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Hirschhausens Hirnschmalz: Das rote Tuch fürs Gehirn

Noch etwas Stiergalle zum Wodka? Eckart von Hirschhausen erklärt, warum Energydrinks und Hochprozentiges schlecht zusammenpassen
Eckart von Hirschhausen

Manchmal frage ich mich, was unser Hirn eigentlich über uns denken muss. Da redet Homo sapiens tagsüber schlaues Zeug und schießt sich nachts mit "Wodka Red Bull" ab. Vorher wartet man auf Erleuchtung, aber sobald es dunkel wird, beeilt man sich, noch die letzten kleinen Lichter in der Birne zu dimmen. Diese Kombination war mir immer ein Rätsel: Alkohol und Koffein. Morgens Kaffee versteh ich. Jedenfalls besser als Alkohol vor dem Frühstück. Aber was ist denn bitte die Botschaft an unser zentrales Nervensystem, wenn man beides mischt? Soll es geweckt oder gedämpft werden? Soll der Verstand sich schärfen und die Sicht verschwimmen – oder umgekehrt?

Wozu brauchen Sie persönlich Energydrinks mit Hochprozentigem?

  1. A) Um mit Frauen flirten zu können.
  2. B) Um mit Fahne fahren zu wollen.
  3. C) Um mit einem Puls von 180 einzuschlafen.
  4. D) Weil ich beides allein nie runterbekäme.

Der Ernährungsbeauftragte der Weltgesundheitsorga­nisation für Europa, João Breda, hat viel Energie aufgebracht, um das wenige gesicherte Wissen über Energy­drinks zu sammeln. Er fand, dass länderübergreifend zwei von drei Teenagern das Zeug konsumieren, bei den unter Zehnjährigen fast jeder fünfte. Als ich klein war, gab es das alles gar nicht. Wir mussten uns noch mit Mars-Riegeln mobil machen und Energie zurückholen, die wir nie verbraucht hatten. 1987 erst schwappte die süße Soße über Österreich nach Deutschland. Der ominöse Inhaltsstoff "Taurin" klang nach Mythos, Männlichkeit und Stierhoden, dabei ist es eigentlich ein Gallenabbauprodukt mit unklarer Wirkung.

Die Mischung mit Hochprozentigem, günstig und gaumengängig für Mann und Frau, erhielt so vernied­lichende Bezeichnungen wie "Flügerl", "Gummibärli" oder "Flying Hirsch" (immerhin ein guter Name). Statt Höhenflügen verspricht das Gesöff in der Praxis eher Abstürze. Normalerweise wird man müde, wenn man zu viel getrunken hat. So müde, dass die Alkoholaufnahme im Schlaf ein natürliches Ende findet – wo auch immer. Wird dies durch dosenweise Überdosen Wachmacher verhindert, gaukelt einem das Hirn weiter Bewusstsein vor. Diesem fällt dann nichts Besseres ein, als noch mehr zu trinken. Als Nebenwirkung steigt die Chance auf Prügeleien, riskante Experimente mit Sex und Drogen, Verletzungen. Und ist die Nacht vorüber, bleibt offenbar eine Verdunklungsgefahr für die Seele: Suizide bei Soldaten korrelieren mit dem Konsum von Energydrinks, insbesondere in Kombination mit Alkohol. Epileptische Anfälle und einzelne unerklärte Todesfälle durch Herzversagen haben in einigen Ländern Warnhinweise und vorübergehende Verbote gezeitigt. Aber derzeit bekommt jeder Energydrinks, überall.

Der Glaube an eine mentale und physische Leis­tungs­steigerung hält sich hartnäckig, obwohl diese nie schlüssig belegt wurde. Viel besser nachgewiesen ist dagegen, dass regelmäßiger Schlaf die Leistungsfähigkeit hebt. Klingt langweilig, aber je älter ich werde, desto weniger verspüre ich das Bedürfnis, mich ständig künstlich wach zu halten, damit ich ja nichts Wichtiges verpasse. Um seine Träume zu verwirklichen, muss man aufwachen, stimmt. Aber um erst mal welche zu haben, lohnt eine Mütze Nachtruhe. Anschließend Kaffee, noch einen nach der Siesta und abends ein entspanntes Gläschen Wein oder Whiskey. Ohne Koffein und Stiergalle. Na ja: Das Schlimmste, was man der Jugend vorwerfen kann, ist, dass man nicht mehr dazugehört.

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