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Lexikon der Neurowissenschaft: Calcium

Calcium s [von latein. calx, Gen. calcis = Kalk], Kalzium, E calcium, chemisches Zeichen Ca, universell vorkommendes Erdalkalimetall, dessen Bedeutung vor allem in der ionischen Form als Ca2+ (Calciumion) liegt ( siehe Zusatzinfo ). Calcium erfüllt im Nervensystem wichtige Aufgaben. Die Freisetzung von Neurotransmittern aus präsynaptischen Speichervesikeln ist streng abhängig vom Muster des durch Aktionspotentiale ausgelösten Calciumeinstroms. An der postsynaptischen Membran werden wiederum mittels Ca bei Einwirkung von Acetylcholin Ionenkanäle geöffnet. Ca wandelt ferner als sekundärer Bote die von Peptidhormonen und Neurotransmittern übernommenen Informationen in intrazelluläre biochemische Prozesse um. Diese sind z.B. die Aktivierung von Enzymkaskaden (Adenylatcyclase, Ras) und von calciumbindenden Proteinen, zu deren wichtigsten das Calmodulin zählt, das als Untereinheit in Enzymen (v.a. Proteinkinasen) vorkommt ( siehe Zusatzinfo ). Im Gehirn gibt es zwei Klassen von solchen Calcium-abhängigen Proteinkinasen, die Calcium-Calmodulin-Kinasen (CaMK) und die Calcium/Diacylglycerol-abhängige Kinase (Proteinkinase C). Calcium/Calmodulin-induzierte Prozesse umfassen auch die Aktivierung von Transkriptionsfaktoren, wie z.B. CREB, wobei die Dauer und Häufigkeit des Calciumeinstroms über NMDA-Rezeptoren (Glutamatrezeptoren) oder über spannungsregulierte Calciumkanäle (L-Typ) zu einer differenziellen Genexpression führt. Die Kaskade der Calcium-Calmodulin-Kinase spielt eine wichtige Rolle für synaptische Plastizität und Gedächtnisbildung. In den Wachstumskegeln von Nervenzellen ist ein ausreichend hoher Calciumspiegel notwendig für das Aussprossen von Neuriten. Andererseits stellt eine Überladung von Neuronen mit Calcium, z.B. nach einem Schlaganfall, bei Epilepsie oder nach Axonverletzung (über NMDA-Rezeptoren oder aus Mitochondrien), eine wichtige Ursache für neuronalen Zelltod dar (Excitotoxizität). Dabei werden Calcium-abhängige Proteasen (Calpain) oder Endonucleasen aktiviert, die zelluläre Moleküle abbauen, oder Radikal-bildende Enzyme wie Stickoxid-Synthase und Phospholipase A2 aktiviert. Der Einsatz von Calciumblockern bei neurodegenerativen Krankheiten blieb bis jetzt aber erfolglos. Hippocampale Interneurone mit calciumbindenden Proteinen wie Calbindin oder Parvalbumin können freies cytoplasmatisches Calcium gut sequestrieren und sind gegen ischämische Schädigung (Ischämie) besonders resistent.

Calcium

Rolle von Calcium in der Signaltransduktion:
Ca2+-Ionen liegen im Cytoplasma (Säugerzelle) in sehr geringer Konzentration (≤ 0,1 μmol/l), im extrazellulären Raum jedoch in viel höheren Konzentrationen (1 mmol/l) vor. Durch extrazelluläre Signale kann der Ca2+-Spiegel im Cytoplasma stark ansteigen; bei elektrisch erregbaren Zellen durch Ca2+-Kanäle in der Plasmamembran von außen, bei anderen Zellen durch Ca2+-Freisetzung aus dem endoplasmatischen Reticulum (ER). Durch entsprechende Ca2+-Pumpen (Ca2+-ATPasen) in der Plasmamembran oder im ER wird die niedrige Konzentration im Cytoplasma wieder hergestellt. Ca2+-Ionen wirken meist nicht direkt, sondern in Verbindung mit dem Ca2+-bindenden Protein Calmodulin auf das Zellgeschehen. Durch die Bindung von Ca2+-Ionen wird Calmodulin in seiner Konformation so verändert, daß es an verschiedene Proteine (Protein-Kinasen und -Phosphatasen) binden und damit deren Aktivität regulieren kann. Inositoltriphosphat (IP3) bewirkt die Freisetzung von Ca2+-Ionen aus dem ER; das zusammen mit IP3 freigesetzte Diacylglycerol aktiviert die calciumabhängige Proteinkinase C. – Für das Actomyosin-System des Muskels spielen Ca-Ionen als Vermittler zwischen Erregung und Kontraktion eine zentrale Rolle. Auch die von einzelnen Zellen wahrgenommenen aktiven Bewegungsformen der Phagocytose, Pinocytose und Exocytose sind calciumabhängige Prozesse. Die zeitliche Koordination solcher Ca-Wirkungen, bei der Kontraktion und Entspannung miteinander abwechseln, wird häufig mit dem Modell des biologischen Oszillators beschrieben. Hierbei sind die intrazellulären Konzentrationen von Ca und cAMP über zwei gegenläufige Regelkreise gekoppelt. cAMP inhibiert die Calcium-Pumpe, die den intrazellulären Calcium-Spiegel senkt, während Ca die Adenylatcyclase aktiviert, die die Bildung von cAMP katalysiert.

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