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Kompaktlexikon der Biologie: Metamorphose

Metamorphose, 1) in der Botanik die Umbildung und Umwandlung von Grundorganen wie Sprossachse, Blatt (Blattmetamorphosen) und Wurzel (Wurzelmetamorphosen) im Verlauf der Stammesentwicklung.

2) Zoologie: Metabolie, Umwandlung der Larvenform zum erwachsenen, geschlechtsreifen Tier (Adultstadium) bei Tieren, deren Jugendstadien in Gestalt und Lebensweise vom Adultzustand abweichen (Larven). Bei der M. werden die der larvalen Lebensform gemäßen Spezialorgane (Larvalorgane) eingeschmolzen oder abgestoßen und die Anlagen der Adultorgane zur Funktionsfähigkeit entwickelt. Die M. wird i.d.R. hormonell ausgelöst und koordiniert. Sie ist mit einem mehr oder weniger starken Formwechsel verbunden (Gestaltwechsel). Die kontinuierliche M. erfolgt während der gesamten postembryonalen Entwicklung; Abbauprozesse spielen dabei eine geringe Rolle (z.B. Anamerie der Krebse). Die katastrophale M. bildet den Übergang vom letzten Larven- zum Adultstadium. Dabei werden große Teile des Larvenkörpers abgeworfen oder resorbiert (z.B. die M. der Pluteus-Larve des Seeigels). Der tiefgreifende Umbau kann häufig in einem zur Nahrungsaufnahme unfähigen und meist auch unbeweglichen Puppen-Stadium erfolgen (z.B. holometabole Insekten, Holometabola).

Am besten untersucht ist die M. bei Amphibien und Insekten. Bei den Amphibia erfolgt während der M. eine Vielzahl von strukturellen und physiologischen Veränderungen, die großenteils im Zusammenhang mit dem Übergang vom Wasser- zum Landleben stehen. Bei Froschlurchen (Anura) sind dies: Resorption des Schwanzes, Ausbildung der Beine, Verlust der Kiemen und Entwicklung der Lunge, Ersatz des Larval-Hämoglobins durch Adult-Hämoglobin, Umstellung der Exkretion vom ammoniotelischen (Ammoniak) zum ureotelischen (Harnstoff) Typ, Übergang von der vorwiegend herbivoren zur carnivoren Ernährung, u.a. unter Verlust der Hornkiefer, Erweiterung der Mundöffnung, Verkürzung des Darms.

Ausgelöst wird die M. durch die Schilddrüsenhormone Thyroxin und Triiodthyronin. Entfernt man bei der Kaulquappe die Schilddrüse oder hemmt ihre Funktion chemisch, so unterbleibt die M., und die Tiere wachsen zu Riesenlarven heran; Verfütterung von Schilddrüsengewebe oder -hormonen an junge Larven führt hingegen zu verfrühter M. Die Umwandlung der Kaulquappe wird durch einen bis zum Höhepunkt der M. allmählich ansteigenden Spiegel an Schilddrüsenhormonen koordiniert, wobei unterschiedliche Gewebe auf unterschiedliche Hormonkonzentrationen ansprechen: Die Entwicklung der Beine beginnt bei niedrigeren Konzentrationen und damit früher als die Resorption des Schwanzes. Die Ausschüttung der Schilddrüsenhormone wird vom thyreotropen Hormon (TSH) der Hypophyse gesteuert, das seinerseits vom Thyreotropin-Releasing Hormon (TRH) des Hypothalamus kontrolliert wird.

Die M. der Insecta wird durch das Zusammenspiel zweier Hormone reguliert, des eigentlichen Häutungshormons Ecdyson (Ecdysteroide) und des Juvenilhormons, das den Charakter des nächsten Stadiums determiniert: Bei hohem Juvenilhormon-Titer finden Larvalhäutungen, bei niedrigem die Puppenhäutung und ohne Juvenilhormon die Häutung zum Adultstadium statt (Häutung). Die Ecdyson-Ausschüttung wird vom prothorakotropen Hormon des Gehirns gesteuert. Für einzelne Insektenarten wurden noch weitere Neurohormone beschrieben, die verschiedene mit der Adulthäutung zusammenhängende Vorgänge kontrollieren. Im Ausmaß der auftretenden Veränderungen unterscheidet man zwei Haupttypen der Insekten-M. (Hemimetabolie und Holometabolie), die jeweils noch untergliedert werden.

Die Hemimetabolie oder unvollkommene Verwandlung ist ein schrittweiser Gestaltwechsel der Larve von Stadium zu Stadium bis zur Adultform (Imago), wobei schon die Eilarve häufig dem Adulttier recht ähnlich ist; sie kann aber auch spezifische Larvalorgane besitzen. Von Häutung zu Häutung werden die Adultmerkmale (z.B. Flügel, Kopulationsapparat) allmählich auf- und die Larvalmerkmale abgebaut. Die auch als Nymphe bezeichneten späten Larvenstadien bilden äußere Imaginalanlagen (z.B. Flügeltaschen). Die hemimetabole Entwicklung ist auf niedere Insekten beschränkt und wird deshalb als der ursprüngliche Typ der M. angesehen. Im Gegensatz zur phylogenetisch abgeleiteten Holometabolie wird zwischen Larve und Imago kein Puppenstadium eingeschoben. Man unterscheidet folgende Typen: 1) Epimetabolie (alle Urinsekten): Gestaltwandel zwischen den Häutungen wenig ausgeprägt, eventuell postembryonale Vermehrung der Segmentzahl (Protura); meist noch eine oder mehrere Häutungen der Imago. 2) Prometabolie (Eintagsfliegen, Ephemeroptera): wasserlebende Larve mit Tracheenkiemen; das erste flugfähige Stadium (Subimago) häutet sich zur geschlechtsreifen Imago. 3) Heterometabolie ist der wichtigste Typ der Hemimetabolie: Flügel- und Genitalanlagen entwickeln sich progressiv in Richtung auf die imaginale Stufe, larveneigene Merkmale können bei unterschiedlicher Lebensweise der Larve und der Imago ausgebildet sein. Man unterscheidet Archimetabolie und Paurometabolie. 4) Neometabolie: die äußeren Anlagen der Flügel- und Genitalorgane entstehen spät, sodass flügellose Larven und Flügelanlagen tragende Pronymphen und Nymphenstadien unterschieden werden; der Eintritt ins Pronymphenstadium ist durch tiefgreifende Umwandlungen gekennzeichnet; dieser M.-Typ bildet einen Übergang zur Holometabolie.

Bei der Holometabolie oder vollkommenen Verwandlung weicht die Larve morphologisch stark vom Adulttier ab, und der Übergang zur Adultform erfolgt im Puppenstadium, das äußere Flügel- und Genitalanlagen aufweist, keine Nahrung aufnimmt und i.d.R. unfähig zur Fortbewegung ist. Im Schutz der Puppencuticula erfolgt ein fast vollständiger Umbau mit Auflösung und Zerstörung der larvalen Organe und Neubildung der Adultorgane. Die Puppe häutet sich dann zur Imago.

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Professor Dr. Walter Sudhaus, Institut für Zoologie, Freie Universität Berlin
Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

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Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
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Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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