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Künstliches Fieber gegen Krebs

Mit optimierter Technik und einer aufwendigen Planung an simulierten Patienten gelingt es mittlerweile immer besser, Krebsgewebe zu überwärmen. Eine solche Hyperthermie kann konventionelle Behandlungen verstärken und Leben retten.


Es klingt nach Naturheilkunde: Schon Hippokrates wußte um die heilende Wirkung des Fiebers, im damaligen System der Elemente dem Feuer nahe. Selbst bei Krebserkrankungen sind Spontanheilungen nach Perioden hohen Fiebers in Einzelfällen seit dem 19. Jahrhundert belegt. Die moderne Medizin verdrängte das Fieber zunächst aus dem ärztlichen Instrumentarium, doch Ende der siebziger Jahre begannen wissenschaftliche Untersuchungen zur "Hyperthermie". Experimente an Zellkulturen und Versuchstieren überraschten: Eine Überwärmung auf 42 bis 44 Grad Celsius verstärkte die Wirkung anderer Krebstherapien wie Bestrahlung oder Chemotherapie deutlich (siehe Kasten auf Seite 81).

Das weckte Erwartungen: Die Dosis der verabreichten Strahlung beziehungsweise des Medikaments ließe sich in der Kombination mit Hyperthermie bei gleicher Wirksamkeit verringern, um Nebenwirkungen zu reduzieren. Vor allem aber Krebsgeschwülste, die auf konventionelle Behandlung nicht ansprachen, würden vielleicht doch behandelbar. Jedoch: Die Praxis enttäuschte, kaum ein Patient lebte dank der Kombinationstherapie länger.

Vermutlich war es damals nicht gelungen, das gesamte Tumorvolumen genügend aufzuheizen. Gerade in diesem Temperaturbereich wirken sich aber einige Zehntelgrade zu wenig schon deutlich aus: Entsprechend homogen und vor allem ausreichend hoch dosiert muß die Hitze appliziert werden. Doch die technische Ausrüstung wie auch die Planungssysteme erwiesen sich als unzureichend. Vor allem dürfte der nur schwer berechenbare, Wärme aber sehr effizient abführende Blutfluß manchen Versuch zur homogenen Überwärmung vereitelt haben.

Mittlerweile beginnt sich die Situation aber zu ändern. So verwenden Onkologen an einigen amerikanischen und europäischen Kliniken seit 1988 das Therapiesystem der Firma BSD aus Salt Lake City (US-Bundesstaat Utah) im Rahmen klinischer Studien mit einigem Erfolg. Eine ringförmige Anordnung von acht Antennen sendet elektromagnetische Wellen von etwa 90 Megahertz, also Radiowellen im UKW-Band, in das Gewebe und erhitzt es selbst in 20 Zentimetern Tiefe (Bilder Seite 80). Temperaturen von 41, in Tumoren bis zu 44 Grad Celsius wurden erreicht. Die Überwärmung erfolgt regional, erfaßt also größere Körperbereiche wie Becken oder Bauchraum (siehe Kasten auf Seite 83).

Entsprechend dem bei klinischen Studien üblichen Schema untersuchen verschiedene Institutionen die regionale Hyperthermie seit etwa zehn Jahren. Nachdem zunächst in einer Phase-I-Studie die Unbedenklichkeit der Behandlung an Patienten mit unheilbar fortgeschrittenen Geschwülsten nachgewiesen wurde, überprüften Onkologen nach den Maßgaben einer Phase-II-Studie die generelle Wirksamkeit der Hyperthermie: Kaum operierbare Enddarm-Karzinome von mindestens fünf Zentimetern Durchmesser, schon fest verbacken mit der Umgebung, wurden fünf Wochen lang täglich mit insgesamt 45 Gray bestrahlt – mehr als dem 20000fachen der natürlichen Strahlendosis – sowie chemotherapeutisch behandelt.

 

Kontrollierte Wärmezufuhr als Unterstützung anderer Therapien

Der Zweck dieser Maßnahmen: Derart angegriffen sollte der Tumor schrumpfen und schließlich komplett zu operieren sein; die Gefahr eines Wiederaufflammens (Rezidivs) durch nicht entfernte Zellen ist dann geringer. Zur Sicherheit erfolgte zusätzlich einmal wöchentlich für eine Stunde eine regionale Hyperthermie des Beckens mit dem BSD-System.

Die Ergebnisse waren hervorragend und übertrafen die Hoffnungen: Bei fast 90 Prozent der Patienten konnte die Geschwulst wie gewünscht operativ entfernt werden, und in immerhin etwa 60 Prozent der Fälle fand der Pathologe deutliche Tendenzen zur Rückbildung bis hin zum kompletten Verschwinden. Nach fünf Jahren lebten noch 60 Prozent der Patienten, das sind 10 bis 20 Prozent mehr, als zu erwarten war. Ein positiver Effekt der Hyperthermie war demnach mehr als wahrscheinlich.

Es folgten deshalb vergleichende Studien (Phase III), in denen die Wirksamkeit der herkömmlichen mit der um die Hyperthermie ergänzten Therapie verglichen wird. Eine davon wurde kürzlich am Daniel den Hoed Cancer Center in Rotterdam unter der Leitung von Jacoba van der Zee abgeschlossen: Dank einer Kombination von Bestrahlung und Hyperthermie gegen außerordentlich große und ausgedehnte Cervixkarzinome (Gebärmutterhalskrebs) lebten nach drei Jahren noch 52 Prozent der Patientinnen, mit alleiniger Radiotherapie nur 27 Prozent. Die in Deutschland initiierten Phase-III-Studien zum Rektumkarzinom an der Charité Berlin und zu den Weichgewebetumoren (Weichteilsarkome) am Klinikum Großhadern in München laufen noch, lassen aber gleichfalls hoffen, wirksamere Behandlungsformen an die Hand zu bekommen.

Optimistisch stimmt uns insbesondere, daß inzwischen technische und methodische Entwicklungen vorliegen, um eine regionale Hyperthermie besser zu planen und zu steuern. Das beinhaltet ein möglichst wirklichkeitsnahes Vorausberechnen der eingebrachten elektromagnetischen Energie beziehungsweise die Optimierung der Antennenansteuerung. Die eigentliche Wärmeentwicklung können Computer nur grob simulieren, denn der Blutfluß läßt sich kaum in ein realistisches Modell einbinden. Deshalb muß die Temperaturverteilung während der Behandlung zu kontrollieren sein. Diese Punkte wollen wir im folgenden ausführen.

Um den meist komplex geformten und oft in sich heterogen aufgebauten Tumor gleichmäßig zu erwärmen, muß das elektromagnetische Feld im Gewebe sehr genau einstellbar sein. Beim BSD-System variiert man deshalb die von jedem Antennenpaaren (Kanal) abgestrahlte Leistung und die Wellenphasen – die Überlagerung der Wellen aller Kanäle sollte im Tumor eine Verstärkung ergeben.

Zwar vermag das bisher eingesetzte Gerät in einem homogenen Testmedium wie Salzwasser ein Feldstärkemaximum zu erzeugen, das sich auch verschieben läßt, doch ganz offensichtlich klappte das beim realen Patienten nicht. Erste zu stark vereinfachende Modellrechnungen vermochten dieses Versagen nicht widerzuspiegeln. Eine wissenschaftliche Diskussion über die adäquaten Modelle der Feld-Berechnung und der Patientenmodellierung zeigte dann: Grundlegende Probleme der numerischen Mathematik waren damals noch nicht gelöst; sie bedeuten auch heute noch eine große Herausforderung.

Zur Therapieplanung mittels Computersimulation sind nämlich die das Feld beschreibenden Maxwell-Gleichungen zu lösen. Es handelt sich dabei um ein sehr kompliziertes System gekoppelter partieller vektorieller Differentialgleichungen, dessen Lösung vor allem im allgemeinen und dreidimensionalen Fall numerische und methodische Probleme aufwirft.

Deshalb kooperieren in Berlin Ärzte seit vielen Jahren mit Mathematikern und Informatikern des dortigen Konrad-Zuse-Zentrums. Die Frucht dieser Zusammenarbeit ist ein einsatzfähiges und kommerziell erhältliches Planungssystem. Dabei dient jeweils ein Datensatz von computer- oder kernspin-tomographischen Schnittbildern als Grundlage; ein individuelles Patientenmodell wird daraus abgeleitet. Darin werden die verschiedenen Gewebebereiche voneinander abgegrenzt; man spricht von Segmentierung.

 

Individuell abgestimmte Behandlung

Das ist sehr wichtig, denn jedes Gewebe hat seine eigenen elektrischen Parameter wie Leitfähigkeit und dielektrische Konstante. An Grenzflächen etwa zwischen Knochen und Muskeln ändern sich diese sprunghaft, und damit kann auch das elektrische Feld dort abrupt an Stärke ab- oder zunehmen – sogenannte hot spots können die Folge sein. Die Entwicklung effizienter Algorithmen für die Segmentierung der Bilddaten war daher eine wichtige Teilaufgabe des Projekts.

Numerische Verfahren berechnen Lösungen von Gleichungen nur an repräsentativen Positionen (tatsächlich ermöglicht diese Vereinfachung der eigentlich kontinuierlichen Realität die Umformung etwa der Maxwell-Gleichungen in einfachere Gleichungssysteme, die sich dann per Computer lösen lassen). Diese sogenannten Stützstellen bilden bei den hier gewählten Methoden, zu denen auch die Methode der Finiten Elemente (FE) gehört, ein Gitter aus Tetraedern (Spektrum der Wissenschaft, März 1997, S. 90). Es war recht schwierig, einen Algorithmus zu entwickeln, der aus den Konturen der Gewebebereiche ein solches Gebilde automatisch und fehlerfrei erzeugt.

Auch die eigentliche Feldberechnung erforderte einigen Aufwand, zum Beispiel um die umfangreichen Gleichungssysteme in annehmbarer Rechenzeit zu lösen. Das wird ganz entscheidend von der Feinheit des Tetraedergitters festgelegt – eine ausreichend genaue Modellierung von Patient, Antennen und Wasserbolus benötigt etwa 50000 derartige Elemente (das mit Wasser gefüllte Kissen schafft zwischen Antennen und Gewebe einen glatteren Übergang der elektrischen Parameter; es dient also der Ankopplung und zudem zur Kühlung der Haut). Eine herkömmliche Workstation verbraucht dann pro Antennenpaar etwa 20 Minuten Rechenzeit, ein Parallelrechner (Supercomputer) 10- bis 20mal weniger – wir hoffen auf künftige Generationen von Workstations.

Aus der Feldverteilung folgt die Verteilung der Leistungsdichte, und daraus kann das Temperaturfeld durch Lösung einer weiteren partiellen (skalaren) Differentialgleichung, der sogenannten "biologischen Wärmetransfergleichung", mit der FE-Methode berechnet werden. Das dauert aber nur wenige Sekunden.

Sehr wichtig ist freilich, daß dem behandelnden Arzt die Ergebnisse auf eine Art und Weise präsentiert werden, die keine Kenntnisse der zugrundeliegenden Technik, Physik und Mathematik erfordern. Dazu dienen insbesondere Oberflächen- und Volumendarstellungen von Kombinationen von Datensätzen, die sich in Echtzeit am Bildschirm rotieren, verschieben, zerschneiden, speziell markieren lassen und anderes mehr.

Simulationsstudien mit systematischer Variation von Parametern zeigen, daß sich die Temperaturverteilung im Zielgewebe durch drei Ringe von je acht Antennen entlang der Körperachse verbessern läßt. So kann man das elektrische Feld auch in dieser Richtung steuern und damit hot spots vermeiden. Das ist ein großer Vorteil: Ohne solche Temperaturspitzen läßt sich die eingestrahlte Gesamtleistung erhöhen, um eine insgesamt höhere Mindesttemperatur im Zielgebiet zu erreichen – im Einzelfall ergab die Simulation ein Plus von bis zu zwei Grad Celsius im Tumor.

Obwohl unterschiedliche Antennentypen Energie durchaus verschieden abstrahlen, ergaben Berechnungen zu unserer Überraschung keine sonderlichen Effekte auf die Temperaturverteilung. Das unterstreicht die Bedeutung der Steuerparameter "Phase" und "eingespeiste Leistung" jeder einzelnen Antenne.

Es wäre deshalb äußerst wichtig, das tatsächliche elektrische Feld vor Ort zu messen, um eventuelle Abweichungen von einer idealisierten Planung ausregeln zu können. Die Anforderungen an ein solches Meßsystem sind aber hoch, insbesondere muß es kostengünstig und einfach zu handhaben sein.

 

Schwer kontrollierbare Auswirkungen auf den Blutfluß

Ultraschnelle Leuchtdioden (LED) scheinen die geeignete Wahl zu sein. Ihr optisches Signal schwingt im Takte des äußeren elektromagnetischen Wechselfeldes. Es wird über einen Lichtleiter abgeführt und ausgewertet. Im Versuchsaufbau haben wir den Sensor in den Wasserbolus beziehungsweise das mit Salzwasser gefüllte Phantom eingeführt und mit einem Positionierungssystem sehr präzise verschoben. Die Meßwerte stimmten mit unseren Modellrechnungen recht gut überein.

Wir stießen aber auch auf ein grundlegendes Problem: Schon kleinere Änderungen des Meßaufbaus – wie eine Verschiebung des Phantoms – hatten erhebliche Phasenverschiebungen zur Folge. Beim realen Patienten könnte sich daraus eine deutlich schlechtere Temperaturverteilung ergeben. Offensichtlich liegen "gute" und "schlechte" Einstellungen bei einem Vielantennenapplikator nicht allzu weit auseinander.

Um so wichtiger ist die Vermessung des Antennenfeldes mit den LED-Sensoren. Wir werden sie im Wasserbolus positionieren, um das aktuelle Feld nach Phase und Amplitude zu bestimmen und eventuell die Steuerparameter zu ändern.

Allerdings ist die abgestrahlte und in den Körper eingebrachte elektromagnetische Leistung nur die eine Seite der Medaille. Der Blutfluß (Perfusion), der mit der Erwärmung zunimmt, transportiert Wärme zu anderen Gewebebereichen, ein physiologischer Mechanismus, um den Körper zu kühlen. Im Muskelgewebe kann die Perfusion bis auf den zwanzigfachen Wert steigen. Selbst Fettgewebe wird bei hyperthermer Erwärmung bis zu fünfmal stärker durchblutet. Zwar kann dieser Effekt für die verschiedenen Gewebe geschätzt und in den Planungsrechnungen berücksichtigt werden, aber die Grenzen einer Vorhersage sind schnell erreicht. Die Temperaturverteilung ist tatsächlich nicht zu planen, sondern nur im Rahmen von Erfahrungswerten abschätzbar.

Hinzu kommt, daß sich Tumoren diesbezüglich anders verhalten als gesunde Gewebe, denn bei ihrem Wachstum bilden sich unregelmäßig kleinere, wenig regulierbare Blutgefäße aus. Demgemäß nimmt die Durchblutung, wie wir bei Patienten immer wieder beobachten konnten, nur geringfügig zu, wenn überhaupt. Allerdings läßt sich dieses Verhalten kaum vorhersagen, zumal eine Geschwulst heterogen aufgebaut und teilweise auch stark durchblutet sein kann. Überdies beeinflussen auch Narbengewebe, entzündliche Veränderungen oder altersbedingte Störungen die Durchblutung – Phänomene, die sich der Modellierung entziehen.

Somit bleibt trotz aller Planung und präziser Feldeinstellung eine erhebliche Unsicherheit über das resultierende Temperaturfeld. Das erklärt auch Überraschungen und Abweichungen von den Vorhersagen bei der klinischen Anwendung. Eine noch genauere und aufwendigere Modellierung der physiologischen Verhältnisse im Zielvolumen erscheint kaum möglich. Die einzig sinnvolle Lösung ist unseres Erachtens eine Anpassung der Antennensteuerung anhand real gemessener Temperaturwerte während der Therapie.

Ein solches Meßverfahren sollte nicht-invasiv sein, also ohne in den Körper eingesetzte Meßfühler funktionieren. In den vergangenen Jahren gelang es bereits, mittels Kernspin-Tomographie Temperaturunterschiede von 40 bis 80 Grad Celsius zu erfassen, wie sie beispielsweise bei der Lasertherapie von Lebermetastasen auftreten. Für unseren Zweck benötigen wir jedoch eine Meßmethode, die zwischen 37 und 44 Grad Celsius und mit einer Genauigkeit von 1 Grad arbeitet.

Die Kernspin-Tomographie, auch Magnetresonanz-Tomographie (MRT) genannt, nutzt einen Quanteneffekt, dessen Dynamik sich mit der Temperatur ändert: In einem homogenen Magnetfeld zeigt die Kreiselbewegung von Wasserstoff-Atomkernen in dessen Richtung und klappt bei Einstrahlung eines dazu senkrechten magnetischen Wechselfeldes bestimmter Frequenz (Larmor-Frequenz) in die Gegenrichtung, um dann allmählich wieder in den ursprünglichen Zustand zurückzukehren; aus den Meßdaten läßt sich vor allem ablesen, ob ein Gewebe reich oder arm an Protonen ist. Die Frequenz des Kernübergangs – die Zeit, die bis zur Rückkehr in den Ausgangszustand verstreicht – und andere Parameter sind temperaturabhängig. Es gibt mittlerweile sogar Kontrastmittel, die eine Wasserstoffgruppe mit leicht verschobener Resonanzfrequenz enthalten und aufgrund spezieller Wechselwirkungen die Empfindlichkeit verzehnfachen.

Um dieses Meßverfahren zu verwenden, müssen wir den Patienten in der "Röhre" eines Kernspin-Tomographen behandeln; MRT und Hyperthermiesystem dürfen sich dabei nicht gegenseitig beeinflussen, obwohl beide Hochfrequenzen abstrahlen. Weltweit werden derzeit zwei solche Hybridsysteme entwickelt.

Eines davon testen unsere Kollegen am Klinikum Großhadern in München; der Tomograph ist dabei ein offenes, das heißt seitlich zugängliches Niederfeldsystem, das mit einem relativ schwachen primären Magnetfeld von 0,2 Tesla arbeitet. Diese Bauweise ermöglicht zwar, Leitungen, Sensoren und anderes Zubehör einfach an den Applikator heranzuführen, doch sind die Meßsignale bei schwächerem Feld oft verrauscht.

Daher bevorzugen wir ein Hochfeld-MRT mit 1,5 Tesla. Solche Geräte bestehen allerdings aus den erwähnten tunnelförmigen Kryomagneten und sind daher nur von der Frontseite her zugänglich. Die Integration des Hyperthermiesystems ist demgemäß schwieriger, denn die kreisförmige Öffnung von 60 Zentimetern Durchmesser setzt enge Grenzen. Neueste Geräte machen es wenigstens den Patienten leichter: Kürzere Magnete ermöglichen den Bau nur einen Meter langer Tunnel, so daß der Kopf und ein Teil des Oberkörpers außerhalb der "Röhre" bleiben (linkes Schema im Bild auf S. 80). In den längeren Tunnelmagneten älterer MR-Tomographen würden die Patienten vollständig verschwinden – für manche Grund für beklemmende Angst. In Zusammenarbeit mit den Firmen BSD und Siemens entwickelt unsere Arbeitsgruppe nunmehr ein solches Hybridsystem.

Bringt man all diese Komponenten zusammen, sollte es erstmals möglich sein, ausgedehnte und tief liegende Bereiche des Körpers kontrolliert zu überwärmen. Der Aufwand ist beträchtlich, doch als Ziel lockt eine Therapieform, die verspricht, zahlreichen Unzulänglichkeiten und Nachteilen der bisherigen Tumorbehandlungen abzuhelfen. Nutznießer ist der Patient, für den es häufig genug um Leben und Tod geht. Nutznießer ist freilich auch der Arzt, dem wir ein Werkzeug geben wollen, den Kampf gegen eine Krankheit zu gewinnen, die immer noch in etwa der Hälfte der Fälle den Tod zur Folge hat.

Es winken weitere medizinische Anwendungen einer solchen Technologie. In der Diskussion ist, die Verfahren mit einer Gentherapie oder mit einer Immuntherapie zu kombinieren. Im ersten Falle ist vorstellbar, daß infolge der erhöhten Temperatur bestimmte Gene aktiv würden – die Überwärmung würde gewissermaßen wie eine Art Genschalter wirken. Im zweiten Fall könnte die erhöhte Temperatur bestimmte Immunfunktionen verstären, also die Antigenität verbessern; das Immunsystem würde dann den Kampf gegen den Krebs aufnehmen beziehungsweise ihn verstärkt führen.

Auch Anwendungen der Hyperthermie in der physikalischen Medizin sind denkbar. Vielleicht ließen sich mit diesen Methoden Durchblutungsstörungen therapieren. Nicht zuletzt deswegen werden Forschungen zur Hyperthermie seit 1994 in einem der wenigen technischen Sonderforschungsbereiche der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt.

 

Literaturhinweise

Hyperthermie in Kombination mit Radiotherapie und/oder Chemotherapie. Von P. Wust und M. Molls in: Kompendium Internistische Onkologie. Standards in Diagnostik und Therapie. Von H. J. Schmoll, K. Höffken und K. Possinger (Hg.), 3. Auflage, Teil 1, S. 536–540. Springer, Berlin 1999.

Neue Entwicklungen der Hyperthermie. Von B. Schulz, E. Vogel und J. H. Bernhardt in: Deutsches Ärzteblatt, Bd. 96, Heft 25, S. 1292 – 1295.

Krebsmedizin. Spektrum der Wissenschaft, Spezial 1/96.

Medizinische Bildverarbeitung. In: Spektrum der Wissenschaft, Digest 2/99: Wissenschaftliches Rechnen.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 1999, Seite 78
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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