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Kosmologie: Als Einstein noch nicht vom Urknall überzeugt war

Überraschend zeigt ein lange unbeachtetes Manuskript, dass Albert Einstein 1931 über Alternativen zur Urknalltheorie nachsann. Viel früher als Steady-State-Kosmologen wie Fred Hoyle, Hermann Bondi und Thomas Gold stellte er sich ein expandierendes Universum vor, in dem unablässig neue Materie entsteht.
Vesto Siphers und Alexander Friedmann

Die Theorie vom Urknall ist nicht nur in der wissenschaftlichen Kosmologie, sondern auch in der breiteren Öffentlichkeit weit gehend akzeptiert. Ähnliches gilt für ihre wichtigste Erweiterung, der zufolge das Universum unmittelbar nach seiner Entstehung durch eine ultrakurze, inflationäre Phase gegangen ist. Ein Unbehagen bleibt dennoch: Die Vorstellung einer explosionsartigen, exponentiellen Ausdehnung des Raums (die so genannte Inflation) im Gefolge einer Urknallsingularität (einem mathematischen Punkt ohne Ausdehnung, aber mit unendlich großer Energiedichte) ist zumindest gewöhnungsbedürftig.

Seit Kurzem jedoch behaupten Forscher sogar, experimentelle Belege für die Inflation entdeckt zu haben. Das am Südpol installierte BICEP2-Teleskop hat vielleicht Hinweise auf Gravitationswellen aus der Inflationsphase gefunden. Allerdings sind diese Ergebnisse bislang nicht abgesichert; bis zu ihrer unabhängigen Überprüfung ist es noch ein weiter Weg, unter anderem bleibt denkbar, dass Staub in der Galaxis das behauptete kosmologische Resultat nur vortäuscht, wie etwa Hao Liu, Philipp Mertsch und Subir Sarkar, ein Theoretikerteam aus Stanford beziehungsweise Kopenhagen, in einer Onlinepublikation erörterten (arXiv:1404.1899). Grundsätzliche Zweifel an der Theorie könnte aber auch dieser Fall nicht auslösen, schließlich würde es sich nur um ein Messproblem handeln.

Trotzdem lohnt ein Blick auf mögliche Gegenmodelle, und sei es nur, um uns der Entstehungsgeschichte unseres gegenwärtigen Weltbilds noch einmal zu versichern. Überraschenderweise setzt sich ein kürzlich aufgespürtes Manuskript Albert Einsteins – des Schöpfers jener Feldgleichungen, die den gängigen kosmologischen Theorien zu Grunde liegen – tatsächlich mit einer Alternative zum Urknallmodell auseinander. Das handschriftliche und undatierte vierseitige Original trägt den Titel "Zum kosmologischen Problem" und stammt vermutlich aus dem Jahr 1931. Es gehört schon lange zum Bestand des Archivs der Hebräischen Universität in Jerusalem. Bisher sah man es aber irrtümlich als Vorläufer zu Einsteins im selben Jahr publizierter Arbeit "Zum kosmologischen Problem der allgemeinen Relativitätstheorie" an – und ignorierte es. ...

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  • Quellen

Planck Collaboration: Planck Intermediate Results. XIX. An Overview of the Polarized Thermal Emission from Galactic Dust. In: Astrophysics of Galaxies, 5. Mai 2014

Einstein, A.: Zum kosmologischen Problem der allgemeinen Relativitätstheorie. In: Sitzungsberichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, S. 235 - 237, 1931

Liu, H., Mertsch, P., Sarkar, S.: Fingerprints of Galactic Loop I on the Cosmic Microwave Background. In: Cosmology and Nongalactic Astrophysics, 7. April 2014

Nussbaumer, H.: Einstein's Aborted Attempt at a Dynamic Steady-State Universe. In: History and Philosophy of Physics, 24. Februar 2014

O’Raifeartaigh, C., McCann, B.: Einstein’s Cosmic Model of 1931 Revisited: An Analysis and Translation of a Forgotten Model of the Universe. In: The European Physical Journal H 39, S. 63 - 85, 2014

Mortonson, M. J., Seljak, U.: A Joint Analysis of Planck and BICEP2 B Modes Including Dust Polarization Uncertainty. In: Cosmology and Nongalactic Astrophysics, 22. Mai 2014

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