Direkt zum Inhalt

Geistesblitze: Seilschaften unter Tumoren

Glioblastome sind die häufigsten Hirntumoren bei Erwachsenen und nur schwer zu therapieren. Wissenschaftler um Matthias Osswald vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg haben nun womöglich entdeckt, warum das so ist: Offenbar bilden die Tumorzellen mit Hilfe langer Zellausläufer Netzwerke, über die sie sich gegenseitig schützen und sogar wiederbeleben können.

Die speziellen Tumormikrotubuli sind wegen ihres hohen Anteils an Aktin und Myosin hoch beweglich und verbinden die Krebszellen über große Distanzen. Das macht den Tumor widerstandsfähiger. Werden zum Beispiel bestimmte Strukturen einer Tumorzelle zerstört, liefern benachbarte Zellen aus dem Verbund über die Kontakte neu synthetisierten Ersatz. Möglich machen das spezielle Kanäle (Gap Junctions), durch die sich die Tumorzellen zusammenschließen.

Diese Allianz macht sie offenbar auch unempfindlich gegen Chemotherapie. Denn weil der Zellverbund schädliche Stoffe über ein großes Netzwerk verteilen und abbauen oder ausschleusen kann, ist er enorm belastbar. Derselbe Mechanismus ermöglicht es den Zellen des Glioblastoms ebenso, hohen Strahlendosen zu trotzen, vermuten die Forscher. In Mangelsituationen können sich die Tumorzellen auf diesem Weg gegenseitig mit Makromolekülen wie ATP, Aminosäuren oder RNAs aushelfen. Sogar die Regeneration von Zellkernen ist möglich.

Die Entstehung der schützenden Tumornetzwerke hängt vermutlich mit dem Transmembranprotein Gap-43 zusammen. Wird an den Spitzen der Tumormikrotubuli eine große Menge dieses Proteins gebildet, handelt es sich den Wissenschaftlern zufolge auch um sehr invasive Krebsarten.

Damit könnte GAP-43 einen viel versprechenden Angriffspunkt für die medikamentöse Behandlung von Glioblastomen bieten. Allerdings kommen die von dem Protein gebildeten Gap Junctions in vielen Geweben im ganzen Körper vor. Gelänge es, sie selektiv in der Umgebung wachsender Glioblastome zu trennen, könnte eine Chemotherapie erfolgreich gegen bisher unheilbare Hirntumoren eingesetzt werden. Im Tierversuch an Mäusen gelang dies bereits. (bf)

Nature 10.1038/nature16071, 2015

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.