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Lexikon der Chemie: Radioaktivität

Radioaktivität, die Eigenschaft der Radionuclide, spontan, ohne äußere Einflüsse, durch ständige Energieabgabe in stabilere Nuclide überzugehen. Die Energieabgabe erfolgt dabei durch Korpuskular- und/oder Wellenstrahlung. R. wird bei in der Natur vorkommenden Radionucliden (natürliche R.) wie auch bei künstlich erzeugten Radionucliden (künstliche R.) beobachtet. Die R. der Radionuclide führt zu einer Abnahme der Anzahl der Atome der Ausgangssubstanz mit der Zeit entsprechend dem Zerfallsgesetz N(t)= N0·e-λt, wobei λ die Zerfallskomponente und N(t) die Anzahl der nach der Zeit t noch vorhandenen Atome bedeuten. Zur Charakterisierung der Radionuclide wird häufig auch die Halbwertszeit t1/2 herangezogen, nach der sich die Anzahl der Atome des Radionuclids auf die Hälfte reduziert, und die mit der Zerfallskonstante durch die Beziehung t1/2 = (ln2)/λ verbunden ist.



Radioaktivität. Abb. 1: Die Zerfallsreihen.

Anmerkung: Die Uran-, die Actinium- und die Thorium-Zerfallsreihe sind die Zerfallsreihen der natürlichen Radioaktivität, die Neptuniumreihe ist die Zerfallsreihe der künstlichen Radioaktivität. Auf dem gestrichelten Weg setzt sich jeweils der kleinere Teil der Kerne um.

Natürliche R. Sämtliche Elemente oberhalb der Ordnungszahl 83 haben keine stabilen Nuclide. Sie sind radioaktiv und werden daher oft als Radioelemente bezeichnet. Polonium, Astat, Radon, Francium, Radium, Actinium, Thorium, Protactinium und Uran kommen in der Natur ausschließlich in Form von Radionucliden vor. Die natürlich auftretenden Radionuclide mit Z ≥ 81 stehen miteinander in einem engen genetischen Zusammenhang, der durch die von Uran 235, Uran 238 und Thorium 232 ausgehenden zur Bildung stabiler Bleiisotope als Endprodukte führenden drei natürlichen Zerfallsreihen (Abb. 1) beschrieben wird. Weitere natürlich vorkommende Radionuclide sind durch meist hohe Halbwertszeiten gekennzeichnet: 104Be (β-Strahler, t1/2 = 1,6·106 a); 4109K (β-, K-Einfang, 1,28·109 a); 4280Ca (β-, >1,1·1018 a); 5203V (β- > 1,2·1016 a); 8377Rb (β-, 4,7·1010 a); 11459In
-, 6·1014 a); 12532Te (β-, 1,24·1013 a); 13587La (β-, 1,3·1011 a); 14528Ce (α-Strahler, 5·1016 a); 14640Nd (α, 2,1·1015 a); 14672Sm (α, 1,06·1011 a); 14682Sm (α, 7· 1015 a); 14692Sm (α, ≈ 4·1014 a); 15624Gd (α, 1,1·1014 a); 17761Lu (β-, 3,3·1010 a), 17742Hf (α, 2·1015 a); 18775Re (β-, 4,3·1010 a); 19708Pt (α, 6,1·1011 a); 19728Pt (α, ≈ 1015 a); 20842Pb (α, 1,4·1019 a); 20893Bi (α, 2,5·1017 a).

Die in der Natur vorkommenden Radionuclide Tritium (31H) und Kohlenstoff 14 (146C) entstehen in der Hochatmosphäre durch Wechselwirkung mit der Höhenstrahlung. Natürlich vorkommende Radionuclide können α-Strahlen (Heliumkerne), β-Strahlen (Elektronen) und γ-Strahlen (energiereiche elektromagnetische Strahlung) emittieren. Diese Strahlenarten unterscheiden sich durch ihr Verhalten im Magnetfeld (Abb.2).



Radioaktivität. Abb. 2: Radioaktive Strahlung in einem Magnetfeld, senkrecht zur Zeichenebene gerichtet.

Die aus der radioaktiven Strahlung resultierende Veränderung der Stellung der Elemente im Periodensystem wird durch den Verschiebungssatz von Soddy und Fajans beschrieben. Bei Emission (Aussenden) von α-Strahlen vermindert sich die Kernladung des strahlenden Atoms um 2 Einheiten, während gleichzeitig die Massenzahl um 4 Einheiten sinkt: Das Element rückt demnach im Periodensystem um zwei Stellen nach links, z. B. 21884Po → 21842Pb + 42He + Energie. Bei Emission von β-Strahlung erhöht sich, da β-Emission mit der Umwandlung eines Neutrons in ein Proton verbunden ist (n → H+ + e-), die Kernladung und damit die Ordnungszahl um eine Einheit, z. B. 21812 Pb → 21813Bi + Energie. Das Element rückt im Periodensystem eine Stelle nach rechts. Die Emission von γ-Strahlen hat keinen Einfluß auf Massen- oder Ordnungszahl, es wird lediglich die Energie des Kerns verändert.

Künstliche R. wird bei durch Kernreaktionen hergestellten Nucliden beobachtet. Solche synthetischen Radionuclide werden heute in großem Umfang gezielt durch Neutronenbestrahlung in Kernreaktoren erzeugt; sie fallen ferner in großen Mengen bei der Kernspaltung in Kernreaktoren an. Einige dieser bei der Kernspaltung entstehenden Radionuclide, z. B. 90Sr oder 137Cs, werden als Strahlenquellen in der Technik eingesetzt, während zahlreiche andere Radionuclide als Abfallstoffe des Reaktorbetriebes einer sorgfältigen Endlagerung bedürfen. Im Rahmen der künstlichen R. wird vor allem die Emission von β- und γ-Strahlen beobachtet. Protonenüberschuß im Kern wird durch Positronenemission (β+) oder K-Einfang abgebaut. Beim K-Einfang nimmt ein Proton ein Elektron aus der K-Schale auf. Dabei verringert sich die Kernladung um eine Einheit, was mit der Aussendung eines Röntgenquants im Zusammenhang mit dem Auffüllen der K-Schale verbunden ist.

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