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Symbiotische Beziehungen: Ameisen züchten Pflanzen gegen die Obdachlosigkeit

Eine ganz besondere Beziehung haben manche Ameisen mit manchen Baumpflanzen in der Südsee: Die Insekten entlasten den Wohnungsmarkt im Geäst mit liebevoll hochgepäppelten Pflanzensetzlingen.
Eine Kitschpostkartenansicht von den Fidschi-Inseln - Im Vordergrund wuchern Epiphyten auf einem Baum

Eine für alle Beteiligten vorteilhafte Zusammenarbeit haben in der Südsee eine Ameise und sechs baumbesiedelnde Pflanzenspezies entwickelt: Dabei sammelt Philidris nagasau die halbreifen Früchte von ausgesuchten Aufsitzerpflanzen , pflanzt sie in Baumrindenrisse und päppelt die Setzlinge unter dem Einsatz von eigens herbeigebrachtem Kotdünger auf. Später siedeln sich die Insekten im Schutz der groß gewordenen Pflanzen an, die meist auch noch zuckerhaltige Sekrete für die Ameisen abgeben. P. nagasau kann damit als erster Vertreter der Ameisen gelten, der eine Pflanze quasi landwirtschaftlich nutzbringend anbaut. Ähnliches kannte man bislang von Blattschneiderameisen, die sich allerdings als Pilzzüchter betätigen, um ihre Ernährung sicherzustellen.

Ameise versorgt Setzling | Arbeiterinnen der Ameisenspezies Philidris nagasau besuchen regelmäßig die zuvor sorgfältig ausgesäten Setzlinge von Squamellaria-Epiphyten. Offenbar düngen sie die heranwachsenden Pflanzen mit ihrem Kot und sorgen damit für eine von den Baumbesiedlern dringend benötigte Nährstoffzufuhr. Die Pflanzen bedanken sich mit Domatien – Schutzräumen, in denen wandernde Ameisen und ganze Kolonien hausen können.

Die besondere symbiotische Beziehung zwischen der Ameise und den Squamellaria-Spezies entwickelte sich Genanalysen zufolge vor rund drei Millionen Jahren und findet sich heute nur auf den Fidschi-Inseln, berichten Guillaume Chomicki und Susanne Renner von der LMU München. Hier wachsen auf den Stämmen und Ästen verschiedener Baumarten unterschiedliche Vertreter von Epiphyten. Sechs der dazu zählenden Squamellaria-Arten gedeihen dabei allerdings lediglich in Gegenwart der Ameise P. nagasau, die ihrerseits nur zusammen mit diesen Epiphyten überlebt. Beide Arten sind aufeinander angewiesen: Die Ameisen brauchen die Pflanzen als Unterschlupf, weil sie – als einziger Vertreter ihrer sonst im gleichen Habitat heimischen Verwandtschaft – keine Kartonnester mehr errichten, die typischen Nestbauten tropischer Ameisen aus zerkleinerten, eingespeichelten Holz- und Erdmaterialien. Die Squamellaria-Epiphyten profitieren dagegen offenbar davon, dass die Ameisen sie verbreiten und düngen.

Im Zuge der Agraraktivitäten der Ameisen entstehen auf den Bäumen typische Netzwerke von durch Ameisenstraßen verbundenen Wohnzentren aus Epiphyten: Die Squamellaria-Pflanzen bieten einzelnen Ameisenarbeitern oder ganzen -kolonien kurzzeitig oder dauerhaft besiedelte Schutzräume. Forscher kennen zwar einige Fälle solcher Myrmekodomatien, bei denen Ameisen Hohlräume von Pflanzen besiedeln, wobei sie die Pflanzen im Gegenzug mit Nährstoffen versorgen oder gegen Fraßfeinde verteidigen. Bisher unbekannt war aber der Fall der Squamellaria-P. nagasau-Symbiose, bei der die Ameise gezielt unreife Früchte der Epiphyten sammelt und ebenso gezielt an geeigneten Stellen aussäht. Alle nicht von der Ameise bevorzugten sechs Squamellaria-Arten werden dagegen von Vögeln verbreitet. Auch für die Epiphyten hat die Verbindung mit den Ameisen offenbar unverzichtbare Vorteile – etwa die Versorgungssicherheit –, weswegen sie nur mit P. nagasau gemeinsam vorkommen. Dabei haben sich die sechs philidris-freundlichen Squamellaria-Spezies im Zuge der Evolution für die Ameisen vorteilhaft verändert: So verdickt sich nur bei ihnen der Spross erst deutlich, nachdem er aus den Baumrindenrissen herausgewachsen ist. Damit bereiten die Epiphyten den Ameisen dann geräumigere Besiedlungsmöglichkeiten unter dem Pflanzenkörper.

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