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Lexikon der Ernährung: Kohlenhydrate

Kohlenhydrate, Saccharide, Cx(H2O)y, Ecarbohydrates, saccharides, mengenmäßig häufigste Naturstoffe. Chemisch handelt es sich um Polyhydroxycarbonylverbindungen und deren Derivate einschließlich Uronsäuren, Aldonsäuren, Desoxy- und Aminozucker sowie Polymere davon (Homo- und Heteropolysaccharide). Die Bezeichnung K. stammt aus dem 19. Jahrhundert, als man annahm, es handele sich um eine hydratisierte Form des Kohlenstoffs (Glucose = C6H12O6 = [C(H2O)]6). Die einzelnen K. werden mit Trivialnamen bezeichnet oder systematisch nach IUPAC mit der Endung ...ose (Tab.).
Vorkommen in Lebensmitteln: K. sind der mengenmäßig wichtigste Nährstoff für den Menschen. Sie entstehen in Pflanzen im Verlauf der Photosynthese, beim Tier in der Milch und in kleinen Mengen im Intermediärstoffwechsel (Gluconeogenese; Glycogenese). Man unterscheidet zwischen verwertbaren K. (Eavailable carbohydrates; Stärke, Zucker, Malto-Oligosaccharide) und durch Darmenzyme nicht spaltbaren K. (Eunavailable carbohydrates; nicht-Stärke Polysaccharide, einige Oligosaccharide). Die Haupt-K.-Lieferanten sind Getreide, Kartoffeln und andere stärkereiche Knollen, z. B. Maniok, sowie Milch und Milchprodukte, in einigen Regionen auch Saccharose aus Rohr- und Rübenzucker und Leguminosen, für nicht-verwertbare K. (Ballaststoffe) Getreide, Obst und Gemüse.
Energiegehalt: Monosaccharide liefern 15,7 kJ bzw. 3,75 kcal / g, Polysaccharide > 4kcal / g; für die Lebensmittelkennzeichnung gilt ein Mittelwert von 37 kJ bzw. 4kcal / g für Zucker, Stärke und andere verwertbare Oligo- und Polysaccharide und 10 kJ bzw. 2,4 kcal / g für Polyole. Die im Dünndarm nicht verwertbaren, im Colon jedoch abbaubaren K. werden derzeit nicht in die Energieberechnung einbezogen, diskutiert wird ein mittlerer Energiewert von 6,3 kJ bzw. 1,5 kcal / g (Großbritannien) oder 8 kJ bzw. 2 kcal / g (FAO / WHO).
Bestimmung in Lebensmitteln: Mono- und Oligosaccharide werden über GLC / HPLC isoliert und quantitativ ermittelt, Stärke wird zu Glucose hydrolysiert und als solche bestimmt, nicht verwertbare K. werden direkt über die Analyse der Polysaccharid-Komponenten oder indirekt mit enzymatisch-gravimetrischen Methoden ermittelt (Ballaststoffe). Alle Methoden sind vergleichsweise aufwändig. In Nährwerttabellen und bei der routinemäßigen Ermittlung des Nährwertgehaltes für die Nährwertkennzeichnung werden K. häufig rechnerisch ermittelt als Differenz von Wasser + Protein + Fett + Asche (Mineralstoffe) zu 100 %; Ballaststoffe werden gesondert ermittelt und vom Gesamt-K. abgezogen. Die Methode gibt einen Anhaltspunkt über die Zusammensetzung eines Lebensmittels, für die ernährungsphysiologische Bewertung der K. ist sie unbefriedigend.
Stoffwechsel: Polymerisierte K. werden im Dünndarm enzymatisch gespalten und als Monosaccharide, seltener als Disaccharide (Maltose) resorbiert, Glucose und Galactose durch aktiven Transport, die anderen Monosaccharide durch Diffusion. Die wichtigsten K.-spaltenden Enzyme sind Amylasen, Amylo-1,6-Glucosidase, Saccharase, und Lactase. Sie sind im Darmlumen (α-Amylase auch im Speichel) und / oder an der Bürstensaummembran der Darmmucosa lokalisiert. Fehlende / unzureichende Aktivität dieser Enzyme führt zur Kohlenhydrat-Malabsorption mit teilweise schwerwiegenden Krankheitssymptomen. Geschwindigkeitsbestimmend für die Resorption ist der Transport der Spaltprodukte, nicht die Spaltung selbst. Eine Ausnahme bildet das Disaccharid Lactose, hier bestimmt die Lactase-Aktivität im Duodenum die Resorptionskapazität. Die resorbierten Zucker werden über die Blutbahn zur Leber transportiert und dort phosphoryliert, sie stehen als Energielieferanten und für Synthesen zur Verfügung. Zentrales K. ist Glucose; die Speicherung erfolgt als Glycogen, die Umwandlung in Fett ist möglich (D-Glucose, Lipogenese). Galactose, Fructose u. a. K. können in Glucose umgewandelt werden; einige Reaktionsschritte sind reversibel (Galactose-Stoffwechsel). Wenn nicht genügend Nahrungs-K. zur Verfügung stehen, wird Glucose aus glucoplastischen Aminosäuren synthetisiert. Enzymatisch nicht spaltbare K. gelangen ins Colon; sie werden teils bakteriell abgebaut und verstoffwechselt, teils unverstoffwechselt mit den Faeces ausgeschieden (Ballaststoffe).
Ernährungsphysiologische Bedeutung: Die unterschiedliche Wirkung der im Dünndarm abbaufähigen / nicht abbaufähigen K. führte historisch zur Beschränkung des Begriffs K. auf Erstere; Letztere werden den Ballaststoffen zugerechnet. Die Trennung wird noch angewandt für die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln, physiologisch ist sie in der strikten Form nicht mehr gerechtfertigt.
K. sind keine essenziellen Nährstoffe, der Körper synthetisiert alle körpereigenen K. selbst. Dennoch sind K. für die menschliche Ernährung unerlässlich. Hauptaufgaben sind:
Energiequelle: Als Minimum werden ca. 10 % der Nahrungsenergie angesehen, Experten empfehlen für den Erwachsenen 50–60 %, davon max. 10 % Zucker (Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr). Der Ist-Wert liegt in ökonomisch entwickelten Ländern bei 40–50 % (Deutschland, Österreich, Schweiz: nahe 40 %), in Entwicklungsländern mit unzureichender Nahrungsvielfalt bei bis zu 80 %. Säuglinge nehmen mit Muttermilch ca. 45 % der Nahrungsenergie als K. (Lactose) auf. Für maximale körperliche Leistung über einen längeren Zeitraum ist die regelmäßige Zufuhr gut verwertbarer K. unverzichtbar (Sportlerernährung; Superkompensation).
Sättigung: Komplexe K. im natürlichen Zellverband, z. B. in Vollgetreide oder in Leguminosen, werden in Magen und Dünndarm langsam abgebaut. Sie erzeugen ein anhaltendes Sättigungsgefühl und eignen sich besonders, wenn die Energiezufuhr begrenzt werden soll (Reduktionskost).
Kontrolle von Blutzucker und Insulin: Insulinsekretion und Blutzuckerspiegel sind abhängig von Art und Menge der Nahrungs-K. Regulationsstörungen mit Hypo- und Hyperglycämie lassen sich diätetisch durch Modifikation der K.-Aufnahme beeinflussen (Diabetes mellitus; Glycogenosen; glycämischer Index).
Einfluss auf den Lipidstoffwechsel:β-Glucane, Guar und einige andere lösliche Ballaststoffe tragen durch Bindung von Cholesterin- und Gallensäuren im Darm und Hemmung der Cholesterinsynthese in der Leber zur Normalisierung erhöhter Serumcholesterinspiegel bei (Hypercholesterinämie). K.-reiche Ernährung kann zum Anstieg des Serum-Triglyceridspiegels führen. Der Effekt ist jedoch nur für isolierte, im Dünndarm verwertbare K. beschrieben, z. B. Zucker, nicht für komplexe K. im natürlichen Zellverband und die oben genannten löslichen Ballaststoffe.
Einfluss auf Darmflora und Verdauung: K., die ins Colon gelangen, werden je nach physikalischer / chemischer Struktur bakteriell abgebaut zu kurzkettigen Fettsäuren und / oder Glucose (resistente Stärke) und verstoffwechselt oder unverändert mit dem Stuhl ausgeschieden. Erstere stimulieren das Bakterienwachstum, Letztere beschleunigen die Darmpassage und erhöhen das Stuhlvolumen (Obstipation; Tumorprävention). Für den Stoffwechselgesunden sind beide Komponenten ernährungsphysiologisch erwünscht, bei Magen-Darm-Erkrankungen können Einschränkungen erforderlich werden.

Kohlenhydrate: Tab. Klassifizierung der Nahrungs-K. [Adaptiert n. WHO / FAO: Carbohydrates in human nutrition. FAO Food and Nutrition Paper No. 66, Rom (1998)]

Klasse
(Polymerisationsgrad)
Untergruppenhäufigste Vertreter
Zucker
(1–2)

Disaccharide

Monosaccharide

     Saccharose, Maltose,

     Lactose, Trehalose

      Sorbit, Mannit, Xylit

Glucose, Galactose,

Fructose, Xylose

Oligosaccharide
(3–9)

andere Oligosaccharide

Malto-Oligosaccharide

    Raffinose, Stacchiose, Verbascose,
    Fructo-Oligosaccharide

Glucosesirup, Maltodextrine
Polysaccharide (> 9)

nicht-Stärke Polysaccharide

Stärke

     Cellulose, Pektine, Hemizellulosen

Amylose, Amylopektin, modifizierte Stärken
  • Die Autoren

Albus, Christian, Dr., Köln
Alexy, Ute, Dr., Witten
Anastassiades, Alkistis, Ravensburg
Biesalski, Hans Konrad, Prof. Dr., Stuttgart-Hohenheim
Brombach, Christine, Dr., Gießen
Bub, Achim, Dr., Karlsruhe
Daniel, Hannelore, Prof. Dr., Weihenstephan
Dorn, Prof. Dr., Jena
Empen, Klaus, Dr., München
Falkenburg, Patricia, Dr., Pulheim
Finkewirth-Zoller, Uta, Kerpen-Buir
Fresemann, Anne Georga, Dr., Biebertal-Frankenbach
Frenz, Renate, Ratingen
Gehrmann-Gödde, Susanne, Bonn
Geiss, Christian, Dr., München
Glei, Michael, Dr., Jena (auch BA)
Greiner, Ralf, Dr., Karlsruhe
Heine, Willi, Prof. Dr., Rostock
Hiller, Karl, Prof. Dr., Berlin (BA)
Jäger, Lothar, Prof. Dr., Jena
Just, Margit, Wolfenbüttel
Kersting, Mathilde, Dr., Dortmund
Kirchner, Vanessa, Reiskirchen
Kluthe, Bertil, Dr., Bad Rippoldsau
Kohlenberg-Müller, Kathrin, Prof. Dr., Fulda
Kohnhorst, Marie-Luise, Bonn
Köpp, Werner, Dr., Berlin
Krück, Elke, Gießen
Kulzer, Bernd, Bad Mergentheim
Küpper, Claudia, Dr., Köln
Laubach, Ester, Dr., München
Lehmkühler, Stephanie, Gießen
Leitzmann, Claus, Prof. Dr., Gießen
Leonhäuser, Ingrid-Ute, Prof. Dr., Gießen
Lück, Erich, Dr., Bad Soden am Taunus
Lutz, Thomas A., Dr., Zürich
Maid-Kohnert, Udo, Dr., Pohlheim
Maier, Hans Gerhard, Prof. Dr., Braunschweig
Matheis, Günter, Dr., Holzminden (auch BA)
Moch, Klaus-Jürgen, Dr., Gießen
Neuß, Britta, Erftstadt
Niedenthal, Renate, Hannover
Noack, Rudolf, Prof. Dr., Potsdam-Rehbrücke
Oberritter, Helmut, Dr., Bonn
Öhrig, Edith, Dr., München
Otto, Carsten, Dr., München
Parhofer, K., Dr., München
Petutschnig, Karl, Oberhaching
Pfau, Cornelie, Dr., Karlsruhe
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Raatz, Ulrich, Prof. Dr., Düsseldorf
Rauh, Michael, Bad Rippoldsau
Rebscher, Kerstin, Karlsruhe
Roser, Silvia, Karlsruhe
Schek, Alexandra, Dr., Gießen
Schemann, Michael, Prof. Dr., Hannover (auch BA)
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Schmidt, Sabine, Dr., Gießen
Scholz, Vera, Dr., Langenfeld
Schorr-Neufing, Ulrike, Dr., Berlin
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Stangl, Gabriele, Dr. Dr., Weihenstephan
Stehle, Peter, Prof. Dr., Bonn
Stein, Jürgen, Prof. Dr. Dr., Frankfurt
Steinmüller, Rolf, Dr., Biebertal
Stremmel, Helga, Bad Rippoldsau
Ulbricht, Gottfried, Dr., Potsdam-Rehbrücke
Vieths, Stephan, Dr., Langen
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Zunft, Hans-Joachim F., Prof. Dr., Potsdam-Rehbrücke

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