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Röntgen-Doppelsterne

In diesen Systemen verschlingt ein ultradichter Partner – meist ein Neutronenstern – Materie seines Begleiters. Gewaltige Ausbrüche von Röntgenstrahlung sind die Folge dieses Transfers, der die weitere Entwicklung beider Sterne drastisch verändert.

Allen Sternen, die am Nachthimmel funkeln, ist eines gemein: Sie beziehen ihre Energie aus der Verschmelzung von Atomkernen. Die Fusion von nur einem Gramm Wasserstoff setzt dabei ebensoviel Energie frei wie die Verbrennung von 20000 Litern Benzin. Über Jahrmilliarden können Sterne wie die Sonne ihre Leuchtkraft aus diesem Prozeß beziehen. Dennoch ist er nicht die einzige Quelle stellarer Energie: Seit 1971 sind Röntgen-Doppelsterne bekannt, eine Klasse merkwürdiger Objekte, die intensive Röntgenstrahlung aussenden; ihre Energie muß einem Prozeß entstammen, der noch weit effizienter ist als selbst die Kernfusion.

Theoretischen Vorstellungen zufolge handelt es sich dabei um Systeme, bei denen ein normaler Stern und der kollabierte Überrest eines anderen – meist ein Neutronenstern – sich umkreisen. Neutronensterne sind ungeheuer kompakt; eine Masse wie die der Sonne ist bei ihnen in einer Kugel von etwa 20 Kilometer Durchmesser enthalten. Sie stellen damit gleichsam gigantische Atomkerne in den Weiten des Alls dar.

Die beiden Komponenten sind sich so nahe, daß Gas vom normalen Stern auf seinen kompakten Begleiter überströmen kann. Um diesen bilden die Gasmassen eine wirbelnde Scheibe, deren innere Zone fast Lichtgeschwindigkeit erreichen kann. Die Reibung in diesem Materiestrudel läßt das Gas auf spiralförmigen Bahnen nach innen bis auf die Oberfläche des Neutronensterns stürzen. Dabei heizt es sich infolge der Teilchenkollisionen auf 10 bis 100 Millionen Grad auf. Bei solchen Temperaturen sendet das Gas hochenergetische Röntgenstrahlung aus. Auf gleiche Masse bezogen setzt diese Akkretion etwa 15- bis 60mal soviel Energie frei wie die Kernfusion.

Heute weiß man, daß auf dieser Energiequelle eine Vielzahl astronomischer Phänomene beruht – das Glimmen entstehender Sterne ebenso wie das helle Gleißen der Quasare, weit entfernter Objekte etwa von der Größe des Sonnensystems, deren Leuchtkraft größer ist als die ganzer Galaxien. Vermutlich verbirgt sich in ihrem Inneren ein Schwarzes Loch gigantischer Masse, in das Gas wie in einen Mahlstrom hineingesogen wird.

Röntgen-Doppelsterne bieten sich als ideale kosmische Laboratorien an, um Genaueres über die Vorgänge bei der Akkretion zu erfahren, denn die bekannten sind sehr hell und befinden sich gewissermaßen in unserer direkten Nachbarschaft, im Milchstraßensystem. Ihre Beobachtung gewährt zudem Einblick in den Entwicklungszyklus einiger der exotischsten und dynamischsten Sternsysteme: Eine Komponente dieser Sternpaare zehrt eine Zeitlang von dem Gasvorrat der anderen – manchmal treiben sie derartigen Kannibalismus sogar gegenseitig. Dieser Austausch von Materie beeinflußt entscheidend die weitere Entwicklung beider Sterne. Einer kann zum Beispiel so lange Materie aufsaugen, bis er im wahrsten Sinne des Wortes platzt und in einer spektakulären Supernova-Explosion vergeht. Andererseits vermag ein vormals ruhiger, älterer Neutronenstern durch den Massezufluß zusätzlichen Drehimpuls zu gewinnen und sich in einen Pulsar zu verwandeln, der in rascher Folge Radiopulse aussendet.

Sternsysteme mit ungleichen Partnern

Trotz ihrer ungewöhnlichen Aktivität blieben Röntgen-Doppelsterne bis zu Beginn des Raumfahrtzeitalters in den sechziger Jahren unbemerkt – ihre Strahlung dringt nicht bis zur Erdoberfläche vor, sondern wird bereits in den oberen Schichten der Atmosphäre absorbiert. Erst mit dem Aufkommen der Raketentechnik eröffnete sich die Möglichkeit, entsprechende Teleskope außerhalb der Atmosphäre einzusetzen und so das völlig neue Forschungsgebiet der Röntgenastronomie zu begründen.

Im Jahre 1962 plazierten der jetzige Direktor der Europäischen Südsternwarte, Riccardo Giacconi, und seine Mitarbeiter bei der Firma American Science and Engineering in Cambridge (Massachusetts) einen Röntgendetektor in eine Rakete und entdeckten so prompt erstmals eine kosmische Röntgenquelle, Scorpius X-1 (dieser Name besagt, daß sie die hellste Quelle von Röntgenstrahlen – englisch x-rays – im Sternbild Skorpion ist). In diesem Wellenlängenbereich strahlt sie 1000mal stärker als im sichtbaren. Welche Art von Objekt sich dahinter verbirgt, war damals aber noch völlig rätselhaft.

In den folgenden Jahren fand man mit Detektoren an Bord von Raketen und Stratosphärenballons mehrere Dutzend ähnlicher stellarer Röntgenstrahler. Ihre wahre Natur konnte man freilich erst nach 1970 richtig verstehen, nachdem die amerikanische Luft- und Raumfahrtbehörde NASA den von einer Arbeitsgruppe unter der Leitung Giacconis gebauten ersten Röntgensatelliten namens Uhuru in eine Erdumlaufbahn geschossen hatte. Damit war es nun möglich geworden, den Röntgenhimmel rund um die Uhr zu beobachten. Während der ersten Betriebsmonate entdeckte Uhuru zwei höchst interessante Röntgenquellen, die streng regelmäßige Helligkeitsschwankungen aufweisen: Die Periodendauer von Centaurus X-3 beträgt 4,84 Sekunden, diejenige von Herkules X-1 1,20 Sekunden. Wie sich später herausstellte, waren diese Objekte nur die ersten beiden einer ganzen Klasse pulsierender Röntgensterne.

Die gepulsten Signale lieferten den Schlüssel zum Verständnis dieser Objekte. Im Jahre 1967 hatten Antony Hewish, S. Jocelyn Bell und andere Wissenschaftler von der Universität Cambridge (England) Objekte ausgemacht, die regelmäßige Radiopulse aussenden, die sogenannten Pulsare. Nach anfänglichem Rätseln erkannten die Theoretiker, daß dies rasch rotierende Neutronensterne sind, deren starke Magnetfelder die ausgesandten Radiowellen zu einer Keule bündeln, die wie der Lichtrahl eines Leuchtturms bei jeder Umdrehung einmal den Beobachter überstreicht. Die ähnlich kurzen, regelmäßigen Schwankungen der neuentdeckten Röntgensterne ließen vermuten, daß auch sie etwas mit Neutronensternen zu tun haben könnten.

Eine andere bemerkenswerte Eigenart von Centaurus X-3 und Herkules X-1 ist, daß sie regelmäßig Bedeckungsphasen durchlaufen, wobei ihre Helligkeit bis auf einen kleinen Bruchteil des üblichen Wertes absinkt – ein eindeutiger Hinweis darauf, daß es sich um Doppelsysteme handelt, in denen vermutlich ein Neutronenstern von einem größeren, weniger aktiven Begleiter umkreist und dabei gelegentlich verdeckt wird. Die Umlaufdauer von Centaurus X-3 beträgt 2,087, die von Herkules X-1 1,70 Tage.

Allmählich fügten sich die Indizien damit zu einem überzeugenden Gesamtbild zusammen. Wegen der kurzen Bahnperioden müssen sich die beiden Systemkomponenten in so geringem Abstand umkreisen, daß der Neutronenstern infolge seines starken Schwerefeldes Gas von seinem Begleiter abzuziehen vermag, das sich dann in einer Akkretionsscheibe um ihn herum ansammelt. In ihrem inneren Bereich übertrifft die Temperatur bei weitem die der weißglühenden Sonnenoberfläche (etwa 6000 Kelvin). Wegen ihrer extremen Temperaturen leuchtet die Scheibe hauptsächlich im Bereich der Röntgenstrahlung, die mehrere tausendmal energiereicher ist als sichtbares Licht. Daß die Akkretion sehr effizient Energie umwandelt, zeigt sich daran, daß einige Röntgen-Doppelsterne im Röntgenbereich mehr als das 10000fache der Energie abstrahlen, welche die Sonne im gesamten elektromagnetischen Spektrum emittiert (Bild 2).

Wie aber entstehen die Röntgenpulse? Man stelle sich einen Neutronenstern vor, dessen starkes Magnetfeld relativ zu seiner Drehachse geneigt ist. In der Nähe des Sterns lenkt das Feld das einstürzende glühende, ionisierte Gas auf die magnetischen Pole. Wo dieses Plasma auf die Oberfläche stürzt, entstehen zwei säulenartige Verdickungen aus etwa 100 Millionen Grad heißem Gas, das Röntgenstrahlen aussendet (Bild 3). Während der Stern rotiert, kreuzen diese beiden Gassäulen periodisch die Sichtlinie eines irdischen Beobachters, was die scheinbaren Helligkeitsschwankungen hervorruft. Mehrere Forscher haben unabhängig voneinander diese Erklärung für pulsierende und bedeckungsveränderliche Röntgen-Doppelsterne vorgeschlagen, und bereits 1972 hatte sie sich als allgemein akzeptiertes Modell durchgesetzt.

Als man das zeitliche Verhalten der Röntgenpulse genauer vermaß, erkannte man, daß die Pulsfolge langsam zu- und wieder abnimmt, und zwar in einem Rhythmus, der mit der Umlaufdauer des Doppelsternsystems übereinstimmt – eine Erscheinung, die sich aus der Bewegung der Röntgenquelle um den Schwerpunkt des Systems erklärt. Immer dann, wenn sich die Quelle auf die Erde zu bewegt, verringert sich der Abstand zweier aufeinanderfolgender Pulse um einen winzigen Sekundenbruchteil, weil sie zum Zeitpunkt der Emission des zweiten Pulses der Erde etwas näher ist als beim Aussenden des vorhergehenden. Entsprechend erscheinen die Abstände zwischen den Pulsen gedehnt, wenn sich die Quelle von der Erde entfernt.

Die Stärke dieses als Doppler-Effekt bekannten Phänomens erlaubt es, die Geschwindigkeitskomponente des Neutronensterns längs der Sichtlinie zu bestimmen. Centaurus X-3 zum Beispiel nähert und entfernt sich abwechselnd mit einer Geschwindigkeit bis zu 415 Kilometern pro Sekunde. Daraus folgt, daß der Begleitstern mindestens das 15fache der Sonnenmasse haben muß. Dieser Wert ist für einen leuchtkräftigen blauen Stern kurzer Lebensdauer typisch. Unter den ungefähr 30 pulsierenden Röntgen-Doppelsternen, die man seit Anfang der siebziger Jahre entdeckt hat, haben sich die Begleitsterne fast ausschließlich als helle blaue Objekte mit 10 bis 40 Sonnenmassen erwiesen.

Auch das Licht dieser hellen Sterne weist aufgrund des Doppler-Effekts periodische Schwankungen auf, von denen man auf die Geschwindigkeit dieser Komponente schließen kann: Nähert sich der Stern der Erde, erscheinen die Absorptionslinien in seinem optischen Spektrum zu blauen Wellenlängen hin verschoben; entfernt er sich, so tritt eine entsprechende Rotverschiebung auf. Zusammen mit der aus den Schwankungen der Pulsperiode bestimmten Geschwindigkeit der Röntgenquelle läßt sich über das Newtonsche Gravitationsgesetz die Masse des zugehörigen Neutronensterns ermitteln. In guter Übereinstimmung mit theoretischen Erwartungen hat man überwiegend Werte zwischen 1,2 und 1,6 Sonnenmassen gefunden.

Zum Erstaunen der Astronomen ergaben sich aber bei einigen nicht-pulsierenden Röntgen-Doppelsternen Werte von mehr als drei Sonnenmassen. Nach gängiger Vorstellung müßte ein derart massiver Neutronenstern eigentlich unter der Wirkung seiner gewaltigen Schwerkraft in sich zusammenstürzen und als Schwarzes Loch enden – gleichsam abgenabelt vom Rest des Universums.


Eigenschaften

Mit zunehmender Zahl von Beobachtungen erkannte man, daß es zwei unterschiedliche Typen von Röntgen-Doppelsternsystemen gibt: solche, die große und leuchtkräfige blaue Sterne enthalten, und andere mit viel älteren, masseärmeren Sternen ähnlich unserer Sonne (Bild 1).

Systeme mit massereichen blauen Komponenten müssen sehr jung sein, denn ein Stern mit mehr als 15 Sonnenmassen verbraucht seinen Wasserstoffvorrat in weniger als 10 Millionen Jahren – verglichen mit dem Alter der Galaxis von 15 Milliarden Jahren ist dies nur ein kurzer Augenblick. Deshalb können solche Objekte erst vor wenigen Millionen Jahren durch Kondensation aus dem interstellaren Gas entstanden sein. In der Tat enspricht die räumliche Verteilung der massereichen Röntgen-Doppelsterne derjenigen anderer junger und heißer Sterne sowie noch nicht kondensierter Gaswolken: Sie häufen sich in der Ebene des Milchstraßensystems.

Die zweite Klasse starker Röntgen-Doppelsterne, die etwa die Hälfte aller solcher Objekte (einschließlich Scorpius X-1) umfaßt, finden sich hingegen bevorzugt im wulstförmigen Zentralbereich der Galaxis und in Kugelsternhaufen, dichten Ansammlungen von Sternen, die das Milchstraßensystem umgeben. Beide Regionen bestehen überwiegend aus Sternen, die zwischen 5 und 15 Milliarden Jahre alt sind.

Auch in ihren Eigenschaften unterscheiden sich beide Typen. So strahlen die älteren Röntgen-Doppelsterne im allgemeinen keine regelmäßigen Pulse ab. Ihre optischen Spektren zeichnen sich dadurch aus, daß die Strahlungsintensität zu blauen (kürzeren) Wellenlängen hin immer weiter zunimmt, ganz im Gegensatz zu den Spektren gewöhnlicher Sterne; auch sind bei bestimmten Wellenlängen auffällige Emissionslinien vorhanden. Theoretisch kann man solche Spektren verstehen, wenn man sie als Emission einer Akkretionsscheibe um einen Neutronenstern deutet. Dabei muß von der Innenkante der Scheibe – direkt über der Sternoberfläche – intensive Röntgenstrahlung ausgehen, die auch die äußeren Bereiche aufheizt.

Da der Begleitstern von der hellen Gasscheibe praktisch überstrahlt wird, kann seine Masse nicht viel größer sein als die der Sonne. Man bezeichnet solche Röntgen-Doppelsterne darum als massearm. Sterne mit ungefähr einer Sonnenmasse bleiben für mindestens zehn Milliarden Jahre stabil – ein Zeitraum, der gut mit dem Alter der Sternpopulation übereinstimmt, welcher die Doppelsternsysteme angehören.

Massearme Röntgenquellen blitzen gelegentlich extrem hell auf. Aus solchen Strahlungsausbrüchen kann man viel über diese Objekte lernen. Innerhalb weniger Sekunden nach Beginn eines Ausbruchs steigt die Helligkeit im Röntgenbereich auf das Zehnfache oder mehr an, verweilt einige Sekunden bis Minuten auf ihrem Maximum und fällt dann innerhalb etwa einer Minute wieder auf ihren Ausgangswert zurück. Ein solcher Ausbruch wiederholt sich in unregelmäßigen Abständen alle paar Stunden.

Ursache sind nach Meinung der Experten Kernfusionsreaktionen in dem auf die Oberfläche des Neutronensterns stürzenden Gas, deren Häufigkeit plötzlich lawinenartig zunimmt. Zwischen den Eruptionen strömt frisches Gas vom Begleiter nach und füllt somit den Brennstoffvorrat wieder auf. Dieser Vorgang verrät sich durch die beobachtete kontinuierliche Emission von Röntgenstrahlen zwischen den Ausbrüchen. Trotz der spektakulären Erscheinung der Röntgeneruptionen werden in den vergleichsweise ruhigen Zwischenphasen mehr als 90 Prozent der Gesamtenergie abgestrahlt – ein klares Anzeichen für die hohe Effizienz der Energieumwandlung bei der Akkretion im Vergleich zur Kernfusion.

Während die heftigen Röntgenausbrüche nur in massearmen Doppelsternsystemen auftreten, kennzeichnen die regelmäßigen Röntgenpulse fast ausschließlich die massereichen Systeme. Keines der bekannten Paare weist beide Erscheinungen auf.

Wie es scheint, ist die Stärke des Magnetfeldes des Neutronensterns maßgeblich für diese Verschiedenheit. Massereiche Röntgen-Doppelsternsysteme müssen nämlich Neutronensterne mit starken Magnetfeldern enthalten, denn sonst könnten sie keine so deutlich nachweisbaren Pulse erzeugen. In massearmen Systemen hingegen scheinen die Magnetfelder weit schwächer zu sein. Gestützt wird diese Erklärung durch theoretische Modelle, denen zufolge ein starkes Feld thermonukleare Instabilitäten, die Röntgenausbrüche hervorrufen, verhindern würde.


Entstehung

In den unterschiedlichen Eigenschaften der beiden Klassen kommen die sehr verschiedenen Entstehungs- und Entwicklungswege dieser Systeme zum Ausdruck. So hatte man fast unmittelbar nach der Entdeckung der massereichen Röntgen-Doppelsterne 1971 erkannt, daß Objekte dieser Art ein normales Entwicklungsstadium enger Doppelsternsysteme darstellen, in denen beide Komponenten mehr als einige Sonnenmassen aufweisen. Die massereichere von beiden verbraucht ihren Brennstoff sehr rasch und bläht sich zu einem Roten Riesen auf, dessen äußere Gasschichten sodann auf den Begleiter überschwappen und das heliumreiche Innere zurücklassen. Dieser Heliumstern explodiert nach wenigen hunderttausend Jahren als Supernova, wobei der größte Teil seiner Masse weggeschleudert wird, während sein Kern implodiert und als Neutronenstern endet. Dieser beginnt nun seinerseits von seinem Nachbarn zu zehren: Gas fließt auf den Neutronenstern zurück, und eine Röntgenquelle entsteht.

Röntgen-Doppelsterne geringer Masse hingegen bilden sich unter etwas spezielleren Bedingungen – beispielsweise aus Doppelsystemen, deren eine Komponente eine große, die andere eine kleine Masse hat. Dem kleineren Stern wäre es dann wegen seines schwachen Gravitationsfeldes nicht möglich, Materie vom größeren abzuziehen. Auch dann, wenn der größere als Supernova explodiert, kann der kleinere Partner das abgestoßene Gas nicht einfangen, so daß es zum größten Teil in den interstellaren Raum entweicht. In den meisten Fällen wird der plötzliche Masseverlust das Doppelsternsystem zerstören und die ehemaligen Komponenten als Einzelsterne wegschleudern; in den seltenen Fällen jedoch, in denen das System bestehen bleibt, kann es sich in einen massearmen Röntgen-Doppelstern verwandeln.

Es gibt noch eine zweite Möglichkeit, wie sich ein Neutronenstern in unmittelbarer Nachbarschaft eines massearmen Begleiters bilden kann. Hat der Hauptstern anfangs weniger als acht Sonnenmassen, wird er nicht als Supernova explodieren, sondern sich am Ende seiner Entwicklung in einen Weißen Zwerg umwandeln – einen ausgebrannten Sternenrest, dessen Dichte weit größer ist als die eines gewöhnlichen Sterns, aber doch kleiner als die eines Neutronensterns. Die Atome in seinem Inneren werden unter dem Einfluß der starken Schwerkraft quasi zu einem Brei aus Elektronen und Atomkernen zerdrückt; ein solches Objekt mit einer Sonnenmasse hätte gerade noch etwa das Volumen der Erde.

Der massearme Stern in diesem System wird sich im Laufe seiner Entwicklung langsam ausdehnen und – wenn beide Komponenten sich genügend nahe sind – einen Teil seiner Gashülle an den Weißen Zwerg verlieren, auf dessen Oberfläche sich das Gas ansammelt. Falls die Masse des Zwergsterns dadurch einen kritischen Wert von etwa 1,4 Sonnenmassen überschreitet, kollabiert er zu einem Neutronenstern. Bei diesem vergleichsweise moderaten Vorgang wird nur wenig Materie weggeschleudert, so daß das System eng gebunden bleibt. Wenn sich dann die beiden Sterne im Laufe der Zeit auf spiralförmigen Bahnen nähern, kann ein Massenaustausch einsetzen und die Bildung eines massearmen Röntgen-Doppelsterns beginnen.

In solchen Systemen übt der Neutronenstern eine starke Anziehungskraft auf seinen größeren, aber leichteren Partner aus. Das Zusammenwirken von Schwer- und Fliehkraft umgibt das Zentrum des Sterns niedrigerer Masse mit einer birnenförmigen Stabilitätszone, deren Ober-fläche man Roche-Fläche nennt. Jegliche Materie außerhalb dieser Fläche liegt im Einflußbereich des Neutronensterns und fließt letztlich auf ihn hinüber. Wenn, wie im Falle der massearmen Röntgenquellen, die Materie von dem leichteren Stern abfließt, wächst der Radius der Umlaufbahn an. Damit wird aber auch die Roche-Fläche größer. Überschreitet diese schließlich die Abmessungen des Begleiters, endet der Massezustrom, und die Röntgen-Emission des Neutronensterns kommt zum Erliegen. Offensichtlich muß es noch einen weiteren Mechanismus geben, der den Neutronenstern stetig mit Nachschub versorgt.

In einer Unterklasse der massearmen Röntgen-Doppelsterne, der eng gebundene Systeme mit Bahnperioden von weniger als zehn Stunden angehören, hält ein allmähliches Schrumpfen der Umlaufbahn den Gaszustrom aufrecht. Bei ihrer Bahnbewegung senden die Doppelsternkomponenten Gravitationswellen aus, die Energie davontragen und den Bahnradius verringern. Dieser Vorgang wirkt der Tendenz des Massetransfers entgegen, den Abstand der Sterne voneinander zu vergrößern. Die Umlaufbahn schrumpft demnach langsam, wobei stets etwas Gas vom Begleiter auf den Neutronenstern hinübertröpfelt. Auf diese Weise gewinnt der Neutronenstern pro Jahr etwa eine tausendstel Erdmasse – ein Zuwachs, der ausreicht, um die beobachtete Leuchtkraft vieler massearmer Röntgen-Doppelsterne (etwa 3 × 1030 Watt) zu erklären.

Die hellsten Röntgenquellen in der Nähe des galaktischen Zentrums strahlen jedoch etwa das Zehnfache dieser Energie ab. Diese leuchtstarken Objekte stellen eine zweite Unterklasse der massearmen Röntgen-Doppelsterne dar, jene mit Bahnperioden von ein bis zehn Tagen. Solche relativ langen Umlaufdauern bedeuten, daß sowohl der Abstand zwischen den beiden Komponenten als auch der Durchmesser des normalen Sterns sehr groß sein müssen. Hier rührt der Materiestrom von einem Anschwellen des Begleitsterns her, das von physikalischen Prozessen in seinem Innern hervorgerufen wird.

Veränderungen dieser Art treten in den späteren Entwicklungsstadien eines sonnenähnlichen Sterns auf. Bei der Verschmelzung von Wasserstoff entsteht Helium, das sich im Zentrum des Sterns ansammelt. Mit der Zeit wandert die Wasserstoffbrennzone, die den Heliumkern umgibt, weiter nach außen, wobei sich die Hülle des Sterns aufbläht und abkühlt. Diese Ausdehnung reicht völlig aus, um den zunehmenden Abstand der beiden Komponenten infolge des Drehimpulsübertrages auszugleichen. Röntgen-Doppelsterne mit Bahnperioden zwischen fünf und zehn Tagen erreichen einen stabilen Gleichgewichtszustand, wenn ihr Massetransfer pro Jahr ungefähr ein Fünftausendstel der Erdmasse beträgt – das ist etwa die Masse, die nötig ist, um die hellen Röntgenquellen in der Nähe des galaktischen Zentrums mit Energie zu versorgen.

Im Jahre 1982 untersuchen Ronald F. Webbink von der Universität von Illinois in Urbana, Saul A. Rappaport vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, G.J. Savonije von der Universität Amsterdam und Ronald E. Taam von der Northwestern University in Evanston (Illinois) das weitere Schicksal dieser massearmen Röntgen-Doppelsterne. Ihren Berechnungen zufolge sollten diese Systeme unabhängig von ihren Anfangsbedingungen am Ende ihrer Entwicklung stets die gleiche Konfiguration einnehmen. Der Riesenstern verliert demnach schon bald seine gesamte wasserstoffreiche Hülle, und sein nackter Heliumkern bleibt als Weißer Zwerg mit lediglich 0,25 bis 0,45 Sonnenmassen zurück (Bild 4). Seine Umlaufbahn hat sich sehr weit der Kreisform angenähert, weil die Gezeitenwechselwirkung zwischen ihm und dem Neutronenstern im Laufe von Dutzenden Millionen Jahren alle Abweichungen ausgeglichen hat.

Sobald die Akkretion nachläßt, sendet das System keine nachweisbaren Röntgenstrahlen mehr aus. Doch auch die Endstadien von Röntgen-Doppelsternen sind von Interesse, denn sie geben uns einen Einblick in das Verhalten sehr alter Neutronensterne, die sich hauptsächlich im Radiobereich bemerkbar machen.


Millisekunden-Pulsare

Im Jahre 1983 entdeckten Valentin Boriakoff – damals an der Cornell-Universität in Ithaca (New York) –, Rosolino Buccheri vom italienischen Nationalen Forschungsrat in Palermo und Francesco Fauci von der Universität Palermo mit dem 305-Meter-Radioteleskop in Arecibo (Puerto Rico) den Doppel-Radiopulsar PSR1953+29. Seine Eigenschaften sind denen erloschener Röntgen-Doppelsterne, wie Webbink und seine Kollegen sie im Modell untersucht haben, sehr ähnlich. Weil die Radiosignale des binären Pulsars keine Anzeichen von Bedeckungen oder Absorptionserscheinungen aufweisen, die für ein gewöhnliches Doppelsternsystem charakteristisch wären, glaubt man, daß der Begleitstern selbst ein kompaktes Objekt – vermutlich ein weißer Zwerg – ist.

Eines der besonderen Merkmale von PSR1953+29 ist die mit 6,1 Millisekunden bemerkenswert kurze Periode seiner Radiopulse – dies entspricht 160 Umdrehungen pro Sekunde. Ein Jahr vor Entdeckung dieses Objekts fanden Donald C. Backer von der Universität von Kalifornien in Berkeley und seine Mitarbeiter einen anderen Pulsar, PSR1937+21, der eine Periode von nur 1,6 Millisekunden aufweist. Astronomen sehen diese beiden Objekte als Prototypen einer eigenen Kategorie rasch rotierender Neutronensterne an, die man als Millisekundenpulsare bezeichnet.

Die Entwicklungsgeschichte der Röntgen-Doppelsterne hilft zu verstehen, warum diese Pulsare so schnell rotieren. In massearmen und auch in vielen massereichen Röntgen-Doppelsternen verhindert die Bahnbewegung der Komponenten ein direktes Einfallen der Materie auf den Neutronenstern. Statt dessen sammelt sich das Gas zunächst in einer wirbelnden Akkretionsscheibe an, von deren Innenkante es später auf die Oberfläche des Sterns stürzt und damit Drehimpuls auf ihn überträgt. Hält die Akkretionsphase lange genug an, kann das einfallende Material die Drehbewegung des Neutronensterns in der Tat auf die extremen Werte beschleunigen, die man beobachtet hat (Bild 6).

Fast alle Radiopulsar-Doppelsterne haben Begleiter, die das Stadium eines Weißen Zwergs oder Neutronensterns erreicht haben. Einst waren diese Objekte Riesensterne, die an Ausdehnung ihre Roche-Grenze übertrafen und durch Massetransfer ihre Neutronenstern-Partner allmählich auf deren enorme Drehgeschwindigkeiten beschleunigten. Während dieser Phase müssen die beiden Komponenten als Röntgen-Doppelstern erschienen sein; doch nachdem der Begleitstern seine Hülle verloren hatte und die Akkretion zum Stillstand gekommen war, blieb nur noch ein nackter Millisekunden-Pulsar übrig.

Die Radioleistung eines Pulsars ist proportional zur vierten Potenz der Rotationsgeschwindigkeit. Die Millisekunden-Pulsare sind nur deshalb als solche beobachtbar, weil sie von ihren Begleitsternen in der Röntgenphase gleichsam wie Kreisel aufgezogen worden sind. Einem Vorschlag von V. Radhakrishnan vom Raman-Institut in Bangalore (Indien) zufolge bezeichnet man Pulsare, die ihren Drehimpuls auf diese sekundäre Weise erhalten haben, auch als recycelte Pulsare.

Seit 1987 haben zahlreiche Forscher – insbesondere die Arbeitsgruppen von Andrew G. Lyne von der Universität Manchester, Shrinivas R. Kulkarni vom California Institute of Technology in Pasadena und Alexander Wolszczan von der Staats-Universität von Pennsylvania in College Park – bemerkt, daß besonders viele Doppel- und Millisekundenpulsare in Kugelsternhaufen zu finden sind. In diesen sphärischen Sternansammlungen hat man bereits 32 Radiopulsare entdeckt, von denen 70 Prozent mit Perioden von weniger als 10 Millisekunden rotieren, also der recycelten Kategorie angehören. Dieser für die Astronomen glückliche Umstand erklärt sich aus dem außerordentlich dichten Aufbau der Kugelsternhaufen. In ihrem Zentrum enthalten sie mehr als 10000 Sterne pro Kubiklichtjahr, das ist eine etwa einmillionmal höhere Dichte als in der Nachbarschaft unseres Sonnensystems. In diesem Gedränge haben Neutronensterne gute Chancen, einen anderen Stern aus nächster Nähe einzufangen, und so enthalten Kugelhaufen pro eine Million Sterne 200 bis 1000mal so viele Röntgen-Doppelsterne wie die Milchstraße als Ganzes.

Außer den binären Pulsaren haben die Astronomen noch eine weitere Klasse solcher Objekte mit deutlich verschiedenen Eigenschaften identifiziert. Deren Bahnen sind häufig sehr exzentrisch, und ihre Begleiter weisen das 0,8- bis 1,4fache der Sonnenmasse auf. Vermutlich sind diese Objekte auf folgende Weise aus massereichen Röntgen-Doppelsternen entstanden (Bild 5):

Die Akkretion bewirkt, daß – anders als bei den massearmen Doppelsternen – die beiden Komponenten sich auf einer Spiralbahn einander stetig näher kommen. Dies und das Anschwellen des Begleitsterns im Laufe seiner Entwicklung über seine Roche-Grenze hinaus hat zur Folge, daß der Neutronenstern alsbald in die Gashülle seines Begleiters eintaucht. Die starke Reibung, der er fortan ausgesetzt ist, läßt den Neutronenstern schneller ins Zentrum des Begleiters spiralen, während zugleich dessen Hülle – von der Reibungswärme erhitzt – in den umgebenden Raum entweicht. Zurück bleibt der nackte Kern des Begleiters (bestehend aus Helium und anderen schwereren Elementen), den der Neutronenstern in engen Kreisen umläuft.

Hat der mit schweren Elementen angereicherte Kern des Begleitsterns eine hinreichend große Masse, so wird er später als Supernova explodieren und sich ebenfalls in einen Neutronenstern umwandeln. Falls die Wucht der Explosion das Doppelsternsystem nicht völlig auseinanderreißt und beide Komponenten als isolierte Radiopulsare wegschleudert, werden sich beide auch weiterhin umkreisen, nun allerdings in einer stark elliptischen Umlaufbahn.

Im Grunde könnten sie auf diese Weise ewig existieren, würden sie nicht unablässig Gravitationswellen abstrahlen und somit Energie verlieren. Einer der am besten erforschten Doppelpulsare, PSR1913+16, besteht aus zwei Neutronensternen, die sich alle 7 Stunden und 45 Minuten einmal auf einer stark exzentrischen Bahn umrunden. Wie Joseph Taylor von der Universität Princeton (New Jersey) elegant demonstriert hat, eignet sich dieses System aufgrund seiner besonderen Eigenschaften als hochgenaues Testobjekt für viele Vorhersagen von Albert Einsteins Relativitätstheorie; gemeinsam mit seinem damaligen Doktoranden Russel A. Hulse bekam Taylor dafür den Physik-Nobelpreis 1993 verliehen (siehe Spektrum der Wissenschaft, Dezember 1993, Seite 21).

Jüngste Untersuchungen von Doppelpulsaren haben langehegte Vorstellungen über die zeitliche Entwicklung von Neutronensternen revidiert. Auf der Grundlage statistischer Analysen von Pulsaren hatten die meisten Astronomen angenommen, daß das Magnetfeld eines Neutronensterns ohne äußeres Zutun abnehme und schließlich vollständig verschwinde. Die Existenz der recycelten Pulsare beweist aber, daß selbst in sehr alten Systemen ein Restmagnetfeld bestehen bleibt. Auch verfügt man mit den Begleitsternen in Doppelpulsaren über ein Mittel, das Alter dieser Systeme zu bestimmen.

Drei Millisekundenpulsare haben beobachtbare Weiße Zwerge als Begleiter, die als natürliche Zeitmesser dienen können, denn sie strahlen fortwährend Energie ab, die noch aus den Zeiten stammt, als sie die Kerne von roten Riesensternen bildeten. Während sie langsam die gespeicherte Wärme verlieren, kühlen sie ab, und ihre Farbe geht immer mehr in rötliches Licht über. Aus der Farbe eines Weißen Zwerges läßt sich deshalb sein Alter ermitteln.

Im Jahre 1986 beobachtete Kulkarni die Weiße-Zwerg-Komponente von PSR0655+64 und folgerte aus dessen Spektrum ein Alter von mindestens 500 Millionen Jahren. Mit ähnlichen Methoden berechneten die Arbeitsgruppen von J.F. Bell an den Mount-Stromlo- und Siding-Spring-Observatorien in Australien, John Danziger von der Europäischen Südsternwarte und Charles D. Bailyn von der Yale-Universität in New Haven (Connecticut) das Alter des Weißen Zwerges in dem Pulsar-Doppelstern PSRJ0437-4715 zu ungefähr zwei Milliarden Jahren. Die Pulsare in diesen Systemen müssen dann noch erheblich älter sein, denn sie entstanden lange bevor sich ihre Begleiter zu Weißen Zwergen entwickelten. Dennoch weisen sie immer noch beträchtliche Magnetfelder auf – sonst würde man sie nicht als Pulsare wahrnehmen können.


Entwicklung des Magnetfeldes

Wie langlebig die Magnetfelder von Neutronensternen sein können, zeigte sich auch in einer Untersuchung, die Frank Verbunt, Ralph A.M.J. Wijers und Hugo Burm vom Zentrum für Hochenergie-Astrophysik in den Niederlanden kürzlich durchführten. Die Forscher beobachteten drei eigenartige massearme Röntgen-Doppelsterne, die gleichzeitig als Röntgenpulsare in Erscheinung treten und daher einen Neutronenstern mit starken Magnetfeldern enthalten müssen. Unabhängig von der Art seiner Entstehung verliert jeder Neutronenstern einige Zehntel einer Sonnenmasse in Form von Neutrinos. Infolgedessen weitet sich die Umlaufbahn des Doppelsternsystems, und die Materiezufuhr reißt ab. Die Anlagerung von Masse setzt erst dann wieder ein, wenn entweder der Abstand der Komponenten durch die Emission von Gravitationswellen geschrumpft ist oder der Begleitstern sich zu einem Riesen aufgebläht hat.

Beide Vorgänge benötigen lange Zeit, um Wirkung zu zeigen, was sich Verbunt und seine Mitarbeiter zunutze machten, um eine untere Grenze für das Alter akkretierender Neutronensterne in massearmen Röntgenpulsar-Doppelsternen zu bestimmen. Im Falle von Herkules X-1 erwies sich der mit einem starken Magnetfeld ausgestattete Neutronenstern als mindestens 500 Millionen Jahre alt. Offensichtlich verschwindet das magnetische Feld nicht spontan, jedenfalls nicht über solche Zeiträume.

Dennoch sind die Magnetfelder nahezu aller binären Radiopulsare um einen Faktor 100 bis 10000 schwächer als die normaler, junger Radiopulsare, unabhängig davon, ob die Objekte massereichen oder -armen Röntgen-Doppelsternen entstammen. Die Schwäche ihrer Felder scheint mit etwas zusammenzuhängen, das allen Doppelpulsaren gemeinsam ist – der nächstliegende Verdacht fällt dabei auf den Akkretionsprozeß. Gestützt auf Beobachtungen schlugen Taam und einer von uns (van den Heuvel) 1986 vor, daß zwischen der Abnahme des Magnetfeldes und der Anlagerung von Materie eine Verbindung bestehen könnte. Die Theoretiker haben dazu verschiedene Erklärungen angeboten.

Einem Modell zufolge sollten die neu angelagerten Massen auf der Oberfläche des Neutronensterns eine elektrisch leitende Schicht bilden, die das Magnetfeld weitgehend nach außen abschirmt. Ganesan Srinivasan und D. Bhattacharya vom Raman-Institut sowie A.G. Muslimov und A.I. Tsygan vom Joffe-Institut in St. Petersburg meinen hingegen, daß die stetige Abnahme der Rotationsgeschwindigkeit des Neutronensterns vor und während der anfänglichen Akkretionsphase das Magnetfeld abklingen läßt. Hat die magnetische Feldstärke erst einmal einen kritischen Wert unterschritten, kehrt die einsetzende Massenanlagerung den Verlangsamungstrend um, doch vermag der Übertrag von Rotationsenergie nicht das Magnetfeld in seiner ursprünglichen Stärke wiederherzustellen.

Jedenfalls scheint es so zu sein, daß Millisekunden-Radiopulsare ihre Magnetfelder behalten und ihre Pulse über Jahrmilliarden hinweg aussenden können. Somit werden Röntgen-Doppelsterne lange nach ihrer Phase heftiger Röntgenstrahlen-Emissionen zu einer der gleichmäßigsten und verläßlichsten Erscheinungen im Weltall.

Literaturhinweise

- The X-Ray Universe. Herausgegeben von Wallace Tucker und Riccardo Giacconi. Harvard University Press, 1985.

– A New Class of Pulsars. Von Donald C. Backer und Shrinivas R. Kulkarni in: Physics Today, Band 43, Heft 3, Seiten 26 bis 35, März 1990.

– X-Ray Binaries and Recycled Pulsars. Herausgegeben von E.P.J. van den Heuvel und S.A. Rappaport. Kluwer Academic Publishers, 1992.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 1 / 1994, Seite 62
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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