Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Von Sinnen: Scheinriesen und Hobbits

Je weiter entfernt etwas ist, desto kleiner erscheint es uns: Diese Faustregel hilft dabei, die Größe von Gegenständen und Personen richtig einzu­schätzen. Durch gezielte Manipulation der Umgebung lässt sich die Wahrnehmung jedoch austricksen.
Wundersame Schrumpfung
Kaum hat Alice ein paar Schlucke aus der Flasche getrunken, wächst sie zusehends, bis sie an die Zimmerdecke stößt. Als das Mädchen ein Kuchenstück isst, wird es wieder kleiner. So etwas gibt es nur "im Wunderland", nicht wahr? Oder besser gesagt: in der Fantasie des britischen Kinderbuchautos Lewis Carroll (1832-1898). Ein vergleichbarer Effekt lässt sich aber auch in der Realität beobachten – in einem Raum, den der amerikanische Psychologe und Augenarzt Adelbert Ames Jr. (1880-1955) vor mehr als 60 Jahren konstruierte.
Ames arbeitete zunächst als Jurist und dann als Maler. Ihn faszinierte die Frage, wie die Kunst von der wissenschaftlichen Erforschung des Sehens profitieren könnte. Unter anderem konstruierte er 1946 das Modell eines "magischen" Raums, der heute noch im Original zu bewundern ist: im "Exploratorium", einem Museum zum Anfassen in kalifornischen San Francisco.
Der "Ames-Raum" erscheint aus fast allen Blickwinkeln ausgesprochen schief und fast gro­tesk verzerrt. Die linke Seitenwand ist wesentlich kürzer und niedriger als die rechte; Decke, Rückwand und Boden sind trapezförmig und verlaufen schräg.
Doch von einer einzigen Stelle an der Vorderwand aus betrachtet erscheint der Raum ganz normal, mit geraden Wänden und rechten Winkeln. Hier befindet sich ein Guckloch, durch das man in den Raum hineinschauen kann. Bewegt sich nun eine Person im Ames-Raum entlang der hinteren Zimmerwand von rechts nach links, dann nähert sie sich in Wirklichkeit dem Beobachter, ihr Abbild auf dessen Netzhaut wird also größer. Da der umgebende Raum suggeriert, sie bewege sich in konstanter Entfernung vom Betrachter an einer Wand entlang, scheint sie für den Beobachter zu wachsen – und das, ohne auch nur einen Schluck aus der Zauberflasche zu sich genommen zu haben. Die faszinierende Größentäuschung im Ames-Raum beruht wie alle Illusionen auf einem grundsätzlichen Problem unserer Wahrnehmung: Die Daten unserer Sinnesorgane reichen meist nicht aus, um ein vollständiges Bild der Welt in unserem Kopf zu erzeugen ...

Kennen Sie schon …

Spektrum Kompakt – Wahrnehmung - Zusammenspiel von Sinnen und Gehirn

Aus den Informationen, die Sinnesorgane liefern, konstruiert das Gehirn ein Bild unserer Umwelt. Doch auch Erfahrungen und Erinnerungen beeinflussen unsere Wahrnehmung.

Spektrum Gesundheit – Neuroplastizität – Wie unser Gehirn lernt und heilt

Warum unser Gehirn sich immer wieder neu verdrahtet und ob man mit Neuroathletik die Sinne schärfen kann, lesen Sie ab sofort in »Spektrum Gesundheit«. Plus: gesunde Füße, chronische Schmerzen und Wechseljahre.

Spektrum Kompakt – Farben - Wahrnehmung und Einfluss

Ein (Alb-)Traum in pink, die blaue Stunde am Abend, das weißeste Weiß, das schwärzeste Schwarz: Farben sind überall. Sie beeinflussen unsere Wahrnehmung, unsere Gefühle, unser Verhalten. Aber wie?

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Literaturtipp
Rosenzweig, R.: Nicht wahr?! Sinneskanäle, Hirnwindungen und Grenzen der Wahrnehmung. Mentis, Paderborn 2009.
Sammelband mit Beiträgen des "Turm der Sinne"-Symposiums von 2007
Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.