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Europas Genpool: Ahnen stammen auch aus dem Kaukasus

Die europäischen Ahnen kamen in Wellen von Süden und Osten, brachten eine andere Kultur ins Althergebrachte und eine neue Sprache. Aber auch die Einwanderer waren schon Mischlinge mit uralten Wurzeln.
Erbgut aus den Knochen alter Kaukasier

Die Europäer sind ein bunt gemischtes Völkchen: Schon vor 45 000 Jahren, also vor dem Ende der Eiszeit, wanderten Menschen auf den Kontinent und mischten sich mit den längst einheimischen Neandertalern; hier harrten sie in kleinen Rückzugsräumen aus, bis es wärmer wurde. Zu den Ureuropäern stießen dann noch zumindest zweimal technologisch und kulturell innovative Einwanderer und steuerten wesentliche Teile zum heutigen Genpool bei: Zuerst vor 10 000 Jahren die Agrarpioniere der Jungsteinzeit, dann – deutlich später, zur Bronzezeit hin – vor allem die Schnurkeramiker, die vielleicht sogar die indoeuropäische Sprache mitbrachten. Über ebendiese letzte große Gruppe streiten Forscher aber noch – woher genau kamen diese Menschen, und welche Gene brachten sie ihrerseits von woher mit?

Erbgut aus den Knochen alter Kaukasier | Aus den Zahnüberresten eines vor etwa 10 000 Jahren verstorbenen Menschen konnten Forscher Erbgut isolieren und analysieren. Der Mensch war unter einem Felsüberstand im Westen Georgiens beerdigt worden.

Eine neue Untersuchung bringt überraschend eindeutige Hinweise. Andrea Manica von der University of Cambridge und ihre Kollegen hatten dafür die Gene aus den Überresten von zwei Menschen analysiert, die vor 10 000 und 13 000 Jahren auf dem Gebiet des heutigen Georgien gelebt hatten. Dabei zeigte sich, dass beide eine ganz neue, bis dahin unbekannte Linie des europäischen Stammbaums bildeten: einen Ast, der sich schon zu Beginn der Einwanderung des modernen Homo sapiens nach Europa von den bekannten Jägern und Sammlern Westeuropas abgespalten hatte. Offenbar überdauerten diese Menschen dann die Eiszeit von anderen Gruppen isoliert im Kaukasusgebiet, wie die geringe genetische Vielfalt zwischen den beiden aus unterschiedlichen Jahrtausenden stammenden Menschen belegt.

Dann aber trugen die Eiszeitüberlebenden aus dem Kaukasus ihren Teil zur Neubesiedlung der Welt bei, berichten die Forscher: Ihre Gensignaturen finden sich Jahrtausende später auch im Erbgut der Jamnaja, einem Steppenvolk, das in der Steinzeit halbnomadisch nördlich von Schwarzem und Kaspischem Meer gesiedelt hatte. Aus diesen Jamnaja speisten sich schließlich die wanderlustigen Urindoeuropäer, die dann mitsamt ihrer Sprache das Präbronzezeiteuropa von Südosten her umwälzten. Damit, so Manica und Kollegen, wären die Eiszeitkaukasier eine bislang unbeachtete »vierte Säule« des europäischen Genpools, für den man bisher drei Quellen vermutet hatte.

Über die genetische Herkunft der Jamna-Menschen war bisher noch wenig bekannt gewesen, ergänzen die Wissenschaftler: Man wusste, dass sie verschiedenen bekannten Jäger-und-Sammler-Völkern der eurasischen Steppe entstammen, andere Teile des Erbguts waren aber nicht einzuordnen. Eben diese scheinen aus dem Kaukasus beigesteuert worden zu sein. Tatsächlich sind die alten Georgier aber wohl auch Stammväter asiatischer Siedler: Die Gene kaukasischer Jäger und Sammler stimmen besser als andere mit einer bisher ungeklärten Erbgutkomponente in der heutigen indischen Bevölkerung überein. Womöglich brachten Steppenvölker wie die Jamnaja alte Kaukasusgene nicht nur nach Europa, sondern auch nach Indien.

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