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Die Fossilienlagerstätten Enspel und Messel

Eine Wanderausstellung präsentiert exotische Floren und Faunen des Tertiärs, die in den beiden Fundstellen Enspel bei Bad Marienberg (Rheinland-Pfalz) und Messel bei Darmstadt (Hessen) enthalten sind.

Die Umweltbedingungen in der Erdgeschichte zu rekonstruieren gehört zu den interessantesten wissenschaftlichen Problemen – läßt sich doch daraus ersehen, in welchen Zeiträumen und in welchem Ausmaß das Klima auf natürliche Weise schwanken kann.

Wichtige Indikatoren für das Paläoklima sind beispielsweise Fossilien. Vor allem tiefe Seebecken, die sich durch vulkanische oder tektonische Aktivität bildeten und in denen die Tier- und Pflanzenwelt über einen gewissen Zeitraum hinweg durch Ablagerungen konserviert wurde, stellen Klima-Archive mit einer hohen zeitlichen Auflösung dar. Sowohl Maare – wassergefüllte trichterförmige Vertiefungen, die durch vulkanische Gasexplosionen entstanden – als auch tektonische Seen haben ein eng begrenztes Einzugsgebiet; sie gewährleisten mit ihrer relativ kleinen Oberfläche und ihrer großen Tiefe eine kontinuierliche, jahreszeitlich geprägte Sedimentation. Zudem sind ihre bodennahen Wasserschichten zumeist frei von Sauerstoff, so daß organisches Material nicht vollständig abgebaut wird – eine ideale Voraussetzung also für die Fossi-lisation. In derartigen Ablagerungen dokumentieren sich deshalb jährliche Schwankungen in der Zusammensetzung der Pflanzenwelt und in der Hintergrundsedimentation sowie der Einfluß von Vulkanausbrüchen auf Flora und Fauna.


Enspel: Erstmals vollständige Skelette aus dem Ober-Oligozän

Nahe des Dorfes Enspel bei Bad Marienberg im Westerwald wurde bereits im 19. Jahrhundert im Zuge der Prospektion auf Braunkohlen unterhalb eines mächtigen Basaltes eine Fossillagerstätte entdeckt; doch anschließend geriet sie wieder in Vergessenheit, und erst in den achtziger Jahren unseres Jahrhunderts entdeckte man sie im Zuge des Basaltabbaus erneut. Heute ist dort ein Einblick in ihre Entstehungsgeschichte und in das damalige Ökosytem möglich.

Geophysikalische Untersuchungen sowie eine Forschungsbohrung zeigten 1996, daß diese Fundstelle vor 24,7 Millionen Jahren ein Maarsee war, in dem sich etwa 140 Meter mächtige Sedimente absetzten, die überwiegend aus einer Wechsellagerung von bituminösen Tonen (Ölschiefer) und vulkanischen Aschen bestehen. Enspel stellt heute die einzige zugängliche und in den nächsten Jahren großräumig erforschbare Fossillagerstätte dieses Alters in Europa dar.

Systematische Grabungen führt dort das Referat Erdgeschichtliche Denkmalpflege des rheinland-pfälzischen Landesamts für Denkmalpflege in Mainz seit 1991 durch. Bisher vermochte man mehr als 10000 paläontologisch auswertbare Objekte zu bergen. Die feingeschichteten Ablagerungen enthalten sowohl Floren- und Faunenreste der früheren Lebewelt im See selbst, als auch solche des Hinterlandes, die eingeweht oder eingespült wurden.

Die Sedimente lieferten bislang eine reiche Blattflora, mehrere tausend Insekten (zum Teil noch mit den ursprünglichen Farben), Fische der Gattung Palaeoleuciscus, Frösche der Gattungen Rana und Pelobates – von letzterer auch Kaulquappen –, Schildkröten, Krokodilzähne, Vögel sowie eine Vielzahl von Säugetieren unterschiedlicher Ordnungen wie Nager, Insektenfresser und Marderartige.

Mehr als zwanzig geowissenschaftliche Institute und Forschungseinrichtungen aus dem In- und dem europäischen Ausland sind an der Auswertung der Daten beteiligt. Übergreifendes Ziel ist, das ehemalige Ökosystem und das Paläoklima dieser Fundstelle zu rekonstruieren, doch auch der Einfluß von durch Aschelagen dokumentierten Vulkanausbrüchen auf das regionale Ökosystem, das Einsetzen der Reparaturmechanismen sowie die Zeitabläufe, die vergingen, bis sich ursprüngliche Gleichgewichte wieder eingestellt hatten, lassen sich hier beispielhaft untersuchen.

Zu den herausragenden und wissenschaftlich besonders wertvollen Funden gehören zwei Skelette von etwa mausgroßen Eomyiden. Reste dieser Säugetierfamilie von zumeist sehr kleinen Nagern lassen sich erstmals in ungefähr 40 Millionen Jahre alten Ablagerungen des Eozäns nachweisen; vor etwa 2,5 Millionen Jahren, im Pliozän, dem jüngsten Abschnitt des Tertiärs, starben sie jedoch aus. Bis vor kurzem wußte man nur anhand isoliert aufgefundener Gebißreste, daß es eine Fülle von Gattungen und Arten gegeben haben mußte; über die Skelette jener Tiere, ihr Aussehen und ihre Lebensweise war hingegen nichts bekannt. Dies änderte sich erst, als man 1992 in Enspel ein außergewöhnlich gut erhaltenes Exemplar der Art Eomys quercyi entdeckte (Bild 1).


Messel: reichhaltige Funde von Säugern aus dem Mittel-Eozän

Die zwischen Darmstadt und Dieburg gelegene Grube Messel ist eine tektonische Senke, die sich im Mittel-Eozän – einem Abschnitt des Alttertiärs vor etwa 49 Millionen Jahren – in einer Seen- und Flußlandschaft befand und in der sich Ölschiefer ablagerte. Sie hat bereits in den siebziger Jahren wegen ihres außerordentlichen Fossilreichtums und der hervorragenden Erhaltung der versteinerten Flora, Insekten und Säugetiere Weltruhm erlangt; 1995 nahm die UNESCO sie sogar als Weltnaturerbe in die World Heritage List auf – nach dem Dinosaur Park in den Vereinigten Staaten ist sie erst die zweite derart geehrte Fossilienfundstelle.

Die Vielfalt der gefundenen Säuger reicht von ursprünglichen Beuteltieren und Insektenfressern, Fledermäusen, Halbaffen, Schuppentieren, einem Ameisenbären (Eurotamandua joresi), über Raub- und Urhuftiere bis hin zu den Unpaarhufern, zu denen auch das Urpferdchen zählt, das gewissermaßen zum Messeler Symboltier geworden ist (Spektrum der Wissenschaft, Juni 1986, Seite 48).

In den Ablagerungen des Messel-Sees sind vermutlich ein bis zwei Millionen Jahre Erd- und damit auch Klimageschichte gespeichert – ein Schatz, der trotz der seit gut 150 Jahren währenden Messel-Forschung bis heute nur in Ansätzen gehoben ist. Auch heute noch gibt es keine einheitliche Vorstellung davon, wie der See und seine Randbereiche einst aussahen, welche Größe er hatte und welche Prozesse entscheidend an seiner Entstehung beteiligt waren.

Die beiden Fundstellen stehen beispielhaft für wärmere Ökosysteme, die ein paratropisches (Messel) bis warm-gemäßigtes Klima (Enspel) und damit eine deutlich südlicher gelegene paläogeographische Position Europas im Eozän beziehungsweise Ober-Oligozän anzeigen.

Die exotische Flora und Fauna der beiden Fossillagerstätten präsentiert eine vom Referat Erdgeschichtliche Denkmalpflege in Mainz konzipierte Wanderausstellung "Tertiäre Seen – Enspel und Messel – Überlieferungen aus der Urzeit"; Originale und Abgüsse Messeler Fossilien hat das Forschungsinstitut Senckenberg in Frankfurt am Main zur Verfügung gestellt.

Die Ausstellung vermittelt einen Überblick über den heutigen Kenntnisstand in der Erforschung dieser Lagerstätten; die Überlieferungsbedingungen, die Erhaltung der Fossilien und der Wandel von Klima, Flora und Fauna im Laufe von etwa 20 Millionen Jahren Erdgeschichte lassen sich direkt vergleichen. Nebenbei wird der Besucher in die bergetechnischen und präparativen Methoden im Gelände und im Labor eingeführt. Eine Begleitbroschüre enthält die Ausstellungstexte sowie zahlreiche Abbildungen.

Nachdem die Wanderausstellung bereits in Hachenburg (Westerwald) und Trier zu sehen war, macht sie als nächstes an der Universität Hamburg (15. März bis 18. Mai 1997) Station. Weitere vorgesehene Ausstellungsorte sind das Staatliche Museum für Naturkunde in Karlsruhe (23. Mai bis 6. Juni 1997), die Universität Dresden (30. Juni bis 25. Juli 1997), die Universität Bremen (1. bis 31. August 1997), das Schloßparkmuseum in Bad Kreuznach (7. September bis 12. Oktober 1997), die Universität Tübingen (20. Oktober bis 17. Dezember 1997), das Geoskop-Rotliegendmuseum auf Burg Lichtenberg in Kusel (10. Januar bis 31. März 1998), die Universität Bonn (6. April bis 31. Juni 1998), die Universität Münster (6. Juli bis 30. September 1998), die Universität Gießen (5. Oktober bis 30. November 1998) sowie das Museum der Natur in Gotha (1. April bis 30. Juni 1999). Die Öffnungzeiten der Museen und Institute können jeweils vor Ort erfragt werden.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 3 / 1997, Seite 110
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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