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Münchner Sonderausstellungen zum Thema "Farbe"


Farbe – eine Fülle von Assoziationen verbindet sich damit. Ob bunter Blumenstrauß oder leuchtender Regenbogen, glühendes Abendrot oder strahlendes Himmelsblau, dunkelrote Lippen oder hellblondes Haar: Alles in unserer Umgebung ist farbig und löst erst aufgrund dieser Eigenschaft beim Betrachter bestimmte Gefühle und Stimmungen wie Freude, aber auch Trauer, Wut oder Angst aus. Farben dienen als Signale, die je nach Ton und Intensität anlocken oder abschrecken, hervorheben oder tarnen, beruhigen oder warnen. Ohne sie wären das Orientieren in der Umwelt und das Übermitteln subtiler Informationen wohl viel schwieriger – es blieben nur Abstufungen von Grau. Wie aber läßt sich ein solch umfassendes Phänomen für eine Ausstellung eingrenzen; wo soll man beginnen, wo aufhören?

Das Deutsche Museum in München nähert sich dem Thema auf verschiedene Weise, und zwar in drei Teilausstellungen, die in sich geschlossen sind: "Faszination Farbe" behandelt Farbstoffe aus Natur und Technik, "Ein blaues Wunder" den Blaudruck in Europa und Japan sowie "Idee Farbe" Farbsysteme in Kunst und Wissenschaft. Die beiden ersten Teile hat das Museum selbst zusammengestellt, der dritte wurde als Wanderausstellung vom Verlag Baumann & Stromer in Zürich übernommen.

"Faszination Farbe"

Was man unter Farben versteht, hängt von der jeweiligen Sichtweise ab. Ein Physiker oder Physiologe definiert sie als durch elektromagnetische Schwingungen bestimmter Wellenlängen beziehungsweise Frequenzen ausgelöste Empfindungen des Sehapparates. Für einen Biologen haben sie oft eine ethologische Funktion: Die optische Signalwirkung farbig hervorgehobener Körperteile soll das Verhalten entweder von Artgenossen (zum Beispiel bei der Balz) oder von Freßfeinden (durch abschreckende Körperzeichnungen wie Augenflecken auf den Hinterflügeln mancher Schmetterlinge oder Tarnfarben sowohl bei Raub- als auch bei Beutetieren) beeinflussen. Für einen Maler wiederum sind sie künstlerisches Ausdruckselement.

Der erste Teil der Ausstellung macht sich die Sicht eines Chemikers zu eigen. Für ihn sind alle Farbmittel bestimmte Substanzen, die sich entweder aus natürlich vorkommenden Materialien wie Pflanzen, Tieren und Mineralien gewinnen oder aber synthetisch im Labor herstellen lassen. Für welche Anwendungen sie sich eignen, hängt wesentlich von ihrem chemischen Aufbau ab. So ist ein Farbstoff, der ein baumwollenes T-Shirt leuchtend rot färbt, im allgemeinen völlig ungeeignet, um ein Auto im selben Rotton zu lackieren, Lippen anzumalen oder einer Götterspeise ihr fruchtig- verlockendes Aussehen zu geben (siehe auch "Ist unsere Nahrung zu bunt?" von Barbara Bertram, Spektrum der Wissenschaft, Mai 1985, Seite 29).

Um dies zu verdeutlichen, ist in der Ausstellung zu sehen, wie und mit welchen Substanzen Textilien, Leder, Papier, Lacke, Lebensmittel und etliche andere Materialien eingefärbt werden. Bei vielen alltäglichen Gegenständen und Produkten dürfte der Betrachter überrascht sein, wenn er erfährt, wieviel Chemie allein mit ihrer Farbgebung verbunden ist oder woher die Farbmittel stammen. Die etwa in blauem Lidschatten enthaltenen Ultramarine, die früher durch Zermahlen von Lapislazuli gewonnen wurden, entstehen durch Synthese unter Verwendung von Kaolin, Schwefel, Soda, Quarz und Holzkohle. Diese Farbstoffe sind sehr lichtbeständig und physiologisch unbedenklich; man verwendet sie auch zum Färben von Gummi, Kunststoffen, Tapeten, Pflanzenschutzmitteln und Malerfarben sowie – weil sie in Mischung mit Zinkoxid infrarote Strahlung stark reflektieren – zur Herstellung von Tarn- und Sonnenschutzfarben. Wenigen, die sich einen Campari einschenken, dürfte bewußt sein, daß das Karmin der Spirituose aus dem Körpersaft einer in Mexiko beheimateten Schildlaus gewonnen wird (Bild 2).

Bevor Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Farbstoffsynthesen gelangen, war der Mensch ausschließlich auf Naturfarbstoffe angewiesen. Solche pflanzlichen Ursprungs waren besonders für die Textilfärberei wichtig, wurden aber auch für kosmetische Zwecke genutzt (wie die aus den mit Kalkmilch zerriebenen Blättern und Stengeln des Hennastrauchs gewonnene rotgelbe Henna) und als Lebensmittelfarbe verwendet (wie das aus der Gelbwurzel extrahierte Curcumin für Curry). Eine Vielzahl solcher pflanzlicher und auch tierischer Naturfarbstoffe wird in München vorgestellt.

Synthetisch erzeugte Farbstoffe eröffneten völlig neue Anwendungen. Nur mit modernen Pigmenten lassen sich Druckfarben herstellen, die etwa die Abbildungen in dieser Zeitschrift brillant machen, oder Kunststoffe in allen modischen Tönungen einfärben; auch die schillernde Metallic-Lackierung von Autos wäre ohne sie nicht möglich.

Indes gilt auch hier, daß für manchen Fortschritt ein ökologischer Preis zu zahlen ist: Welche Nebenprodukte bei der Farbenfabrikation anfallen, ist der Ausstellung ebenfalls zu entnehmen; sie sucht so auch den Verbraucher aufzuklären, damit er nicht nur nach dem schönen Schein kauft.


"Ein blaues Wunder"

Der zweite Teil der Präsentation greift aus der Fülle der vorgestellten Farbmittel eines heraus, den Indigo. Demonstriert wird, wie mittels dieses schon vor Jahrtausenden in Indien, Ägypten und China zum Bemalen und Färben von Stoffen und Kleidern benutzten Pflanzenfarbstoffes Blaudrucke hergestellt werden.

Damit der Betrachter sich vom gewohnten eurozentrischen Blickwinkel lösen kann, wird er anhand zahlreicher Exponate zu einem Kulturvergleich verlockt: Japanische Stoffe und Kimonos belegen eindrucksvoll, daß Indigo sich zu mehr eignet als zum Färben von Blue Jeans (Bild 1).


"Idee Farbe"

Der Theorie der Farbe ist der dritte Ausstellungsteil gewidmet. Bereits der griechische Philosoph und Mathematiker Pythagoras hatte im 6. vorchristlichen Jahrhundert das Phänomen Farbe theoretisch zu erfassen und zu systematisieren gesucht. Zu seinen Nachfolgern in der Neuzeit, die sich mit einer Farbenlehre beschäftigten, gehören der Physiker Isaac Newton, der Dichter und Naturwissenschaftler Johann Wolfgang von Goethe, der Maler Paul Klee und der Chemie-Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald. Insgesamt 72 ausgewählte Farbsysteme von der Antike bis zur Moderne werden vorgestellt. Ein Katalog von 176 Seiten Umfang enthält weitere Informationen.

Die seit Juni laufende Sonderausstellung "Farbe" des Deutschen Museums in München ist noch bis zum 5. Januar zu sehen. Sie ist täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet. Man kann während Vorführungen einem Blaudrucker bei der Arbeit zusehen und sich jeweils zwischen 14.30 und 16.30 Uhr von einer Visagistin schminken und beraten lassen.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 1995, Seite 114
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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