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Weltweite Kommunikation mit niedrig fliegenden Satelliten

In der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts sollen Satellitensysteme installiert werden, die jederzeit eine Kommunikation zwischen beliebigen Punkten auf der Erde ermöglichen.


Der Anspruch, überall jederzeit die Möglichkeiten der modernen Telekommunikation anzubieten, läßt sich nur mit neuen technischen Konzepten erfüllen. Dicht besiedelte Gebiete der Erde werden zwar in absehbarer Zeit mit flächendeckenden terrestrischen Mobilfunknetzen überzogen sein. In dünn bewohnten Regionen lohnt es jedoch nicht, eine derart aufwendige Infrastruktur mit vielen Funktürmen und deren Verkabelung aufzubauen. Es bietet sich deshalb an, solche Gebiete über Satelliten zu versorgen.

Für Kommunikationszwecke wurden bislang allerdings fast ausschließlich geostationäre Satelliten verwendet, die sich in einer Höhe von 36000 Kilometern über dem Äquator synchron mit der rotierenden Erde mitbewegen. In dieser festen Position erreichen sie Regionen jenseits des 40. Breitengrads, der auf der Nordhalbkugel beispielsweise durch Neapel verläuft, jedoch nur ungenügend; schließlich sollte ein Mobiltelephon keine metergroße Schüssel als Antenne benötigen. Um solche Gebiete zu versorgen, braucht man Satelliten auf niedrigeren Bahnen, die auch hohe Breitengrade – im Extremfall sogar die Pole – überfliegen (Bild 1). Wenn jederzeit jeder Fleck auf der Erde abgedeckt werden soll, muß sogar eine ganze Flotte solcher Satelliten auf genau abgestimmten Bahnen um den Planeten kreisen.

Probleme


Die Realisierung eines solchen globalen Satellitensystems wirft verständlicherweise gravierende technisch-wissenschaftliche, aber auch politische Probleme auf. Eines der wichtigsten ist, die günstigste Bahnhöhe zu bestimmen. Je niedriger sich ein Satellit bewegt, desto kleiner ist der Bereich, den er abdecken kann, und desto mehr Satelliten werden für ein lückenloses globales Netz benötigt. Bei höheren Bahnen dagegen müssen die Satelliten zur Überbrückung der größeren Distanz über mehr Sendeleistung verfügen, was ein größeres Gewicht und damit zugleich höhere Kosten für die Beförderung ins All bedingt. Hier muß man einen vernünftigen Kompromiß finden.

Eine zweite Schwierigkeit ist, daß sich die Satelliten je nach gewählter Bahnhöhe mit Geschwindigkeiten bis zu 4,7 Kilometern pro Sekunde relativ zur Erdoberfläche bewegen. Ein Benutzer befindet sich somit oft nur wenige Minuten lang innerhalb der Reichweite eines bestimmten Satelliten. Immer wieder wird darum ein Gespräch von einem Satelliten an einen nachfolgenden übergeben werden müssen, dabei darf die Verbindung keinen Moment abreißen. Dies macht deutlich, daß ein solches globales System erheblichen Verwaltungsaufwand erfordert, der nur mit modernen Methoden des Netzwerk-Managements per Computer zu bewältigen ist.

Nicht zu vernachlässigen sind schließlich auch die politischen und gesellschaftlichen Widerstände. Viele nationale Postverwaltungen können aufgrund ihrer Monopolstellung den Zugang zu einem globalen Satellitennetz von ihrem Hoheitsgebiet behindern. Will man sich ihr Wohlwollen erhalten, dürfen die bestehenden Postnetze nicht übergangen werden. Die Nutzung der von den Postverwaltungen zur Verfügung gestellten Infrastruktur ist aber recht kostspielig, was den Gewinn des Satellitenbetreibers schmälert.

Geplante Systeme


Ersten Schätzungen zufolge gibt es weltweit etwa 3 Millionen potentielle Nutzer der Satellitenkommunikation. Um diesen Markt zu erschließen, wurden bereits diverse Konzepte erarbeitet (Bild 2). Beispielhaft seien zwei genannt, die gewissermaßen die Extreme des denkbaren Spektrums bilden.

Das anspruchsvollste System plant die als Produzent von Mikrochips bekannte amerikanische Firma Motorola. Es besteht aus 77 Satelliten, die in 760 Kilometern Höhe auf polaren Bahnen umlaufen sollen, und ist nach dem chemischen Element Iridium benannt, um dessen Atomkern 77 Elektronen kreisen. Bei diesem System bestehen direkte Funkverbindungen zwischen benachbarten Satelliten, die damit zugleich als selbständige Vermittlungsstellen fungieren. Dies macht den Datentransfer sehr effizient.

Den Gegenpol bildet das System "Globalstar", das die Firmen Loral und Qualcomm in San Diego (Kalifornien) gemeinsam ausgearbeitet haben. Es begnügt sich mit 48 Satelliten auf nur um 47 Grad gegen den Äquator geneigten, 1389 Kilometer hohen Bahnen; sie setzen die Radiowellen der mobilen Teilnehmer nur in ein anderes Frequenzband um (damit sich Sende- und Empfangsfrequenzen nicht überschneiden) und übertragen die Signale dann jeweils bis zur nächsten Bodenstation. Diese übernimmt die Weitervermittlung über vorhandene Telephonnetze bis zum Gesprächspartner. Die Satelliten verfügen also über keine eigenen intelligenten Datenverarbeitungssysteme.

Die europäische Raumfahrtbehörde ESA läßt derzeit von einem Konsortium bestehend aus den Firmen MBB/Deutsche Aerospace (DASA) und SEL sowie der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DLR) untersuchen, ob sich eine europäische Alternative zu den bereits geplanten Systemen lohnen könne und ob ein sinnvoller Kompromiß zwischen dem aufwendigen "Iridium" und dem einfachen "Globalstar" möglich sei. Favorisiert werden dabei Konstellationen mit lediglich 10 bis 15 Satelliten in 6000 bis 10000 Kilometern Höhe.

Doch selbst wenn es den Entwicklern gelingt, alle Schwierigkeiten zu meistern, bleibt zuletzt ein logistisches Problem, das die Inbetriebnahme behindern kann: Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Transportraketen, um die Satelliten in ihre Umlaufbahnen zu befördern, und die meisten davon sind bereits für mehrere Jahre ausgebucht. Es scheint also insgesamt fraglich, ob die bisherige Telekommunikationsstruktur – wie angestrebt – bis 1997/98 um eines der skizzierten Systeme erweitert werden kann.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 1 / 1994, Seite 25
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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