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Editorial: Hochleistungsorgan mit sechs Buchstaben

Christiane Gelitz

Geht es um wichtige Fragen, so gilt das Bauchgefühl gemeinhin als guter Ratgeber. Und das nicht nur bei Menschen, die sowieso wenig grübeln. Selbst beharrliche Kopfarbeiter hört man selten sagen: "Ich verlasse mich auf meinen Verstand."

Warum wir dazu jedoch allen Grund hätten, erklärt Markus Knauff, Professor für Kognitionsforschung an der Universität Gießen, in unserer Titelgeschichte ab S. 12. Das Gehirn wisse sogar, wann wir falsch urteilen! Denn folgen wir einer plausiblen Intuition, müssten wir die Stimme der Vernunft zum Schweigen bringen, und das verbrauche Energie in der frontalen Großhirnrinde.

Zwar gründet unser Bauchgefühl meist auf Erfahrungen und liegt deshalb oft richtig. Manchmal entsteht daraus aber ein verzerrtes Bild. "Wirkt das denn?", fragte ich kürzlich eine Apothekerin, die mir ein homöopathisches Mittel empfahl. "Ja", sagte sie, "unsere Kunden sind begeistert! Und dem Hund meiner Nachbarin hilft es auch."

Hinter derlei Gewissheit steckt häufig ein universelles Heilmittel, der Placeboeffekt. Über diese unterschätzten suggestiven Kräfte der Medizin klärt "Gehirn&Geist"-Autor Eckart von Hirschhausen ab S. 62 auf – doch keineswegs, weil er sie aus den Krankenzimmern verbannen möchte. Vielmehr mahnt der promovierte Mediziner und gelernte Wissenschaftsjournalist, das Vertrauen in die Heilkunst gezielt zu nutzen und zu fördern.

Einer anderen Form von Wunschdenken verdanken ein Psychologe und sein Pferd ihren Platz in den Annalen wissenschaftlicher Irrtümer. Das kluge Tier klopfe immer dann mit dem Huf, behaup­tete sein Besitzer, wenn ein Mensch das richtige Ergebnis einer Rechenaufgabe nenne. Allerdings klappte das nur, wenn dieser selbst die korrekte Antwort kannte – offenbar orientierte sich das Pferd an unbewussten körperlichen Hinweisen der Menschen. Wie Forscher inzwischen vielfach demonstriert haben, deuten wir gerne allerlei in unsere geliebten Vierbeiner hinein. Über welche Talente vor allem Hunde tatsächlich verfügen, lesen Sie ab S. 22 in unserem Spezial "Haustiere".

Der Zahlenraum bis zehn ist auch für die Spezies Mensch nicht immer einfach zu überschauen. "Hochleistungsorgan mit sechs Buchstaben?", fragte ich meinen Mann, um die Überschrift dieses Editorials zu testen. "Lunge", antwortete er im Brustton der Überzeugung.

Möge jeder denken, womit er will!

Herzlichst Ihre

Christiane Gelitz

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