Direkt zum Inhalt

Hirschhausens Hirnschmalz: Sex smells

Eckart von Hirschhausen

Sagt der Masochist zum Sadisten: "Quäl mich!" Sagt der Sadist: "Nö." Merke: Beziehungen sind komplex, vor allem in ihren erregten Spielarten. Und man wundert sich oft, was auch scheinbar brave Bürger dieses Landes interessiert. Seit Monaten verkauft sich der sadomasochistische Roman "Shades of Grey" viel erfolgreicher als "Gehirn und Geist" und meine Bücher zusammen. Da fragt sich doch der besorgte Kolumnist dieser Qualitätszeitschrift, ob wir mit der ganzen Wissenschaft nicht an einer großen Zielgruppe vorbeischreiben. Und ob es keine Studie gibt, die rechtfertigt, hier einfach mal hemmungslos über Sex zu schwadronieren? Doch! Ihr Titel lautet übersetzt "Ekelgefühle und mit Ekel verbundenes Vermeidungsverhalten lassen bei Frauen mit induzierter sexueller Erregung nach", von der Niederländerin Charmaine Borg und ihrem Kollegen Peter de Jong.

Schnell fällt eine Schwäche von wissenschaftlichen Publikationen ins Auge: Wir erfahren in keiner Zeile, was die Autoren wirklich dazu bewog, über dieses Thema zu forschen, noch nicht mal unter "Interessenkonflikt". Sie schreiben: "Speichel, Schweiß, Samenflüssigkeit und Körpergeruch gehören zu den stärksten Auslösern von Ekel. Dies führt zu der faszinierenden Frage, wie man überhaupt Spaß am Sex haben kann."

Psychotest

Ich finde Sex ekelhaft:

  1. A) bei anderen
  2. B) mit anderen
  3. C) mit mir
  4. D) mitunter

Um das zu untersuchen, zeigte das Forscherteam Studentinnen stimulierende Erotikvideos. Dann sollten sie potenziell widerwärtige Dinge tun, etwa aus einer Tasse trinken, in der ein (Plastik-)Insekt schwamm, sich an einem benutzt aussehenden Taschentuch die Hände abwischen oder vermeintlich gebrauchte Kondome anfassen. Siehe da: Geil sein hilft, Dinge zu tun, die wir sonst nur schwer über uns bringen würden. Im Vergleich zu einer Gruppe, die Landschaftsvideos gesehen hatte, empfanden die erregten Teilnehmerinnen die Aufgaben als weniger ekelhaft und weigerten sich seltener, sie auszuführen.

Sigmund Freud wunderte sich bereits darüber, dass ein Mann, der eine Frau leidenschaftlich küsst, sich bei dem Gedanken ekeln kann, ihre Zahnbürste zu benutzen. Stimmt. Bis heute habe ich Probleme damit, Rinderzunge zu essen. Mich ekelt die Vorstellung, dass irgendein Rindvieh die schon vor mir im Mund hatte. Seltsamerweise habe ich aber kein Problem damit, den Muskel aus seinem Hintern zu verspeisen. Oder Putenbrust. Mich schaudert dagegen, wenn Hundehalterinnen ihre Kläffer auf den Mund küssen. Und ich finde es widerlich, wenn Leute ihre Popel essen. Richtig gut schmecken wahrscheinlich nur meine eigenen. Scherz!

Ekel ist eine angeborene Grundemotion, die uns davor schützen soll, kontaminierte Dinge zu verschlucken. Deshalb finden wir Verdorbenes widerlich und wollen nichts Dreckiges essen. Mir war auch bis zu meinem 15. Lebensjahr nicht klar, wie man einer Frau die eigene Zunge in den Mund stecken kann. Und erst recht nicht, wie man es ertragen kann, eine fremde Zunge im eigenen Hals zu spüren. Wie so oft im Leben: Probieren geht über studieren. Ich habe es inzwischen ansatzweise verstanden. Und dank der Studie nun auch, warum es viele lieben, wenn es beim Sex "dreckig" zugeht, und warum "verdorben" als Qualität gilt.

Kennen Sie schon …

Gehirn&Geist – Hirnverjüngung - Verbirgt sich der Jungbrunnen in uns selbst?

Junges Blut scheint Moleküle zu enthalten, die die Alterung des Gehirns aufhalten oder gar umkehren können. Verbirgt sich der Jungbrunnen womöglich in uns selbst? Außerdem: Menschen mit Schlafstörungen liegen im Schnitt kaum länger wach als gute Schläfer, nehmen dies aber anders wahr. Wie kommt es dazu und was kann man dagegen tun? Weshalb werden manche Menschen alkoholabhängig und andere nicht? Im menschlichen Darm siedeln Tausende von Bakterienarten. Mit dieser Mikroben-WG hängt offenbar auch die Persönlichkeit eines Menschen zusammen. Warum leiden heute in westlichen Ländern so viele Eltern an einem Burnout?

Gehirn&Geist – Besser denken dank Brainfood?

Können wir dank Brainfood besser denken? Wir geben einen Überblick zur aktuellen Studienlage. Außerdem: In der neuen Serie »Alkohol« stellen wir hier vor, wie der Stoff die Signalübertragung im Gehirn verändert. Auf etwas stolz zu sein, fühlt sich gut an und doch haftet ihm ein negatives Image an. Die innere Uhr tickt in der Pubertät offenbar anders. Unsere Autoren geben Tipps, wie man zu einem gesunden Schlafrhythmus findet. Forscher ergründen, welche Psychotherapie am besten hilft und wann unerwünschte Effekte auftreten.

Spektrum - Die Woche – Es grünt nicht mehr in Spanien

Der Kampf ums Wasser ist auf der Iberischen Halbinsel längst entbrannt: Tourismus, Landwirtschaft und Natur konkurrieren immer stärker um das kostbare Nass. Außerdem beleuchten wir in dieser Ausgabe die Vor- und Nachteile von Milchpulver und berichten über die Psyche-Mission.

Schreiben Sie uns!

2 Beiträge anzeigen

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Quelle
Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.