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Horizonte der Biologie



Die vorliegende Sammlung enthält 21 von anerkannten Experten geschriebene Aufsätze, die von 1976 bis 1992 in der Zeitschrift "Biologie in unserer Zeit" erschienen sind. Sechs davon entstanden vor 1983 und sind wegen des raschen Wissenszuwachses in einigen Einzelheiten nicht mehr ganz aktuell.

Bei der Inhaltsangabe ist die vom Herausgeber vorgenommene grobe Gruppierung hilfreich: drei Beiträge zur Entwicklungsbiologie, vier zur Zeitmessung von und Kommunikation zwischen Organismen, sechs zur Funktion und Erhaltung der Biosphäre mit den Unterthemen Umweltproblematik, Kohlendioxid-Klima-Problem, Waldvernichtung, Baumsterben, Schwermetall-Kontamination und Monokulturen, vier zur molekularen Genetik sowie vier zu Evolution und Soziobiologie. Die drei letztgenannten Themenbereiche seien näher besprochen.

Die hochaktuellen Beiträge zur molekularen Genetik belegen, wie methodische Entwicklungen oft stürmische Fortschritte unserer Kenntnisse und bedeutsame Nutzanwendungen nach sich ziehen. Der Aufsatz "Regulation der Genexpression" erläutert unter anderem, wie eine Zelle die Funktion eines bestimmten Gens nach Bedarf reguliert. Das Kapitel "Polymerase Chain Reaction" beschreibt die Vervielfältigung genetischen Materials in vitro, eine gerade zehn Jahre alte, mittlerweile mit einem Nobelpreis gekrönte Methode, die eine rasante Entwicklung ermöglichte (Spektrum der Wissenschaft, Juni 1990, Seite 60, und Dezember 1993, Seite 16). Der Artikel "Monoklonale Antikörper" behandelt jene Glykoproteine, die zwar ebenso wie die herkömmlichen polyklonalen Antiseren bei Anwesenheit eines Antigens (Fremdmoleküls) im Immunsystem zum Beispiel der Säugetiere gebildet werden, aber allein gegen eine Determinante eines Antigens gerichtet sind. In dem Beitrag "Was den Mann zum Manne macht" geht es um die genetischen Grundlagen der Geschlechtsbestimmung beim Menschen.

Die Themengruppe "Evolution und Soziobiologie" bietet einen Überblick über moderne Evolutionstheorien, behandelt die Evolution der Zelle und die des Menschen. Darlegungen zur evolutiven Erkenntnistheorie und zur Soziobiologie des Menschen beschließen diesen Band.

Auf Teile des Themenblocks Umweltproblematik sei näher eingegangen. Der (1983 erstmals veröffentlichte) Beitrag "Wald im Wandel" von Gerhard Mitscherlich beginnt historisch. So lernt der Leser vieles über Waldzerstörung und Holznot vom Mittelalter bis zur Aufklärung, über die vielfältige Brennholznutzung zur Heizung, in Glashütten und in Salinen und die heute kaum mehr begreifbare Bedeutung der Waldweide. Bereits einmal stand der Wald in Mitteleuropa vor dem Ruin. Damals retteten ihn der Übergang zur Kohlefeuerung, die Erfindung der Dampfmaschine und die Eisenbahn, die Kohle über weite Entfernungen transportierte.

Noch 1983 schien der Wald dem forstwissenschaftlich ungeschulten Spaziergänger gesund zu sein. Hingegen hatte Mitscherlich bereits 1976 ("Biologie in unserer Zeit", Band 6, Seiten 105 bis 110) das Waldsterben in seinen Erscheinungsformen mit großer Klarsicht und beängstigender Genauigkeit vorausgesagt. Zwei 1983 aktuelle Ereignisse, die Massenentwicklung des Borkenkäfers und Schwammfäule in nie dagewesenem Ausmaß, machten auch den Laien erschrocken.

Der vom Menschen verursachte Wandel des Waldes und seiner globalen Umwelt wirkte sich zwangsläufig immer stärker aus. Das gilt weltweit, nicht nur für den vielzitierten tropischen Regenwald, sondern auch für die ehemals weithin geschlossene Nadelwaldzone der Nordhemisphäre.

Warum? Als Hauptursache, keinesfalls als einzige, nennt Mitscherlich die Emission von Schadgasen (besonders Schwefeldioxid und Stickoxiden). Sie zerstören Zellkern, Chlorophyll und Plasma in der Zelle, schwächen die Funktion von Enzymen, vermindern die Frosthärte und verursachen Wasserverluste, weil die Schließzellen versagen – Gründe genug, den Beitrag "Baumsterben als pflanzenphysiologisches Problem" für diesen Band auszuwählen. Die Photosynthese, ebenfalls in einem eigenen Kapitel grundlegend behandelt, wird zwangsläufig beeinträchtigt. Bei der Bedeutung dieses Prozesses der Energieumwandlung kann das nicht ohne Folgen bleiben. Noch deutlicher wird dies durch die Schilderung der Sekundärschäden zum Beispiel an Wurzeln, im Waldboden, durch Pilze (Rotfäule) und Parasiten (Borkenkäfer).

Vier weitere bedrückende Fakten nennt Mitscherlich: Die Erkrankung der Bäume setzte schon vor Jahren, wenn nicht vor Jahrzehnten ein. Die Zuwachsminderung in Trockenjahren ist deutlicher ausgeprägt als früher; die nachfolgende Erholung ist langsamer oder bleibt gänzlich aus. Ihren besten Zuwachs hatten Tannen früher in warmen Jahren, seit Beginn der sechziger Jahre zunehmend in feuchten.

Die hier eingehender besprochenen Beiträge des Bandes weisen untereinander so viele Querverbindungen auf, daß man die Themenauswahl uneingeschränkt als gelungen bezeichnen kann. Die angestrebte Aktualität ist, gemessen am angesprochenen Leserkreis, erreicht worden. Zu dem erklärten Ziel, das Entschwinden der Forschungsfront in für den Laien immer weniger erreichbare Ferne zu verhindern, leistet das vorliegende Buch einen Beitrag.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 1 / 1994, Seite 119
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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