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Lexikon der Ernährung: Lectine

Lectine, Phytohämagglutinin, Hämagglutinine, Agglutinine, E lectins, haemagglutinins, von lat. legere, auswählen und agglutinare, ankleben; Gruppe der sekundären Pflanzenstoffe, die spezifisch Saccharide und Polysaccharide erkennen (z. B. N-Acetylglucosamin oder N-Acetylgalactosamin), sich an sie binden und bei Versuchstieren und beim Menschen zu einer Zusammenballung (Agglutination) von Epithelzellen und von roten Blutkörperchen führen können (vgl. Blutgerinnung), auf dieser Beobachtung basieren einige Behauptungen von Vertretern der Blutgruppendiät.
Vorkommen: L. sind hitzelabile Proteine bzw. Glycoproteide, die in einer Reihe von Pflanzen vorkommen, darunter v.a. Sojabohnen, Gartenbohnen (Bohnen), Linsen und andere Hülsenfrüchte (1–10 g / kg Frischmasse bei Phaseolus-Arten) sowie Getreide, Tomaten und Kartoffeln (< 0,01 g / kg Frischmasse). In Pflanzen übernehmen die L. zahlreiche wichtige Funktionen bei der Wachstumsregulation, der Zell-Zell-Kommunikation oder dem Kohlenhydrattransport. Sie dienen weiterhin als antimikrobielle Schutzstoffe vor Bakterien und Pilzen. Zu den bestuntersuchten L. zählen Abrin, Concanavalin A, Ricin, Phytohämagglutinin und Phasin, daneben Convicin (Vicin).
Ernährungsphysiologische Bedeutung: Die meisten L. werden weder von Verdauungsenzymen noch von Darmbakterien angegriffen. Sie werden z. T. über den Darm aufgenommen und gelangen ins Blut oder werden in weitgehend intakter, biologisch aktiver Form über den Stuhl ausgeschieden. L. wirken aufgrund ihrer Eigenschaften als antinutritive Substanzen, was bei den geringen Zufuhrmengen jedoch nicht ins Gewicht fällt. In Kombination mit Protease-Inhibitoren in Hülsenfrüchten werden die antinutritiven Effekte häufig verstärkt. In vitro konnte die Bindung der L. an Kohlehydratbestandteile der intestinalen Epithelzellen beobachtet werden, was in höheren Dosen zu einer reduzierten Oberfläche der Bürstensaummembran, im Dünndarm zur Mikrovilliverkürzung, zu einer Verlängerung der Krypten sowie zur Veränderung der Membranpermeabilität führte. L. stimulieren ferner die Freisetzung von Interleukinen und Zytokinen. In vivo konnte eine gesteigerte Lymphocytenproliferation und eine Stimulation sekretorischer Prozesse intestinaler Mastzellen (vgl. Immunstimulanzien) beobachtet werden.
Bei der Lebensmittelverarbeitung werden die hitzelabilen L. fast vollständig inaktiviert, so dass bei der Aufnahme über den Darm für den Menschen generell keine L.-Intoxikation zu erwarten ist. Generell sollten Hülsenfrüchte, v. A. Phaseolus-Arten, nur in gekochtem Zustand verzehrt werden, da der Genuss L.-haltiger roher Bohnen bei Kindern zu hämorrhagischen Gastroenteritiden, bei Erwachsenen zu Diarrhöen, Übelkeit und veränderter Pankreassekretion führen kann. In Toxizitätsstudien zeigten L. moderate Wirkungen, lediglich Ricin wirkte im Tierversuch letal (vgl. Phytotoxine).

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