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Lexikon der Neurowissenschaft: Habituation

Habituation w [von latein. habituari = mit etwas behaftet sein], E habituation, ursprünglich aus dem Behaviorismus stammender Begriff, der die Abnahme in der Stärke einer Reaktion beschreibt, wenn diese häufig ausgelöst wird: Die Reaktion habituiert. Heute wird der Begriff, besonders in der Ethologie, allgemein im Sinne von Gewöhnung, Reaktionsermüdung, reizspezifischer Reaktionsabschwächung usw. gebraucht. Die Habituation als einfachste Form des Lernens sorgt dafür, daß häufig auftretende Reize, auf die weder positive noch negative Erfahrungen folgen, keine Reaktionen mehr hervorrufen (Optimierungsprinzip). Somit trägt die Habituation zur (lebenswichtigen) Ausfilterung der relevanten Reize aus der Flut der von den Sinnesorganen aufgenommenen Informationen bei. – Die Habituation wird als echter Lernprozeß klassifiziert (Aufnahme neuer Information in die Verhaltenssteuerung), da sie reizspezifisch ist ( siehe Zusatzinfo ). Dadurch unterscheidet sich die Habituation von der bloßen Absenkung einer Bereitschaft und von allgemeiner Ermüdung, die nicht als Lernprozesse gelten. Auf der anderen Seite darf die Habituation nicht mit der komplexeren Lernform der Extinktion verwechselt werden. Für die Extinktion einer Verknüpfung oder Reaktion ist nicht nur folgenlose Wiederholung, sondern eine spezifische Gegenerfahrung erforderlich. Von Habituationsphänomenen unbeeinflußt bleiben allerdings verschiedene Reaktionen auf intensiv bedrohliche Reize wie z.B. die Reaktionen bei Abwehr- oder Schutzreflexen (z.B. Lidschlußreflex). – Die neurobiologischen Prozesse, die zu Habituation führen, sind in Ansätzen bei einfachen Nervensystemen (z.B. Aplysia; der Kiemenrückziehreflex kann nach nur 10 Reizungen für Minuten, nach 40 über einen größeren Zeitraum verteilten Reizungen sogar für Wochen geschwächt werden) bekannt und generell auf eine Veränderung der Effektivität spezifischer synaptischer Signalübertragung zurückzuführen (synaptische Plastizität; Depression). Diese wird ihrerseits durch veränderte Durchlässigkeit bestimmter Ionenkanäle und veränderte Freisetzung von Neurotransmittern nach mehrmaliger Reizung verursacht. Es gibt jedoch auch Neuronenverbindungen, die keinerlei Veränderungen nach wiederholter Reizung zeigen. In höher entwickelten Nervensystemen sind weit komplexere Verschaltungen an derartigen Mechanismen beteiligt, und sie sind daher auch schwieriger zu analysieren. Dennoch scheinen auch hier, wie bei Lernprozessen allgemein, Veränderungen synaptischer Effizienzen eine entscheidende Rolle zu spielen. Da man selbst bei Einzellern (z.B. Ciliaten) mit der Habituation vergleichbare Reaktionsverminderungen auf bedeutungslose Reize beobachten kann, ist anzunehmen, daß auch schon elementare innerzelluläre Mechanismen die Regelung der zellulären Prozesse aufgrund ihrer Fähigkeit der Zu- bzw. Abnahme ihrer Effektivität bewerkstelligen können. Derartige Vorgänge spielen auch bei der Entwicklung von Sucht und Toleranz eine Rolle. afferente Drosselung, Dekrement.

Habituation

Beispielsweise habituieren Stare an das Geräusch einer Schußanlage, die sie von einer Obstplantage fernhalten soll, wenn der Knall sich regelmäßig ohne weitere Folgen wiederholt. Auf ein Geräusch anderer Art werden sie jedoch sofort wieder aufmerksam und fliehen.

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