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Lexikon der Neurowissenschaft: Winterschlaf

Winterschlaf m, Hibernation, Kälteschlaf, E hibernation, eine in mindestens sechs Säugetierordnungen (Fledermäuse, Insektenfresser, einige Nagetiere) phylogenetisch entstandene saisonale physiologische Anpassung (Adaptation) an Winterbedingungen mit niedrigen Umgebungstemperaturen und mangelndem Nahrungsangebot, die durch mehr oder weniger lange Schlafperioden (Schlaf) mit stark herabgesetzten Lebensfunktionen gekennzeichnet ist. Die massiven Stoffwechselumstellungen, die zu einer Absenkung der Körpertemperatur führen, sind prospektiv; der Winterschlaf ist eine spezialisierte Form der Temperaturregulation. Sie sind von Verhaltensänderungen begleitet, die sich z.B. in einer gesteigerten Nahrungsaufnahme bzw. in einem Eintragen von Nahrungsvorräten äußern. Der eigentliche Auslöser für die metabolischen Umstellungen ist nicht eindeutig bekannt und wohl in endogenen circannualen Rhythmen zu suchen. – Bei abnehmenden Temperaturen versucht der Winterschläfer zunächst, seine Körpertemperatur aufrechtzuerhalten, bis zu einem kritischen Punkt, ab dem die Wärmeregulation unterbleibt. Die Körpertemperatur sinkt ab bis zu einer "Minimaltemperatur", an der die Thermoregulation wieder einsetzt. In der Betrachtungsweise der "Regelungstechnik" bedeutet Winterschlaf die ständig vom Zentralnervensystem kontrollierte Verstellung des Sollwertes der Thermoregulation auf den Wert der Minimaltemperatur (Regelung). Mit Einsetzen des Winterschlafs sinkt die Atemfrequenz, es kommt zu langen, bis zu einer Stunde dauernden Atempausen, gefolgt von mehreren schnellen Atemzügen (Atmungsregulation). Diese Hypoventilation führt zu einem Anstieg des CO2-Partialdrucks (Hyperkapnie), wodurch die Regeltemperatur im Hypothalamus gesenkt wird. Außerdem wird die Noradrenalin-induzierte Thermogenese aus dem braunen Fett gehemmt. – Während des Winterschlafs ist das braune Fettgewebe die wichtigste Energiequelle; der Blutzuckerspiegel ist bei herabgesetzter Adrenalinausschüttung niedrig. Wegen des Fettabbaus steigt die Ketogenese-Rate; die gebildeten Ketonkörper können ebenfalls oxidiert werden, was von besonderer Bedeutung für die Energieversorgung des normalerweise auf Kohlenhydrate angewiesenen Gehirns ist. Beim Erwachen aus dem Winterschlaf kommt es durch verstärkte Adrenalin-Freisetzung zunächst zu einer Hyperglykämie, die Atmung wird beschleunigt und regelmäßig, die Muskulatur läßt wieder koordinierte Bewegungen zu, das Tier erwärmt sich innerhalb kurzer Zeit auf die normale Körpertemperatur. – Von diesem echten Winterschlaf muß die Winterruhe unterschieden werden, die z.B. von Großsäugern wie z.B. Bären gehalten wird: hier wird die Körpertemperatur nicht herabgesetzt, das Tier hält lediglich sehr lange Schlafphasen in einem vor Kälte geschützten Ort (Höhle) ab.

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