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Lexikon der Chemie: Schwefelwasserstoff

Schwefelwasserstoff, Monosulfan, H2S, farbloses, brennbares, selbst in sehr geringer Konzentration unangenehm nach faulen Eiern riechendes, sehr giftiges Gas, F. -85,6 °C, Kp. -60,75 °C, D. des flüssigen S. 0,9968 g cm-3 bei -194,6 °C, krit. Temp, 100,4 °C, krit. Druck 8,89 MPa, krit. D. 0,349.

Eigenschaften. Das H2S-Molekül ist gewinkelt gebaut (Bindungswinkel H-S-H 92,25°). Wegen der kleinen Elektronegativitätsdifferenz der Bindungspartner und somit geringen Bindungspolarität spielen Wasserstoffbrückenbindungen im S. keine wesentliche Rolle, was sich im relativ niedrigen Schmelz- und Siedepunkt – verglichen mit Wasser – ausdrückt. S. ist in Wasser mäßig löslich; 100 g Wasser lösen bei 10 °C 0,539 g und bei 20 °C 0,398 g H2S. Die wäßrige Lösung wird als Schwefelwasserstoffwasser, H2S-Wasser, bezeichnet. S. ist eine schwache. zweibasige Säure und unterliegt in der wäßrigen Losung teilweise Dissoziation: H2S + H2O

HS- + H3O+; HS- + H2O

S2- + H3O+ (pKS1 = 6,99, pKS2 = 12,89). Die Möglichkeit, diesen Dissoziationsvorgang durch die Wahl des pH-Wertes der Lösung beeinflussen zu können, d. h. die Sulfid-Ionenkonzentration willkürlich einstellen zu können, ist die Grundlage für die analytische Trennung der Kationen nach dem H2S-Trennungsgang. Während die sich in saurer Lösung einstellende außerordentlich geringe Sulfidionenkonzentration genügt, die besonders schwer löslichen Sulfide der Elemente der H2S-Gruppe auszufällen, werden die Löslichkeitsprodukte der etwas leichter löslichen Sulfide der Elemente der NH4HS-Gruppe erst in ammoniakalischer Lösung erreicht. S. bildet zwei Reihen von Salzen, die Hydrogensulfide MIHS und die Sulfide MI2S. An der Luft verbrennt S. je nach herrschenden Bedingungen zu Schwefel oder Schwefeldioxid: 2 H2S + O2 → 2 S + 2 H2O; 2 H2S + 3 O2 → 2 SO2 + 2 H2O. (Claus-Verfahren; Schwefel). Mit Fluor setzt sich S. zu Fluorwasserstoff und Schwefelhexafluorid um, mit den anderen Halogenen, z. B. mit Chlor, reagiert es unter Bildung von Halogenwasserstoff und Schwefel: H2S + Cl2 → 2 HCl + 1/8 S. Das Anlaufen des Silbers auf die oberflächliche Bildung schwarzen Silhersulfids Ag2S zurückzuführen.

Analytisches. S. ist am Geruch erkennbar und färbt Bleiacetatpapier infolge Bildung von Bleisulfid PbS schwarz. Aus Cadmiumacetatlösung wird gelbes Cadmiumsulfid CdS gefällt. Zur Bestimmung sehr kleiner H2S-Mengen bietet sich die Gaschromatographie an.

Vorkommen. S. kommt in vulkanischen Gasen sowie in Wasser gelöst in Schwefelquellen vor.

Schwefelwasserstoff ist ein starkes Gift. Seine akute Toxizität kommt der der Blausäure gleich. Von Vorteil ist der intensive Geruch, wodurch das Gas bereits zwei Zehnerpotenzen unterhalb der schädigenden Konzentration wahrgenommen wird. Allerdings wird bei höheren H2S-Konzentrationen der Geruchssinn blockiert.

Akute Vergiftungen durch Schwefelwasserstoff führen zu Entzündungen der Augenschleimhäute, zu Hustenreiz und zu Lungenödem. Höhere Konzentrationen verursachen Krämpfe, Kopfschmerzen, Zyanose und Bewußtlosigkeit, bis der Tod durch Atemlähmung eintritt. Gegenmaßnahmen: künstliche Beatmung, Arzt konsultieren.

Gewinnung. Im Labor gewinnt man S. durch Einwirkung von Säuren auf Sulfide, üblicherweise von Salzsäure auf Eisensulfid im Kippschen Apparat gemäß FeS + 2 HCl → FeCl2 + H2S. Technisch gewinnt man S. durch Abtrennung aus Synthesegasen.

Verwendung. In der qualitativen und quantitativen Analyse dient S. als Fällungsreagens für Metall-Ionen. Der technisch anfallende S. wird zur Gewinnung von Schwefel oder Schwefeldioxid genutzt.

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