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Der zentralafrikanische Regenwald. Ökologie, Geschichte, Gesellschaft, Wirtschaft


Wenn – wie jüngst auf dem Weltklimagipfel in Berlin – die zunehmende Schadstoffbelastung der Atmosphäre und die Folgen für die künftigen Lebensbedingungen im Zentrum der Diskussion stehen, pflegt man auch die Schutzfunktion des tropischen Regenwaldes zu beschwören. Es ist schon ein Allgemeinplatz, daß der Bewahrung dieser "grünen Lunge" der Erde im Interesse der Menschheit hohe Priorität zukommen muß – was von den eigentlichen Problemfaktoren, besonders der industriellen Lebensweise auf der Nordhalbkugel, nicht ablenken darf.

Das anerkanntermaßen lebenswichtige Organ ist in den vergangenen Jahrzehnten durch Abholzung und Brandrodung in buchstäblich atemberaubendem Tempo geschrumpft. Jahr für Jahr geht tropischer Regenwald von der dreifachen Fläche Bayerns verloren. Besonders rasant ist die Waldvernichtung in Süd- und Mittelamerika, Westafrika und großen Teilen Süd- und Südostasiens vorangeschritten. Relativ unberührt sind demgegenüber noch die riesigen Regenwälder Zentralafrikas, wenngleich auch dort in den zugänglichen Randzonen der Holz-Raubbau bereits seine Spuren hinterläßt.

Diese Waldzonen sind im vorliegenden Buch Gegenstand einer umfangreichen interdisziplinären Betrachtung. In dem Sammelband erörtern Theoretiker und Praktiker ausführlich ökologische, ethnologische, wirtschaftliche, politische und historische Fragen und öffnen zugleich den Blick für Perspektiven zur Erhaltung des Regenwaldes. Dabei wird deutlich, daß Problemwahrnehmung und Folgerungen von Wissenschaftlern, Umweltschützern, Entwicklungsexperten und Politikern keineswegs unüberbrückbar nebeneinanderstehen.

Während sich einige Beiträge mit dem Wald an sich sowie dem ursprünglichen Zusammenleben von Flora, Fauna und Mensch beschäftigen, widmen sich andere der zunehmenden Zurichtung des Waldes durch Besiedlung, Ackerbau und Holzunternehmen. An der raubbauartigen holzwirtschaftlichen "Inwertsetzung" des Tropenwaldes sind seit der Kolonialzeit bis heute deutsche Unternehmen wesentlich beteiligt, darunter die Karl Danzer Furnierwerke in Zaire. Wer sich für die Erhaltung des Regenwaldes einsetzen möchte, findet hier Adressaten für sein Anliegen im eigenen Land. Weitere Beiträge erörtern schonende Arten des Umgangs mit der Ressource Holz und die kritikwürdige deutsche Entwicklungszusammenarbeit in diesem Bereich.

Für mich als Politologen ist unter den Themen naturgemäß der generelle Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicklung, Strukturen politischer Herrschaft und Umweltzerstörung von besonderem Interesse. An diesem Punkt läßt der Sammelband einige Wünsche offen. So fehlt – besonders gravierend – eine explizite Auseinandersetzung mit der Politik der Weltbank.

Die meisten zentralafrikanischen Länder sehen sich aufgrund wirtschaftlicher Krisen, hoher Auslandsverschuldung und immer wieder drohender Zahlungsunfähigkeit genötigt, sogenannte Strukturanpassungsprogramme zur Sanierung ihrer Volkswirtschaften – und vor allem zur Wiederherstellung ihrer internationalen Kreditwürdigkeit – mit der Weltbank und ihrer Schwesterorganisation, dem Internationalen Währungsfonds (IWF), zu vereinbaren. Deren Politik läuft darauf hinaus, die Volkswirtschaften der Schuldnerländer verstärkt auf den Weltmarkt auszurichten: Exporte ankurbeln, um Devisen zu erwirtschaften und so die Zahlungsfähigkeit wiederherzustellen, lautet eines der zentralen Elemente der IWF-Weltbank-Therapie.

Womit aber lassen sich Exporterlöse erzielen? Mit Bergbauprodukten, Agrarerzeugnissen, Industriegütern – und mit Holz. Im Einzelfall kann ein Programm, wie zum Beispiel in Zaire in den achtziger Jahren oder neuerdings in Kamerun, die Ausweitung der Holzexporte empfehlen. Die ökologische Problematik einer solchen Therapie braucht hier nicht erörtert zu werden. Nachdem die Weltbank sich selbst zugute hält, seit den achtziger Jahren ihr Umweltbewußtsein geschärft zu haben, würde eine kritische Untersuchung ihrer Politik zeigen, daß zwischen Einsicht und politischer Umsetzung bisweilen Welten liegen.

Zudem hätte es dem Buch gut angestanden, den Zusammenhang zwischen (ländlicher) Armut und Waldzerstörung explizit in einem eigenen Beitrag zu behandeln. Viele Bäume fallen ja der verzweifelten Suche verarmender Kleinbauern nach Ackerland zum Opfer – Land, das sie für sich und ihre Familien benötigen, um nicht zu verhungern. Eine solche Betrachtung würde offenbaren, daß die Erhaltung des Regenwaldes unter anderem auch von einer erfolgreichen Bekämpfung der Armut abhängt. Damit ist eine schwierige Aufgabe angesprochen, die in den Industrieländern, auch in Deutschland, noch immer zu wenig beachtet wird, wenngleich man darüber auf internationaler Ebene schon intensiv diskutiert. Aber der Weltsozialgipfel in Kopenhagen im März 1995 erging sich ebenso in Unverbindlichkeiten wie wenige Wochen später der Weltklimagipfel in Berlin – zum Schaden des Regenwaldes und der Menschheit.



Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 1995, Seite 124
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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