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Editorial: Auf Tuchfühlung

Christiane Gelitz

An Mittwochvormittagen sieht man manchmal Redaktionskollegen mit einem tiefenentspannten Gesichtsausdruck durchs Treppenhaus laufen. Jeder im Haus weiß, was dahintersteckt: die Handarbeit eines Masseurs, der uns hin und wieder seine Diens­te ­anbietet. Gelegentlich habe ich diese taktile Intervention schon selbst getestet, natürlich mit subjektiv hoch­evidentem positivem Resultat.

Das gesteigerte Wohlbefinden, so meine Vermutung, ist nicht allein der gelockerten Nacken­muskulatur zu verdanken – dann würde mein Massagekissen nicht auf dem Schrank verstauben. Vielmehr hat sich nach einer halben Stunde Hautkontakt auch die Seele entspannt, man fühlt sich rundum gut und seiner Umwelt wohlgesonnen. Warum das so ist und wie sich diese Effekte nutzen lassen, erläutern mein Kollege Joachim Retzbach und ich in unserem Titelthema ab S. 34. Unter der Vielzahl von Befunden der ­vielleicht schönste: Eine Berührung kann zwei Herzen dazu bringen, im Gleichtakt zu schlagen!

Ein Allheilmittel für verknotete Seelen und angespannte Verhältnisse sind Berührungen trotzdem nicht; die Beziehung und die Situation müssen schon passen. So wundern sich denn auch einige andere Kollegen: Fühlt sich eine Massage im Büroalltag nicht merkwürdig an?

Kinder machen sich um so etwas keine Gedanken und gehen unbekümmert auf Tuchfühlung. Aus gutem Grund: Sie brauchen Körperkontakt, um sich gesund zu entwickeln, wie ­Befunde aus Tierexperimenten nahelegen. Über die Folgen ­einer "Mangelversorgung" beim Menschen gibt es allerdings keine gesicherten Daten.

Ganz anders beim Alkoholkonsum von Schwan­geren: Hier sind die Folgen für die Kindesentwicklung wohlbekannt (ab S. 66). Selbst eine geringe Menge könnte womöglich schädlich sein. Unser Autor Reinhold Feldmann von der Universitätskinderklinik Münster rät Schwangeren daher, ganz auf ­Alkohol zu verzichten.

Eine siebenköpfige Gruppe um die Wissenschaftshistorikerin Sarah Richardson von der Harvard University hält solche Mahnungen für überzogen und einseitig. In ihrem Essay ab S. 72 argumentieren die Forscher: Den Müttern würde der Großteil der Verantwortung für die Entwicklung des ungeborenen Kindes zugeschoben, andere Fakto­ren wie Armut indes vernachlässigt.

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Herzlichst Ihre
Christiane Gelitz

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