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Lexikon der Chemie: Selen

Selen, Symbol Se, chem. Element aus der VI. Hauptgruppe des Periodensystems, der Sauerstoff-Schwefel-Gruppe, Halbmetall; Z 34, Massenzahlen der natürlichen Isotope 74 (0,87Z %), 76 (9,02 %), 77 (7,58 %), 78 (23,52 %), 80 (49,82 %), 82 (9,19 %), Atommasse 78,96, Wertigkeit IV, II, VI, Härte nach Mohs 2, D. 4,81 g cm-3, F. 217 °C, Kp. 684,9 °C, Standardelektrodenpotential (Se2-/Se) -0,78 V.

Eigenschaften. Wie der homologe Schwefel existiert S. in mehreren Modifikationen. Durch rasches Abkühlen einer Selenschmelze erhält man das schwarze, glasartige S., das aus einem Gemisch von Se8-Ringen und langen Se-Ketten besteht. Aus diesem Material läßt sich das Cyclooctaselen mit Schwefelkohlenstoff extrahieren. Aus den CS2-Lösungen kristallisieren nebeneinander zwei monokline, rote Formen, α-und β-monoklines S., die aus – dem Cyclooctaschwefel isostrukturellen – Se8-Molekülen aufgebaut sind. Durch Erhitzen des roten S. auf etwa 150 °C oder auch durch langsames Abkühlen der Selenschmelze erhält man das bei Zimmertemperatur thermodynamisch stabile, hexagonale, in Schwefelkohlenstoff unlösliche graue, metallische S. Letzterem liegen spiralförmige, unendliche Se-Ketten zugrunde. Das graue S. hat typische Halbleitereigenschaften. In der Dunkelheit leitet es den elektrischen, Strom nur wenig, bei Belichtung steigt die Leitfähigkeit beträchtlich. Auch im chem. Verhalten zeigt S. eine ausgesprochene Analogie zum Schwefel. S. bevorzugt die Oxidationszahlen -2, +4 und +6, wobei jedoch im Unterschied zum Schwefel die Derivate in der Oxidationszahl +4 besondere Stabilität aufweisen und Se(VI)-Verbindungen, z. B. Selenate, starke Oxidationsmittel darstellen (PTM-Effekt). Mit Wasserstoff vereinigt sich S. bei erhöhter Temperatur zu Selenwasserstoff H2Se. Viele Metalle reduzieren S. zu den jeweiligen Metallseleniden. Beim Erhitzen an der Luft verbrennt S. zu Selendioxid SeO2. Die Halogene oxidieren abhängig von den stöchiometrischen Verhältnissen zu verschiedenen Selenhalogeniden: SeF4, SeF6, Se2Cl2, SeCl4. Die intensiv grüne Farbe der durch Behandeln von S. mit konz. Schwefelsäure erhältlichen Lösungen ist auf die Bildung farbiger Se82+-Kationen zurückzuführen.

Selen und seine Verbindungen wirken toxisch. Nach peroraler Aufnahme elementaren Selens oder anorganischer Selenverbindungen oder auch nach Inhalation entsprechender Stäube werden gastrointestinale Beschwerden, Blutdruckabfall und zentralnervöse Störungen beobachtet. Es tritt typischer Knoblauchgeruch von Schweiß und Atemluft auf. Bei peroraler Aufnahme werden als Gegenmaßnahmen das Auslösen von Erbrechen und Magenspülungen empfohlen.

Analytisches. S. wird durch Reduktionsmittel aus seinen Verbindungen gefällt und in Salpetersäure gelöst. Dabei entstehende selenige Säure wird mit Schwefeldioxid zu rotem S. reduziert. Dieses löst sich in warmer konz. Schwefelsäure mit intensiv grüner Farbe: 8 Se + 5 H2SO4 → Se82+ + 4 HSO4- + 2 H3O+ + SO2.

Vorkommen. S. ist am Aufbau der Erdkruste mit 9·10-6 % beteiligt. In der Natur kommt es in Form von Seleniden meist in geringer Konzentration als Bestandteil sulfidischer Erze vor. Reine Selenminerale, z. B. die Selenide Berzelianit Cu2Se, Naumannit Ag2Se und Clausthalit PbSe, sind selten.

S. tritt als Spurenelement in pflanzlichen und tierischen Geweben auf und ist für den Menschen essentiell.

Gewinnung. Ausgangsmaterial ist vor allem der bei der Kupferelektrolyse anfallende Anodenschlamm, der durchschnittlich 8 bis 9 % S. in Form von Kupfer oder Silberselenid enthält.

Verwendung. S. wird wegen seiner Halbleitereigenschaften vor allem zum Bau von Gleichrichtern und Photozellen benutzt. Es ist wesentlicher Bestandteil der photoleitenden Schichten bei elektrophotographischen Kopierverfahren (Xerographie). Ferner dient S. zur Herstellung von Pigmenten sowie in der Glas- und Keramikproduktion als Entfärbungs- und Färbemittel für Glas und Emails. Mit S. gefärbte Gläser sind gelb bis rubinrot. In der Metallurgie verwendet man S. als Legierungszusatz. In Form von Selensulfid SeS, wirkt S. als Antischuppenmittel in Shampoos.

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