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Lexikon der Chemie: Quecksilber

Quecksilber, Hydrargyrum, Symbol Hg, chem. Element aus der II. Nebengruppe des Periodensystems, der Zinkgruppe, Schwermetall; Z 80, Atommasse 200,59, Wertigkeit I, II, D. 13,534 g cm-3, F. -38,84 °C, Kp. 356,95 °C, elektrische Leitfähigkeit 1,04 Sm/mm2, Standardelektrodenpotential (Hg/Hg2+) + 9,8500 V.

Eigenschaften. Q. ist das einzige bei Raumtemperatur flüssige Metall. In fester Phase ist Q. weich und dehnbar, es bildet hier ein noch stärker von der idealen hexagonal dichtesten Kugelpackung abweichendes Kristallgitter, als das bei Zink und Cadmium der Fall ist. In der Gasphase liegt Q. atomar vor. Wichtige und charakteristische, vielfach genutzte physikalische Eigenschaften des Q. sind sein silberweißer Glanz, die hohe Oberflächenspannung, der beträchtliche konstante thermische Ausdehnungskoeffizient, die hohe Dichte und der hohe Dampfdruck sowie die Anregbarkeit durch elektrische Entladung zur Emission UV-reicher Strahlung.

In reinem Zustand ist Q. bei normaler Temperatur beständig. Dagegen überzieht sich unreines Q. an feuchter Luft rasch mit einem grauen Oxidhäutchen. Oberhalb 300 °C reagiert Q. mit Sauerstoff zu Quecksilber(II)-oxid HgO; sehr leicht geht Q. ferner Reaktionen mit Schwefel und Halogenen ein. Entsprechend seiner Stellung in der elektrochem. Spannungsreihe wird Q. durch nichtoxidierende Säuren nicht angegriffen. Salpetersäure und konz. heiße Schwefelsäure lösen Q. Viele Metalle reagieren mit Q. unter Bildung von Quecksilberlegierungen (Amalgame). In seinen Verbindungen tritt Q. ein- und zweiwertig auf. Die Verbindungen des einwertigen Q. der allg. Formel Hg2X2 enthalten bei linearer Struktur direkte Hg-Hg-Bindungen. Quecksilber(II)-Verbindungen des Typs HgX2 sind vielfach monomolekular und ebenfalls linear strukturiert. Charakteristisch für Quecksilber(II) sind die hohe Bildungstendenz und ausgeprägte Stabilität von Quecksilber-Stickstoff- sowie Quecksilber-Kohlenstoff-Bindungen, wie sie in Amidoquecksilberderivaten und quecksilberorganischen Verbindungen vorliegen. In Quecksilber(II)-komplexen dominieren die Koordinationszahlen 4 und 6 bei tetraedischer bzw. oktaedrischer Ligandenanordnung.

Quecksilberdämpfe, ebenso lösliche Quecksilberverbindungen sind sehr giftig. Mit Quecksilberdampf gesättigte Luft enthält 15 mg Q. je m3. Zur Vermeidung chronischer Quecksilbervergiftungen, die zunächst zu leichtem Zahnfleischbluten, später zu leichter Erregbarkeit und Gedächtnisschwund, Kopfschmerzen und Verdauungsstörungen und schließlich zu schwersten Schädigungen des Nervensystems führen, ist es dringend erforderlich, Quecksilber stets in geschlossenen Behältern aufzubewahren und nur in gut belüfteten Räumen zu handhaben. Verschüttetes Quecksilber ist sofort zu beseitigen, z. B. durch Aufnehmen mit der Quecksilberzange, durch Bestreuen mit Iodkohle oder durch Amalgamieren mit Zink oder Kupfer. Besonders zu beachten ist die hohe Giftigkeit der vielfach leicht flüchtigen Organoquecksilberverbindungen.

Da Quecksilber nur sehr langsam aus dem Körper ausgeschieden wird, ist eine Behandlung von Quecksilbererkrankungen sehr langwierig. Falls bei akuter oraler Vergiftung Erbrechen nicht erzwungen werden kann, ist eine Magenspülung mit Tierkohlezusatz vorzunehmen; danach wird mit Magnesiumsulfat abgeführt. Mit 1,2-Dithioglycerin ist oft eine völlige Wiederherstellung möglich. Auch auf Natriumthiosulfat kann hier zurückgegriffen werden.

Analytisches. Einwertiges Q. wird durch Zusatz von Salzsäure als schwerlösliches Quecksilber(I)-chlorid Hg2Cl2 gefällt, das sich beim Übergießen mit Ammoniak tief schwarz färbt. Hg2+-Ionen sind aus salzsaurer Lösung mit Schwefelwasserstoff als Quecksilbersulfid fällbar. Erhitzt man Quecksilberverbindungen mit Soda im Glührohr, so scheidet sich in den kälteren Rohrteilen ein grauer Quecksilberspiegel ab, der beim Verreiben mit einem Körnchen Iod in gelbes bzw. rotes Quecksilber(II)-iodid übergeht. µg-Mengen von Q. können durch die Farbreaktion mit Diphenylcarbazid (Blau- bis Violettfärbung) nachgewiesen werden. Eine schnelle komplexometrische Bestimmungsmethode setzt EDTA bei pH 10 im Überschuß ein und verwendet Mg2+zur Rücktitration.

Vorkommen. Q. ist am Aufbau der Erdkruste mit etwa 1·10-5 % beteiligt und zählt damit zu den seltenen Elementen. Das wichtigste Quecksilbererz ist Cinnabarit (Zinnober) HgS, in dem Q. zuweilen auch in kleinen Tröpfchen elementar vorkommt. Ferner ist Q. in einer Reihe von Fahlerzen und in Zinkblende enthalten. Mineralogisch interessante Quecksilbererze sind: Levingstonit Hg[Sb4S7], Quecksilberhornerz Hg2Cl2, Tiemannit HgSe, Coloradoit HgTe und Coccinit Hg2I2.

Gewinnung. Die technische Gewinnung des Q. geht meist von Zinnober aus. Die zinnoberhaltigen Erze werden in Schachtöfen unter Luftzutritt auf 350 bis 400 °C erhitzt, wobei das gemäß der Gleichung HgS + O2 → Hg + SO2 zunächst dampfförmig anfallende Q. anschließend in wassergekühlten Röhrenkondensatoren aus glasiertem Steinzeug kondensiert und in gleichfalls wassergekühlten zementgefütterten Eisenkästen gesammelt wird. Ein Teil des Quecksilberdampfes kondensiert dabei zu einem aus Q., Quecksilbersalzen, Flugstaub, Ruß und Teer bestehenden Staub ("Stupp"), der – mit Kalk vermischt – abgepreßt wird. Alternative Verfahren zur Quecksilbergewinnung gehen von der Reaktion von Quecksilbersulfid mit Eisen aus gemäß HgS + Fe → FeS + Hg oder setzen Quecksilbersulfid mit Calciumoxid um: 4 HgS + 4 CaO → 4 Hg + 3 CaS + CaSO4. Zur weiteren Reinigung wird Q. durch Tücher filtriert, mit verd. Salpetersäure gewaschen und destilliert. Auch die im Laboratorium anfallenden verschmutzten Quecksilberreste reinigt man durch Behandlung mit verd. Salpetersäure und nachfolgende Destillation. Eine mehrfache Vakuumdestillation liefert Q. in einer Reinheit von 99,999 %.

Verwendung. Q. wird zur Füllung von Thermometern, Barometern und Manometern eingesetzt. Man verwendet Q. für Diffusionspumpen, Gleichrichter, elektrische Relais, Standardzellen und Elektroden; die Quecksilbertropfelektrode dient als Arbeitselektrode in der Polarographie. Quecksilberlampen werden als UV-Strahlungsquellen, Hochdruckquecksilberlampen als leistungsfähige Straßenbeleuchtung eingesetzt. Von z. T. hoher industrieller Bedeutung ist der Einsatz von Q. zur Herstellung bzw. Bildung von Quecksilberlegierungen, z. B. in der Chloralkalielektrolyse nach dem Amalgamverfahren.

Quecksilber(II)-halogenide dienen in der organischen Synthese als Halogenüberträger auf aromatische Verbindungen. Negative Schlagzeilen hat Q. durch die weltweit bekannt gewordenen Massenvergiftungen durch Q.-Eintrag in die Minamata-Bucht in Japan (ca. 1940-1960) und durch organoquecksilber-gebeiztes Saatgetreide im Irak (1972) gemacht.

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