Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Gefühle: Wenn die Zeit kriecht

Ist Langeweile zu erforschen nicht ganz schön öde? Keineswegs! Wissenschaftler entdecken ein erstaunlich vielschichtiges Phänomen, das gute und schlechte Seiten birgt - und uns sogar zur Sinnsuche inspirieren kann.
Gelangweilt?

Sich zu langweilen, ist leicht. Selbst in der ungewohnten Atmosphäre eines Labors gelingt das problemlos. Der Psychologe Wijnand van Tilburg hilft bei seinen Versuchspersonen nur ein bisschen nach. Beispielsweise lässt er sie die Buchstaben in einem Text zählen. Oder Litera­tur­angaben kopieren. Oder immer wieder das Gleiche zeichnen. Je länger der Versuch dauert, desto mehr verdrehen die Leute die Augen. Mit derlei Aufgaben traktiert der Niederländer von der University of Southhampton die Probanden wieder und wieder. Sein Ziel: herauszufinden, wie sich der Zustand der Langeweile auf den Menschen auswirkt.

Andere Wissenschaftler nähern sich dem ­Thema auf andere Weise. Sie untersuchen, wie es Menschen geht, die sich häufig langweilen, und wovon das Gefühl genau abhängt. Wir haben ­sieben wichtige Ergebnisse aus der Langeweileforschung für Sie ausgewählt. Fazit: Langeweile kann uns schaden oder nützen – es kommt auf die Art der Langeweile an und darauf, wie wir mit ihr umgehen.

1. Langeweile besteht aus vielen Zutaten

Was ist Langeweile überhaupt? Das lässt sich gar nicht so einfach beantworten. Zwar haben sich Vertreter unterschiedlichster psychologischer Schulen zu dieser Frage geäußert – aber jeweils nur mit ihrer ureigenen Sichtweise. Der Psychologe John Eastwood von der York University im kanadischen Toronto und seine Kollegen knöpften sich 2012 etwa 100 einschlägige Studien vor, um Langeweile endlich einmal mit all ihren mentalen Zutaten zu definieren. Die Essenz: Anders als antriebslose Menschen wollen sich gelangweilte Zeitgenossen befriedigend betätigen, die Umstände erlauben es ihnen aber im Moment nicht. Hinzu kommen – wenig verwunderlich – eine gedämpfte Stimmung und der Eindruck, dass die Zeit dahinkriecht.

Außerdem liege im Kern, so stellen Eastwood und seine Kollegen fest, immer eine Störung der Aufmerksamkeit vor. Zur Begründung dieser These beschreibt er einen inzwischen klassi­schen Versuch: Probanden sollten einen nicht gerade aufregenden Text lesen. Zum einen in einem Zimmer mit lauten Hintergrundgeräuschen. Zum Zweiten in einem Raum mit kaum wahrnehmbarem Lärm. Zum Dritten in einem völlig ruhigen Zimmer. Am langweiligsten fanden die Versuchsteilnehmer die Aufgabe in Raum 2. Weshalb? Weil der Lärm fast nur unterschwellig zu hören war, störte er zwar. Die Probanden führten ihr Konzentrationsproblem aber nicht darauf zurück. Vielmehr begründeten sie es mit der Aufgabe an sich. Sie sei einfach zu langweilig gewesen ...

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Quellen

Britton, A., Shipley, M. J.: Bored to Death? In: International Journal of Epidemiology 39, S. 370-371, 2010

Eastwood, J. D. et al.: The Unengaged Mind. Defining Boredom in Terms of Attention. In: Perspectives on Psychological Science 7, S. 482-95, 2012

Goetz, T. et al.: Types of Boredom: An Experience Sampling Approach. In: Motivation and Emotion 10.1007/s11031-013-9385-y, 2013

Goldberg, Y. K. et al.: Boredom: An Emotional Experience Distinct from Apathy, Anhedonia, or Depression. In: Journal of Social and Clinical Psychology 30, S. 647-666, 2011

Koball, A. M. et al.: Eating when Bored: Revision of the Emotional Eating Scale with a Focus on Boredom. In: Health Psychology 31, S. 521-524, 2012

Matiak, K. A. et al.: Neural Networks Underlying Affective States in a Multimodal Virtual Environment: Contributions to Boredom. In: Frontiers in Human Neuroscience 7, 820, 2013

Nett, U. E. et al.: Coping with Boredom in School: An Experience Sampling Perspective. In: Contemporary Educational Psychology 36, S. 49-59, 2011

van Tilburg, W. A. P., Igou, E. R.: On Boredom and Social Identity: A Pragmatic Meaning-Regulation Approach. In: Personality and Social Psychology Bulletin 37, S. 1679-1691, 2011

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.