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Lexikon der Chemie: Piezoelektrizität

Piezoelektrizität, das Auftreten von elektrischen Ladungen an der Oberfläche von bestimmten Kristallen, wenn diese mechanisch (durch Druck, Zug oder Biegung) beansprucht werden. Der piezoelektrische Effekt wird bei Kristallen beobachtet, die eine oder mehrere polare Achsen, jedoch kein Symmetriezentrum aufweisen. Neben Quarz sind unter anderem Turmalin, Zinkblende, (+)- und (-)-Weinsäure, Natriumchlorat, Saccharose und Seignettesalz piezoelektrisch. Von den 32 Kristallklassen erlauben 20 das Auftreten von P.



Piezoelektrizität. Abb. 1: Schnittlage einer Piezoquarzplatte hinsichtlich der kristallographischen c-Achse und der elektrischen Achsen E1, E2 und E3.

Das Zustandekommen der P. läßt sich modellmäßig am Beispiel von Quarz wie folgt erklären (Abb. 2). Ein Quarzkristall besitzt senkrecht zur dreizähligen Hauptachse (kristallographische c-Achse) drei zweizählige polare Achsen, die elektrische Achsen darstellen (in Abb. 1 mit E1, E2 und E3 bezeichnet). Das Quarzgitter wird vereinfacht als aus Si4+- und O2--Ionen aufgebaut betrachtet; die Polarität der zweizähligen Achsen kommt dadurch zum Ausdruck, daß an ihren entgegengesetzten Enden Ionen mit entgegengesetztem Vorzeichen sitzen. Man schneidet nun aus dem Kristall eine Platte in der in Abb. 1 dargestellten Weise heraus. Wird die Quarzplatte in Richtung einer elektrischen Achse (z. B. E3) zusammengedrückt, so laden sich die beiden senkrecht zur Achse stehenden Flächen durch den Überschuß jeweils einer Ionenart elektrisch positiv bzw. negativ auf (longitudinaler piezoelektrischer Effekt, Abb. 2b). Bei Dehnung kehren sich die Vorzeichen der Ladungen auf den beiden Flächen um. Wird der Druck bzw. Zug senkrecht zur elektrischen Achse ausgeübt (Abb. 2c), so erzeugen die dadurch hervorgerufenen Ladungsverschiebungen gleichfalls Ladungen auf den Flächen, die Vorzeichen sind aber gegenüber dem zuerst beschriebenen Fall gerade vertauscht (transversaler piezoelektrischer Effekt). Die Erscheinung der P. ist umkehrbar: Wird parallel einer elektrischen Achse ein elektrisches Feld angelegt, so erfolgt aufgrund der Verschiebung der Gitterbausteine eine Kompression bzw. Dilatation in Richtung der E-Achse (inverser piezoelektrischer Effekt).



Piezoelektrizität. Abb. 2: (a) vereinfachtes Modell des Quarzgitters, (b) longitudinaler piezoelektrischer Effekt, (c) transversaler piezoelektrischer Effekt.

Sowohl der direkte als auch der inverse piezoelektrische Effekt besitzen wichtige praktische Anwendungen. Technische Bedeutung hat vor allem der Einsatz von Quarz. Geeignet geschnittene Quarzkristalle werden als Schwingungsstandards ("Schwingquarze") für Quarzuhren, -sender und Frequenzmesser, als Schwingungserzeuger, für die Schichtdickenmessung u. a. verwendet. Für elektromechanische Wandler auf piezoelektrischer Grundlage zur Messung von Druck- und Zugschwankungen dient neben Quarz vor allem Lithiumniobat LiNbO3. Für verschiedene Anwendungsgebiete wurden Piezokeramiken (vor allem Titanate und Niobate) entwickelt, die sich aufgrund ihrer polykristallinen Struktur durch die Isotropie ihrer Eigenschaften auszeichnen. Piezokeramiken finden vor allem als Wandler, Filter und Verstärker in der Akustoelektronik Anwendung.

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