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Lexikon der Biologie: Pflanzenzüchtung

Pflanzenzüchtung, Pflanzenzucht, Bewahrung oder Verbesserung der genetisch fixierten Eigenschaften von Kulturpflanzen durch die Erhaltung bestehender bzw. die Schaffung neuer Sorten, welche unter den jeweils gegebenen Umwelt- und Anbaubedingungen hohe und stabile Erträge (Ertrag) mit der jeweils geforderten Qualität des Ernteprodukts erbringen. Nach der letzten Eiszeit ab etwa 10.000 v.Chr. (Jungsteinzeit, Ackerbau) begannen Menschen mit der Domestikation ausgewählter Wildpflanzen und paßten diese ihren spezifischen Bedürfnissen an. Dabei handelte es sich um eine reine Auslesezüchtung, bei der durch Selektion (Farbtafel II) innerhalb eines heterogenen Pflanzenmaterials aus einer Anzahl Wildformen verschiedene Pflanzensorten entwickelt wurden. So entstanden die ersten Kulturformen von Weizen, Gerste, Erbse, Linse und Flachs (Lein). Später kamen weitere Methoden der Pflanzenzüchtung hinzu. Dabei verfolgt die Kreuzungszüchtung (= Kombinationszüchtung) den Ansatz, günstige Eigenschaften aus verschiedenen homozygoten (Homozygotie) Elternformen durch klassische Kreuzung (Mendelsche Regeln [Farbtafel]) zu kombinieren und letztlich für die gewünschten Merkmale erblich konstante Populationen aus den Kreuzungsansätzen zu selektieren. Hingegen werden bei der Hybridzüchtung nach Kreuzung von Klonen oder Inzuchtlinien lediglich die F1-Hybriden (Filialgeneration) verwendet, wobei es planmäßig zu positiven Heterosiseffekten (Heterosis) kommen kann, die eine Überlegenheit gegenüber den Ausgangssorten bedingen. Mittels Mutationszüchtung wird eine künstliche Erhöhung der Mutationsrate und damit die Erweiterung der genetischen Variabilität durch experimentell erzeugte Mutagenese (mittels ionisierender Strahlen, Temperaturschocks und Chemikalien) erzielt. Große Erfolge hat man dabei mit der Polyploidisierung bei Rüben und Zierpflanzen erzielt (Polyploidiezüchtung). Die bei diesen verschiedenen Zuchtformen angestrebten Zuchtziele beziehen sich meist auf größere Toleranzen bzw. Resistenzen (hardiness, pflanzliche Abwehr) gegenüber abiotischen und biotischen Stressoren (Pflanzenstreß, Streßfaktoren bei Pflanzen, Streßresistenz bei Pflanzen) wie Kälte (Frostresistenz), Dürre (Austrocknungsfähigkeit, Trockenresistenz), Salz (Halotoleranz) und viralen (Pflanzenviren), bakteriellen (Bakterien) und pilzlichen (Mykose, Pilze, Pilzkrankheiten) Krankheitserregern (Pflanzenkrankheiten) sowie die Steigerung des Nährstoffgehalts (Ernährung) und den Verlust von Gift- (Gifte, Pflanzengifte) und Bitterstoffen. Oftmals wird dabei auf die hohen genetischen Potentiale von Wildformen (Genreservoire) zurückgegriffen, deren positive Eigenschaften in die Kulturformen eingebracht werden können. Methodisch gesehen ist die heutige konventionelle Pflanzenzüchtung die direkte Umsetzung genetischer Grundlagen, wie z.B. der Mendelschen Regeln und der Gesetzmäßigkeiten der quantitativen Genetik. – In den letzten Jahren haben sich zudem mannigfaltige molekularbiologische (Molekularbiologie) und gentechnologische Methoden (Gentechnologie) sowie Zell- und Gewebe-Kulturen (Gewebezüchtung) in der modernen Pflanzenzüchtung etabliert und das methodische Repertoire bereichert. Dadurch wurden neue Möglichkeiten zur Schaffung von Ausgangsvariationen eingebracht, die wie im Falle der Protoplastenfusion bestehende Kreuzungsbarrieren umgehen können oder z.B. mittels Gentransfer (Genübertragung) völlig neuartige Zuchtziele realisierbar machen. Während eine gezielte konventionelle Pflanzenzüchtung – bedingt durch die zahlreichen verschiedenen Stufen dieses Prozesses – bis zu 15 Jahre in Anspruch nehmen kann, ermöglichen die neuen Methoden eine erhebliche Zeitersparnis. So bedingen z.B. Haploidschritte (Haploidenzüchtung) durch Anwendung der Antherenkultur oder Mikrosporenkultur eine Verkürzung des Zuchtgangs. Molekularbiologische Techniken (RFLP, RAPD, AFLP) erlauben eine markergestützte (Marker) frühzeitige Selektion auf molekularer Ebene, wodurch es möglich wird, schneller auf Zuchtziele zu reagieren und folglich in kürzerer Zeit neue Sorten zu züchten. Darüber hinaus ermöglicht die Erhaltung und Vermehrung vegetativ fortgepflanzter Arten (asexuelle Fortpflanzung, vegetative Vermehrung) in vitro die Erzeugung von weitgehend pathogenfreiem Pflanzenmaterial. Somit führt eine sinnvolle Kombination aus konventioneller Pflanzenzucht und neuen biotechnologischen Methoden (Biotechnologie) zu einer erheblichen Effizienzsteigerung des Züchtungsprozesses. Die Pflanzenzüchtung hat eine hohe ökonomische und ernährungspolitische Bedeutung, denn nur mit einer gezielten Nahrungsmittelproduktion ist es möglich, mit dem sprunghaften Wachstum der Weltbevölkerung Schritt zu halten (Bevölkerungsentwicklung, Ernährung). Von der Pflanzenzüchtung wird es auch zu großen Teilen abhängen, ob es gelingt, den Bedarf an Nahrungsmitteln auch in der Zukunft zu befriedigen und die bestehenden, großen Nahrungslücken zu schließen. Dabei bieten neue biotechnologische Methoden eine Reihe von Vorteilen für die Landwirtschaft, doch ist insbesondere im Bereich des Gentransfers eine objektive Risikoeinschätzung vor einer allgemeinen Nutzung von gentechnisch erstellten Pflanzen (gentechnische Freilandexperimente; transgene Pflanzen) unerläßlich. Zeitgleich stellt die fortschreitende Ausweitung des ökologischen Landbaus (alternativer Landbau) sehr spezifische methodische Anforderungen an die Pflanzenzüchter, um einer durch Intensiv- und Hochertragszüchtung bedingten Minderung der Nahrungsmittelqualität entgegenzuwirken. Baur (E.), Erhaltungszüchtung, Genzentrentheorie, Johannsen (W.L.), Linienzüchtung, Resistenzzüchtung, Separierungszüchtung, Tschermak (E.), Züchtung.

S.Gä.

Lit.:Büchting, A.J.: Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutschland. BIUZ 1/98. Fischbeck, G.: Landwirtschaftlicher Pflanzenbau und biologische Vielfalt. BIUZ 3/99. Friedt, W., Lühs, W.: Perspektiven molekularer Pflanzenzüchtung. BIUZ 3/99. MPI für Züchtungsforschung (Hrsg.): Pflanzenproduktion und Biotechnologie. Köln 1992. Odenbach, W. (Hrsg.): Biologische Grundlagen der Pflanzenzüchtung. Berlin 1997. Ordon, F., Friedt, W.: Von Mendel zum Gentransfer. Gelsenkirchen 1998. Zeller, F.J.: Genetische Ressourcen von Wildpflanzenarten beleben die Kulturpflanzenzüchtung. BIUZ 6/98.

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