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Wissenschaftsgeschichte: Fruchtbare Irrtümer

Die meisten Forschungsfehler sind einfach nur ärgerlich und meist schnell wieder vergessen. Doch manche Irrtümer erweisen sich als gar nicht so unnütz: Sie liefern wichtige Denkanstöße, und mitunter verändern sie sogar das wissenschaftliche Weltbild.
Manche Irrtümer bringen die Forschung voran: Sie liefern wichtige Denkanstöße, und mitunter verändern sie sogar das wissenschaftliche Weltbild.

Wissenschaftler legen größten Wert darauf, dass ihre Aussagen stimmen. Natürlich begehen sie trotzdem zahllose Fehler, denn Irren ist nun einmal menschlich. Aber nicht alle Irrtümer sind negativ zu werten. Historiker haben mehrere Beispiele ausgegraben, in denen sich eine falsche Idee als unerwartet folgenreich erwies. Ein solcher produktiver Fehler betrifft fundamentale Eigenschaften der uns umgebenden Welt und regt weitere Forschungen an, die zu echten Durchbrüchen führen. Ohne diese Irrtümer wäre die Wissenschaft viel ärmer.

Zum Beispiel schuf der dänische Physiker Niels Bohr (1885 – 1962) ein Atommodell, das in fast jeder Hinsicht falsch war und dennoch die quantenmechanische Revolution zündete. Oder: Gegen ein Heer von Skeptikern behauptete der deutsche Geologe Alfred Wegener (1880 – 1930), die Kontinente drifteten unter dem Einfluss zentrifugaler Kräfte auseinander; dabei erkannte er zwar das richtige Phänomen, gab aber eine falsche Erklärung. Und der italienische Kernphysiker Enrico Fermi (1901 – 1954) glaubte, er habe künstliche Transurane – Elemente mit einer größeren Atommasse als Uran – erzeugt, während er in Wahrheit auf die Kernspaltung gestoßen war.

Zwei besonders drastische Beispiele stammen aus der Physik der 1970er beziehungsweise aus der Biologie der 1940er Jahre. Die Autoren waren in beiden Fällen nicht einfach Pfuscher, die rein zufällig Glück hatten. Vielmehr stellten sie hartnäckig Fragen, die nur wenige ihrer Kollegen aufwarfen, und kombinierten Ideen, die damals kaum jemand in Betracht zog. Damit leisteten sie wichtige Vorarbeiten für die hochmodernen Forschungsgebiete Biotechnologie und Quanteninformatik. Sie lagen zwar falsch, doch die Welt sollte ihnen dafür dankbar sein ...

Kennen Sie schon …

Gehirn&Geist – Neurodiversität: Eine neue Sicht auf die Vielfalt unseres Denkens

Mit dem Begriff Neurodiversität beschreibt die Wissenschaft die natürliche Vielfalt unseres Denkens – und eröffnet neue Perspektiven auf Autismus, ADHS & Co. Aber warum ist in den vergangenen Jahren die Zahl der Diagnosen so deutlich gestiegen? Unsere Titelgeschichten gehen dieser Frage nach und beleuchten medizinische Ursachen ebenso wie gesellschaftliche Einflüsse und geschlechterspezifische Unterschiede. Erfahren Sie zudem im Interview mit Molekularbiologe Prof. Thomas Bourgeron, welche Rolle genetische Faktoren bei der Ausprägung und Diagnostik neurodiverser Eigenschaften spielen. Auch soziale Ungleichheit steht im Fokus dieser Ausgabe, denn neue Studien zeigen, wie sie politische Einstellungen beeinflusst und was Menschen dazu bringt, autoritäre Persönlichkeiten zu wählen. Daneben erklärt Maren Urner im Interview, was die ständige digitale Reizflut mit unserem Gehirn macht – und weshalb Langeweile gut für die mentale Gesundheit ist. Zudem berichten wir, warum Antidepressiva oft nicht wirken und welcher Weg zu einer maßgeschneiderten Therapie führen kann.

Spektrum der Wissenschaft – Präzision statt Zufall – Genomeditierung revolutioniert Pflanzenzucht

Seit der Mensch Pflanzen anbaut, versucht er auch, Erträge und/oder Widerstandskraft durch Zucht gezielt zu optimieren. Was zunächst als simple Auslese begann, hat sich unter anderem dank der Fortschritte in der Molekularbiologie längst deutlich erweitert. Doch Methoden, bei denen ins Erbgut der Gewächse eingegriffen wird, wecken bei vielen Menschen Bedenken und stellen auch die Gesetzgebung vor Herausforderungen. Wie präzise die neueren Verfahren sind und welche Regelungen derzeit gelten oder diskutiert werden, erfahren Sie in unserem Titelthema. Weitere Themen: Im Notfall kann die Wasserversorgung schnell an ihre Grenzen kommen – eine große Aufgabe für den Katastrophenschutz. Was können Klimaforschende aus historischen Daten zur Weinqualität in Europa über die Vergangenheit lernen, und warum schmeckt alkoholfreier Wein so anders als solcher mit Alkohol? Außerdem gehen wir der Frage nach, was Fischschwärme, Hirnströme und Supraleitung gemeinsam haben und wie Emergenz diese Komplexität erklären könnte.

Spektrum Kompakt – Paläogenetik

Uralte DNA auf Fossilien kann längst vergessene Geheimnisse und Verhältnisse lüften. Durch die Paläogenetik weiß man beispielsweise, wann Neandertaler und Homo sapiens erste gemeinsame Nachkommen zeugten. Neue Analyseverfahren genetischer Überreste erzählen so die Menschheitsgeschichte im Detail.

  • Quellen

Creager, A.: The Life of a Virus: Tobacco Mosaic Virus as an Experimental Model, 1930 – 1965. University of Chicago Press, Chicago 2001

Holton, G. (Hg.): Errors: Consequences of Big Mistakes in the Natural and Social Sciences. In: Social Research 72 (Sondernummer),2005

Kaiser, D.: How the Hippies Saved Physics: Science, Counterculture, and the Quantum Revival. W. W. Norton, New York 2011

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