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Lexikon der Neurowissenschaft: Rangordnung

Rangordnung w, Dominanzhierarchie, soziale Hierarchie, E rank order, dominance order, social hierarchy, Ordnungsgefüge innerhalb sozialer Verbände (auch beim Menschen), welches auf ungleichen Beziehungen zwischen den einzelnen Mitgliedern beruht und daher individuelles Kennen und Erkennen voraussetzt. Meist sind solche Gefüge hierarchisch strukturiert, und das Verhalten des Einzelnen ist im Kontinuum zwischen Dominanz und Subdominanz (Über- bzw. Unterordnung) anzusiedeln. Die grobe Beziehungsstruktur zwischen den einzelnen Mitgliedern eines sozialen Verbandes und ihre Dynamik ist artspezifisch vorgegeben, jedoch nicht in jedem Fall die Rangposition des Einzelnen. Diese wird, insbesondere bei hoch dynamischen sozialen Systemen (wie bei Primaten und beim Menschen), durch permanente spezifische Verhaltensweisen und Kommunikationsprozesse (z.B. "Rangordnungskämpfe"; agonistisches Verhalten) eingenommen und aufrechterhalten ("verteidigt"). Einen besonderen Einfluß auf die Rangposition haben häufig auch Alter und Geschlecht. Neben einfachen linearen Rangordnungen, z.B. der "Hackordnung" bei Hühnern, gibt es komplizierte Beziehungen, z.B. in den verschiedensten sozialen Verbänden höherer Säugetiere, die u.a. durch Dreiecksverhältnisse und die Bildung von Unterstrukturen sowie durch zeitweilige Zusammenschlüsse zwischen einzelnen Individuen gekennzeichnet sein können. Bei solchen komplexen Sozialstrukturen ist es besser, den Gruppenverband statt mit der umgangssprachlich vorbelasteten Rangordnungsterminologie über die funktionalen Rollen seiner Mitglieder zu beschreiben. Generell hat jedes Mitglied bestimmte "Rechte" und "Pflichten", was schließlich einem funktionsteiligen Zusammenwirken des Sozialverbandes gleichkommt und damit die phylogenetisch-adaptive Überlegenheit sozialer Gruppen begründet. Rangordnungen können in Abhängigkeit von äußeren Bedingungen (z.B. Nahrung, Territorium u.a.) unterschiedliche Grundstrukturen annehmen, wie anhand von jahrelangen Freilanduntersuchungen an Primaten nachgewiesen werden konnte (z.B. Aufgabe der sog. Haremsstruktur bei Languren bei sich verändernden Umweltgegebenheiten; siehe Zusatzinfo ). – Beim Menschen scheinen Rangordnungen und die damit verbundenen Rollendifferenzierungen zum einen auf biologische Begebenheiten, wie Fortpflanzung, Jungenfürsorge, Verwandtschaftsverhältnisse usw., zurückzuführen zu sein, zum anderen auf eine auch bei anderen Primaten vorhandene, ausgeprägte, genetisch vorgegebene Disposition, übergeordnete soziale Strukturen zu bilden. Die menschliche Fähigkeit zur kulturellen Entwicklung führte schließlich auf dieser Basis zu einer ausgesprochenen Vielfalt von Rollenverteilungen mit Über- bzw. Unterordnungsprinzipien, die dann die Grundlage der darüber geschichteten Gesellschaftsstrukturformen bildeten. Auffällig sind die wahrscheinlich präkulturell vorgegebenen, dann aber kulturenabhängig immer wieder auftretenden Unterschiede in den geschlechtsbedingten Rollenverteilungen: Frauen nehmen in den meisten gegenwärtigen Kulturen weit mehr untergeordnete Rollenpositionen ein, trotz vielfältiger Gleichberechtigungsbemühungen. Gruppenverhalten, Kultur.

J.O.

Rangordnung

Aus soziobiologischer Sicht (Soziobiologie) sind Rangordnungsgefüge nicht nur zur Steigerung individueller Fitneß, sondern auch einer – populationsbiologisch gesehen – Steigerung der inklusiven, also auch reproduktiven Fitneß zu sehen, denn die Rollen, die einzelne Mitglieder einer Rangordnung einnehmen, sind auch durch unterschiedliche Reproduktionsindizes gekennzeichnet. Das Einnehmen einer bestimmten Rangposition ist auch mit der Verfügung über Reproduktionspartner verbunden und kann z.B. bei Haremsordnungen im Extremfall zum Ausschluß der untergeordneten Männchen von der Reproduktion führen. Durch eine artspezifisch-interindividuelle Rollenkonkurrenz ergibt sich schließlich eine Selektion aufgrund unterschiedlicher individueller Reproduktion.

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