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Lexikon der Neurowissenschaft: Myelencephalon

Myelencephalon s [griech. myelos = Mark, egkephalos = Gehirn], Medulla oblongata, Bulbus medullae oblongatae, Bulbus medullae spinalis, Bulbus cerebri, Bulbus encephali, Oblongata, Hirnzwiebel, Markhirn, Nachhirn, E afterbrain, medulla oblongata, derjenige Teil des Gehirns der Wirbel- bzw. Schädeltiere, der zwischen dem Metencephalon und dem Rückenmark liegt (verlängertes Mark) und der den hinteren Abschnitt des vierten Ventrikels (Ventriculus quartus) umgibt ( siehe Zusatzinfo ). Das Myelencephalon der adulten Säugetiere ist nach rostral durch den Hinterrand der Brücke deutlich vom Metencephalon abgesetzt. Nach caudal, gegen das Rückenmark, dient die caudale Spitze des vierten Ventrikels (der Obex) zur Abgrenzung. Unter dem Boden des Myelencephalons der Säugetiere liegen die auffälligen Pyramiden, an seinen Seiten wölben sich beiderseits die Oliven hervor; große Kerngebiete, die ihre Fasern ins Kleinhirn schicken. Dorsal der Oliven treten der Facialis, der Vestibulocochlearis, der Glossopharyngeus und der Vagus aus dem Myelencephalon aus, ventral der Oliven verlassen der Abducens und der Hypoglossus das Gehirn. Im Innern des Myelencephalons finden sich die motorischen Ursprungs- und die sensorischen Zielkerne all dieser Hirnnerven (Hirnnervenkerne). Sie sind in die mächtige myelencephale Formatio reticularis eingebettet, in der die lebenswichtigen Zentren der Atmungs- und Kreislaufregulation liegen. Die Ziel- und Ursprungskerne der verschiedenen Hirnnerven sind entlang der Längsachse des Myelencephalons zu Säulen (Kolumnen) angeordnet, die man als rostrale Verlängerungen der dorsalen (sensorischen) und ventralen (motorischen) Hörner des Rückenmarks auffassen kann (Säule). Darüber hinaus wird das Myelencephalon von zahlreichen, reich myelinisierten (Myelin; daher sein Name) auf- und absteigenden Bahnsystemen des Gehirns und des Rückenmarks durchzogen, darunter die aus dem Rückenmark und dem Myelencephalon selbst aufsteigenden sensorischen Schleifenbahnen (Lemniscus) und die aus dem Cortex absteigenden motorischen cortico-nucleären und -spinalen Bahnen, die die von außen sichtbaren Pyramiden bilden. – Bei Nicht-Säugern, denen eine makroskopisch abgrenzbare Brücke und Oliven fehlen, gibt es keine scharfe Grenze des Myelencephalons gegen das Tegmentum des Metencephalons, auch die Pyramiden fehlen. Die übrigen oben beschriebenen myelencephalen Strukturen sind jedoch stets vorhanden, allerdings können noch zahlreiche Spezialisierungen hinzutreten. Zu den oben beschriebenen Hirnnerven des Myelencephalons kommen bei vielen aquatischen Organismen noch eigene Hirnnerven des Seitenliniensystems (Seitenlinienorgane) und des elektrosensorischen Systems hinzu. Bei einigen Fischen, die sich auf die elektrosensorische Informationsverarbeitung spezialisiert haben, sind die myelencephalen Zielkerne dieser Hirnnerven zu mächtigen elektrosensorischen Seitenlinienloben aufgeschwollen. Bei anderen Fischen (z.B. Welse, Goldfische), die sich zu gustatorischen Spezialisten entwickelt haben, bilden die Zielkerne des siebten und des zehnten Hirnnerven mächtige "Lobi nervi facialis et vagi", die deren Myelencephalon die typische Gestalt verleihen.

H.W.

Myelencephalon

Ontogenese des Myelencephalons:
Das Myelencephalon entwickelt sich aus dem hinteren Abschnitt des embryonalen Rhombencephalons, im Laufe der Ontogenese wird es nach rostral, gegen das Metencephalon, durch eine Beuge im Neuralrohr, die Brückenbeuge, abgegrenzt. Auch nach caudal, gegen das Rückenmark, bildet sich eine abgrenzende Biegung des Neuralrohrs, die als Nackenbeuge bezeichnet wird. Anders als in anderen Hirnabschnitten faltet sich das Neuralrohr im Bereich des Myelencephalons nach der Neurulation wieder auf, die Dachplatte des Neuralrohrs wird dabei zu einer dünnen Epithelschicht ausgezogen, die, zusammen mit einwachsenden Blutgefäßen, zur Bildung des Adergeflechts des vierten Ventrikels beiträgt. Der vierte Ventrikel weitet sich durch diese Auffaltung zu einer Grube, die nach Entfernung des Adergeflechts offen liegt, sie wird auch als Rautengrube oder Fossa rhomboidea bezeichnet. Während der Ontogenese treten im Myelencephalon ebenso wie im Metencephalon transversale Einschnürungen auf, die als Rhombomeren (Neuromer, Hox) bezeichnet werden. Das Myelencephalon entsteht aus den hinteren 5 der insgesamt 7 oder 8 Rhombomeren.

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