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Die Suche nach dem Eifel-Plume

Was löste den erst jüngst erloschenen Vulkanismus in der Eifel aus? Zur Klärung dieser Frage wurde der Untergrund der Region mit knapp 250 Erdbeben-Meßstationen – dem bisher umfangreichsten europäischen Geophon-Netz – abgehorcht. Die Daten werden ein hochaufgelöstes dreidimensionales Bild des Erdinneren bis in mindestens 400 Kilometer Tiefe liefern.


In der West- und Osteifel befindet sich eines der jüngsten mitteleuropäischen Vulkanfelder. Vor 600000 Jahren setzte dort heftige Eruptionstätigkeit ein, die erst vor 10900 Jahren wieder zum Erliegen kam. Die markantesten Spuren des Eifel-Vulkanismus sind die weltberühmten Maare (Spektrum der Wissenschaft, Februar 1982, Seite 26); insgesamt gibt es rund 350 Ausbruchsstellen in Form von Schloten, Schlackenkegeln und ähnlichen Strukturen. An vielen Orten dringen heute noch Gase aus dem Boden, und auch die Hebung des Rheinischen Schiefergebirges um einige 100 Meter während der letzten 800000 Jahre läßt auf dynamische Prozesse im Erdinneren schließen.

Obwohl die oberflächennahe Geologie der Eifel relativ gut erforscht ist, weiß man über die tiefreichenden Ursachen des Vulkanismus noch ziemlich wenig. Vermutlich wurde er durch Temperaturanomalien im Erdmantel hervorgerufen. Was über die geochemische Zusammensetzung der Laven bekannt ist, deutet ebenso wie ältere geophysikalische Modelle auf eine ungewöhnlich heiße Zone in mindestens 80 Kilometern Tiefe hin. Wo sie sich befindet und wie tief sie hinabreicht, läßt sich allerdings nicht genau sagen. Auch über ihren derzeitigen physikalischen Zustand – zum Beispiel die Temperatur und den Anteil eventueller magmatischer Schmelzen – gibt es nur lückenhafte und vage Erkenntnisse.

Einer Modellvorstellung zufolge befindet sich unter der Eifel ein sogenannter Plume (nach dem französischen Wort für Hutfeder): ein Aufstrom von Gestein, das etwa 200 Grad heißer und dadurch spezifisch leichter ist als der umgebende Mantel und in etwa 120 bis 60 Kilometern Tiefe zu einigen Prozent aufschmilzt. Das Magma kann teilweise in Schloten bis an die Erdoberfläche steigen und dort vulkanische Eruptionen auslösen. Einer der bekanntesten Plumes befindet sich unter dem Pazifik, wo er die Hawaii-Emperor-Inselkette schuf, während die Pazifische Platte darüber hinwegdriftete. Kleinere Exemplare werden beispielsweise unter den Kanarischen Inseln oder dem französischen Zentralmassiv vermutet.

Seit Juli 1997 arbeitet ein Team aus Mitgliedern verschiedener geophysikalischer Einrichtungen in Europa unter Federführung des Instituts für Geophysik der Universität Göttingen daran, den tiefen Untergrund der Eifel und der angrenzenden Gebiete eingehend zu erkunden. Ziel dieser Untersuchungen ist ein Modell, mit dem sich die Entstehung des Eifel-Vulkanismus und andere geodynamische Erscheinungen in der Region möglichst umfassend erklären lassen.

Während einer zweimonatigen Feldkampagne wurden an 23 Stellen Schwankungen des elektromagnetischen Feldes der Erde gemessen, um Variationen der elektrischen Leitfähigkeit unter der Eifel bis in mehrere 100 Kilometer Tiefe zu bestimmen. Aus ihnen ergeben sich Aufschlüsse über die Beschaffenheit des Gesteins und damit über den Aufbau und Zustand des Erdinneren in der untersuchten Region. Parallel dazu werden alle vorhandenen Gravitationsdaten zu einer neuen Schwerekarte zusammengetragen. Sie soll eventuelle Dichteanomalien im Erdmantel aufzeigen, die ihrerseits auf eine besonders heiße Zone hindeuten und Informationen über deren grobe Abmessungen liefern würden.

Zentrales Projekt ist jedoch die "Durchleuchtung" von Erdkruste und Erdmantel mittels seismischer Wellen. Da deren Ausbreitungsgeschwindigkeit von Zusammensetzung, physikalischem Zustand und Temperatur des durchquerten Gesteins abhängt, können sie ein hochaufgelöstes Bild der Strukturen in der Tiefe liefern. Voraussetzung ist nur, daß ein genügend dichtes Meßnetz gespannt wird, mit dem sich ankommende seismische Wellen in geringem Abstand registrieren lassen.

Um dies zu gewährleisten, haben sich deutsche, französische, belgische und luxemburgische Seismologen zu einem internationalen Team zusammengetan und von November letzten bis Juni diesen Jahres mit etwa 150 mobilen Erdbeben-Registriergeräten das vorhandene Meßnetz von 100 Permanentstationen gezielt verdichtet (Bild 2). Die mobilen Seismometer bestehen im wesentlichen aus einem Geophon, einer Art Spezial-Mikrophon für niederfrequente Schallwellen, und einem Personal-Computer zur Digitalisierung und Speicherung der Daten (Bild 1). Sie stammen vor allem vom GeoForschungsZentrum Potsdam, dem französischen Lithoscope Pool, dem Institut für Geowissenschaften der Universität Potsdam und der Universität Utrecht. An der logistisch aufwendigen Meßkampagne waren insgesamt etwa 40 Wissenschaftler, Techniker und Studenten beteiligt.

Mit dem Meßnetz wurden weltweit auftretende Fernbeben, lokale seismische Erschütterungen und Steinbruchsprengungen kontinuierlich erfaßt, wobei im Mittel zwei verwertbare Ereignisse pro Tag auftraten. Durch Vergleich der gemessenen Laufzeiten der Erdbebenwellen läßt sich mit einem Verfahren, das der Computertomographie in der Medizin entspricht (nur daß dort Röntgenstrahlen statt seismischer Wellen verwendet werden), die dreidimensionale elastische Struktur des Untergrunds rekonstruieren (Bild 3). Eine ähnliche Sondierung wurde – in kleinerem Maßstab – vor wenigen Jahren erfolgreich im französischen Zentralmassiv durchgeführt (Spektrum der Wissenschaft, Oktober 1995, Seite 28).

Mit seismischen Tomogrammen läßt sich die Geometrie eines Mantelplumes sichtbar machen und zugleich feststellen, wie weit er mindestens in die Tiefe hinabreicht. Außerdem kann man die Änderungen in der Geschwindigkeit der seismischen Wellen mit Temperaturvariationen im Erdinnern in Beziehung setzen und so ableiten, welcher Prozentsatz des Gesteins möglicherweise geschmolzen ist. Die jetzt gesammelten Daten werden bis Frühjahr nächsten Jahres aufbereitet; erste Ergebnisse der Auswertung sind ab Ende 1999 zu erwarten.

Die Resultate der seismischen und der anderen geophysikalischen Feldexperimente dienen zusammen mit weiteren, bereits bekannten Größen wie Hebungsraten oder Daten über den Wärmefluß aus dem Erdinneren als Eingangsparameter für Simulationen der geodynamischen Verhältnisse in der Tiefe. Hierbei werden im Computer Strömungsmodelle berechnet, die den vermuteten Plume unter der Eifel bestmöglich beschreiben und seine Dynamik möglichst genau reproduzieren sollen. Dadurch läßt sich dann unter anderem rekonstruieren, wie der Aufstieg der ungewöhnlich heißen Gesteinsmassen zeitlich ablief. Und daraus ergibt sich vielleicht auch eine Antwort auf die Frage, ob der Vulkanismus in der Eifel endgültig erloschen ist oder nur eine Atempause eingelegt hat und im Zeitrahmen von Tausenden von Jahren womöglich erneut aufleben könnte.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 1998, Seite 16
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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Weitere Informationen zu dem Eifel-Plume-Projekt, das großenteils von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert wird, finden sich im Internet unter der Adresse http://www.geo. physik.uni-goettingen.de/~eifel.
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