blühen, zeigen die gleichen Reaktionen nach Zugabe von Gibberellinen auch unter Kurztag-Bedingungen.

Diese und bereits früher erwähnte G.-Effekte haben zu zahlreichen kommerziellen Anwendungen von G. geführt. So kommt G. eine große Bedeutung bei der Fruchtproduktion zu, indem sie z.B. das Stängelwachstum bei kernlosen Trauben so fördern, dass die Beeren nicht zu eng wachsen und ihre erwünschte Größe erreichen. In ähnlicher Weise werden G. auch beim Bierbrauen eingesetzt, um die Malzbildung zu beschleunigen. Andererseits werden G.-Antagonisten als Hemmstoffe der G.-Synthese wie z.B. Paclobutrazol eingesetzt, um das Streckungswachstum von Getreide und Schnittblumen zu verringern. ( vgl. Abb. )

Bei der Erforschung der Wirkung von G. auf zellulärer Ebene waren auch Arabidopsis-Mutanten hilfreich, wobei sich die Gruppe der G.-insensitiven Mutanten von den konstitutiv auf G. reagierenden, so genannten „schlanken Mutanten“ unterscheiden lassen. Bei der zur ersten Gruppe gehörenden gai-Mutante (für GA-insensitiv), die im Unterschied zur oben beschriebenen Maismutante nicht auf die Gabe exogener G. reagiert, konnte die Natur der Mutation identifiziert werden. Offenbar ist ein Repressor in seiner Funktion gestört, der normalerweise in Anwesenheit von G. nicht aktiv ist. Dadurch wird die intrazelluläre Signalkette unterbrochen. Die spy-Mutante (engl. spindly = spindeldürr) hingegen zeigt auch in Anwesenheit von Paclobutrazol einen Wuchstyp, der an mehrfach mit G. behandelte Wildtyppflanzen erinnert. Auch das spy-Gen wurde kloniert. Es codiert für eine N-Acetylglucosamin-Transferase, die durch die Übertragung von Zuckermolekülen die Aktivität von Komponenten der G.-Signalkette beeinflussen kann. Über die Natur des G.-Rezeptors ist bislang noch wenig bekannt. Es wird aufgrund von experimentellen Befunden jedoch vermutet, dass er sich an der Zelloberfläche befindet. ( vgl. Abb. )



Gibberelline: Wichtige Schritte der Gibberellin-Biosynthese



Gibberelline: Die Struktur von drei biologisch aktiven Gibberellinen und des Gibberellininhibitors Paclobutrazol



Gibberelline: Wachstumsreaktion der dwarf1-Zwergmutante (ganz links) des Maises auf die einmalige Zufuhr einer wässrigen Gibberellin-Lösung in die Achsel des Primärblattes. Hohe Konzentrationen lassen die Mutante fast die Wuchshöhe einer Wildtyppflanze (ganz rechts) erreichen

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Redaktion:
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Dr. Daniel Dreesmann

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Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

Essayautoren:
Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
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Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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