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Lexikon der Neurowissenschaft: Adaptation

Adaptation w [von latein. adaptare = anpassen; Verb adaptieren], Anpassung, E adaptation, allgemeine Bezeichnung für die in der Phylogenese entstandenen (also genetisch vorgegebenen bzw. prädisponierten) Möglichkeiten von Organismen, bei entsprechenden kurzfristigen, langfristigen bzw. wiederholten Wirkungen von Umweltreizen (Reizadaptation; Reiz) unter Einbeziehung der verschiedenen, hierarchisch geordneten Funktionsebenen funktionell zu optimieren. Die physiologische Adaptation ist Teil der Fähigkeit zur Aufrechterhaltung der Homöostase. Teilweise synonym verwandt, zum Teil begrifflich getrennt, sind die Bezeichnungen Adaption, Akklimatisation, Akklimation, wobei Adaption und Akklimation die Anpassung an genau einen (experimentell konstant gehaltenen) Faktor ("Einzelfaktor-Adaptation") bedeuten und Akklimatisation die Adaptation gegenüber einem Komplex von Umweltfaktoren saisonaler oder klimatischer Art bedeutet. Manche Autoren benutzen den Begriff Adaptation nur für genetisch erworbene Anpassungen. 1) Als Begriff der Evolutionstheorie bedeutet Adaptation, daß sich Organismen (phylogenetisch) so entwickeln, daß sie optimal ihrer Umwelt eingefügt (angepaßt) sind. 2) In der Sinnesphysiologie werden mit Adaptation Mechanismen bezeichnet, die in einer reversiblen, vorübergehenden Anpassung der Empfindlichkeit eines Sinnessystems, Sinnesorgans oder eines Rezeptors an Änderungen der Reizintensität bestehen. Die Adaptation kann sowohl zu einer Erhöhung der Empfindlichkeit bei abnehmender Reizintensität wie auch zu einer Absenkung der Empfindlichkeit bei steigender Reizintensität führen. Adaptation ist eine grundlegende Eigenschaft der meisten sensorischen Systeme. Beispiele für Adaptation sind die Anpassungen von Rezeptoren an konstante Reizintensität und -dauer. Das anfangs hohe Rezeptorpotential wird in Abhängigkeit von den Rezeptoreigenschaften (schnell, mittel und langsam adaptierende Rezeptoren) auf ein niedrigeres Niveau eingestellt (z.B. Hell-Dunkel-Adaptation des Auges, Einstellen des Gehörsinns auf einen Geräuschpegel, Anpassung der Geruchs- und Geschmacksrezeptoren; siehe Abb. ). Im Extremfall kann die Adaptation so vollständig sein, daß die Erregungsweiterleitung (Erregungsleitung) unterbunden und damit der Reiz nicht mehr wahrgenommen wird (z.B. Berührungsreiz durch Kleidung). Wird die Adaptation durch eine Veränderung der Rezeptoreigenschaften erreicht, spricht man von sensorischer Adaptation. Daneben kann die Adaptation auch durch Veränderungen in der Signaltransduktion erfolgen, indem die Menge oder Aktivität einzelner Komponenten der Reizverarbeitung verändert wird (Änderung der Übertragungseigenschaften der nachgeschalteten Neurone). Ermüdung. 3) In der Chronobiologie (Biorhythmik) bezeichnet Adaptation die Anpassung von endogenen Rhythmen an Zeitverschiebungen (Photoperiodik, Schlaf-Wach-Perioden und anderes). 4) Die metabolische Adaptationumfaßt die Antworten des Organismus auf biochemischer Ebene gegenüber Umweltfaktoren wie O2-Angebot, Wechsel des Atem- und Ausscheidungsmediums, Temperatur ( siehe Zusatzinfo ), Druck bzw. Höhe oder als Sonderfall in der Mikrobiologie die chromatische Adaptation von Cyanobakterien an die spektrale Zusammensetzung des Lichtes. 5) Adaptation auf der Verhaltensebene subsummiert im Prinzip die beschriebenen Mechanismen. Durch das Verhalten als das funktionale Bindeglied zwischen Organismus und Umwelt realisiert der Organismus die notwendigen aktuellen Anpassungen im Sinne individueller und inklusiver Fitneß. So führen Anpassungen an bestimmte Lebenräume bei verschiedensten Tiergruppen zu analogen morphologischen Ausbildungen als Grundlage, z.B. für gleichartige Fortbewegungsformen wie Schwimmen, Fliegen oder an verschiedene Habitate angepaßte Laufformen. Individuelle Lernprozesse (Lernen), die in ihrer Komplexität vom Cephalisationsgrad (Cephalisation) abhängig sind, erhöhen die Adaptationsbreite. Handelt es sich um einfache Verhaltensverstärkungen, spricht man von Sensitivierung, das Gegenteil wäre die Habituation bzw. Gewöhnung. Schließlich sind vor allem die höheren Lernformen, z.B. assoziatives und einsichtiges Lernen, die leistungsfähigsten Anpassungsmechanismen. Diese adaptiven Fähigkeiten sind weitestgehend mit der funktionellen Plastizität des Gehirns (zentralnervöse Adaptation) verbunden.

Lit.: Precht H., Christophersen, J., Hensel, H., Larcher, W.: Temperature and Life. Berlin 1973.



Adaptation

Sinnesphysiologie: Adaptation einer Geruchsempfindung; oben Reizamplitude (H2S-Konzentration von 6,5·10-6 Volumenanteilen), unten Empfindungsintensität (angegeben in willkürlichen Einheiten, ermittelt aus den Schätzungen von 4 Personen in je 10 Versuchen).

Adaptation

Eine Anpassung an die Temperatur wird am Beispiel von Acetylcholin-Esterase-Isoenzymen im Gehirn der Regenbogen-Forelle (Salmo gairdneri) deutlich. So weist die AcChE aus Tieren, welche an Temperaturen von 18 °C adaptiert sind, eine andere elektrophoretische Wanderungsgeschwindigkeit auf als die aus Tieren, die an 4 °C akklimatisiert wurden. Bei Tieren, die bei 12 °C gehalten wurden, findet man beide Formen.

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