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Hirschhausens Hirnschmalz: Maiglöckchen ade!

Eckart von Hirschhausen

Heute möchte ich mich Intelligenzen außerhalb unseres Gehirns widmen. Nein, es geht nicht um Außerirdische, sondern unter die Gürtellinie. Aber mit Niveau! Es geht um Spam und Sperm. Nicht nur lautmalerisch sind sich die beiden Phänomene im Englischen ähnlich. Auch im engeren Sinn. Ich behaupte einfach mal, dass wir die Plage der Spam-Mails dem Abkupfern eines biologischen Vorbilds verdanken: der Jagd der Millionen Spermien nach der Eizelle.

Das könnte auch erklären, warum es bei den meisten dieser unerwünschten E-Mails um fortpflanzungsfördernde Medikamente geht! Meine Mutter, die sich gerade ihre erste E-Mail-Adresse eingerichtet hatte, erzählte mir, dass sie die ersten entsprechenden Angebote ganz freundlich beantwortet hat mit dem Hinweis, dass in ihrem Fall kein Bedarf für irgendeine Verlängerung bestünde und weitergehende Verkaufsangebote doch besser an Männer zu richten seien.

Psychotest

Was für ein Spam-Typ sind Sie?

  1. A) Ich lösche den Spam-Ordner unbesehen.
  2. B) Ich lese den Spam-Ordner komplett und immer zuerst.
  3. C) Ich habe keinen Spam-Filter, weil mir sonst keiner mehr schreibt.
  4. D) Ich habe keine E-Mail, freue mich aber über ernst gemeinte Zuschriften.

Jeder versierte User löscht diesen Unsinn natürlich, aber dem Spammer reicht es, wenn ein Ahnungsloser darauf hereinfällt. So wie es auch nur eine ahnungslose Eizelle braucht, die eines aus der Millionenschar an Spermien einlässt, und der ganze Kraftakt hat sich gelohnt. Dann gibt es bei allen Streuverlusten einen Hauptgewinn – neues Leben. Die Analogie ließe sich weitertreiben: Was ist ein Diaphragma anderes als ein Spam-Filter? Ein Kondom anderes als eine Mischung aus Firewall und Gummizelle für die um ihre Aufgabe betrogenen Samenzellen, die verzweifelt gegen die Wand hämmern? Und lauert nicht in beiden Fällen von ungeschütztem Verkehr die Gefahr von Viren?

Wie Spam-Mails ihren Weg vom Absender auf den heimischen Rechner finden, ist hinlänglich bekannt. Bis heute ist es jedoch ein Rätsel, woran sich menschliche Spermien orientieren. Wie finden sie sich in der fremden Umgebung zurecht? Wen sollen sie nach dem Weg fragen außer ihre genauso verwirrten Kumpels? Sie haben ja kein Navi – und das bei Distanzen, die in menschliche Dimensionen umgerechnet das Durchqueren des Ärmelkanals weit in den Schatten stellen. Der einzige Ausweg: Geruchsstoffe! Und dazu kursierte lange eine wunderbar poetische Theorie. Die Eizelle sendet einen Duft von Maiglöckchen, und die Spermien folgen dem Lockruf des Frühlings.

Aber Wissenschaft ist eben immer nur der aktuelle Stand des Irrtums, und so stellte sich jetzt heraus: Der Duftstoff kitzelt zwar im Reagenzglas die Spermien, aber in freier Wildbahn ist es vielmehr das Geschlechtshormon Progesteron, das so genannte CatSper-Ionenkanäle (cation channels of sperm) stimuliert. Wonach das für die Spermien riecht? Wissen wir nicht. Aber die haben ja eh den Kopf mit anderen Dingen voll: nach rechts oder nach links? In welchen Eileiter schwimme ich? Einmal falsch abgebogen, und das Rennen ist gelaufen. Eine echte Lebensentscheidung! Und die treffen sie mit Hilfe einer Differenzialgleichung. Geringste Unterschiede in der Konzentration des Lockmittels werden an den Rezeptoren verrechnet und daraufhin die Schwimmaktivität verändert. Ist das nicht irre? Die kleinen Dinger können etwas, was unser Gehirn und Geist maximal in der Oberstufe kurz begreifen und dann für den Rest des Lebens wieder vergessen! Fazit: Spermien sind zwar schwanzgesteuert, aber mit Köpfchen.

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  • Quelle
Brenker, C. et al.: The CatSper Channel: A Polymodal Chemosensor in Human Sperm. In: The EMBO Journal 31, S. 1654-1665, 2012
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