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Ungebrochene Symmetrie: Anhängliche Antiteilchen

Protonen ziehen sich gegenseitig über die starke Kernkraft an. Doch wie steht es um Antiprotonen? Deren Wechselwirkung haben Forscher nun genau vermessen.
Welche Kräfte wirken zwischen zwei Antiprotonen?

Unser Universum ist nicht besonders symmetrisch: Es besteht praktisch ausschließlich aus Materie. Zwar entstehen hin und wieder bei hochenergetischen Prozessen im Kosmos auch Antiteilchen. Sie sind aber nicht allzu langlebig und zerstrahlen mit normaler Materie zu reiner Energie. Direkt nach dem Urknall war die Antimaterie hingegen noch gleichberechtigt: Unser Universum bestand zur einen Hälfte aus Materie und zur anderen aus Antimaterie. Kurz nach dem Urknall muss es also Prozesse gegeben haben, die Materie gegenüber Antimaterie bevorzugt und damit die Symmetrie zwischen den beiden Materieformen zerstört haben. Das Ärgerliche dabei: Aus den heute bekannten Naturgesetzen ist nicht ersichtlich, welche Prozesse das gewesen sein könnten.

Die Physik kennt vier Grundkräfte: die elektromagnetische Kraft, die Gravitation sowie die starke und die schwache Kernkraft. Von den beiden Kernkräften und der elektromagnetischen Kraft gibt es Quantentheorien: die so genannten Quantenfeldtheorien, die das Verhalten der bekannten Elementarteilchen beschreiben. Nur die Gravitation bildet einen Sonderfall. Als Theorie von Raum und Zeit beschreibt sie die Anziehung schwerer Massen; eine Quantentheorie, die ihr Funktionieren im Kleinsten beschreiben könnte, gibt es allerdings noch nicht. Deshalb arbeiten Theoretiker an Ansätzen wie der Quantengravitation oder der Stringtheorie, um auch die Gravitation auf elementare Prozesse anzuwenden.

Nun ist aber lediglich von der schwachen Kernkraft bekannt, dass sie die Symmetrie zwischen Teilchen und Antiteilchen verletzt – und auch das anscheinend nicht stark genug, um das rasche Verschwinden der Antimaterie nach dem Urknall zu erklären. Dies bleibt deshalb eines der großen Rätsel der Teilchenphysik. Von der Untersuchung dieser Frage erhoffen sich die Wissenschaftler nicht zuletzt Hinweise darauf, wie die heutigen Theorien weiterzuentwickeln sind, um eines Tages auch noch seltsamere Materieformen – wie etwa die Dunkle Materie – zu erklären.

Antiprotonen aus dem Teilchenbeschleuniger

Einem internationalen Team von Wissenschaftlern, der STAR-Kollaboration, ist es nun erstmals gelungen, die wechselseitige Anziehung von Antiprotonen zu messen. Am Teilchenbeschleuniger des Brookhaven National Laboratory schossen sie Atomkerne von Goldatomen bei sehr hohen Energien aufeinander. Bei solchen Kollisionen zerplatzen nicht nur die Atomkerne, sondern ihre extreme kinetische Energie verwandelt sich in eine Vielzahl neuer Teilchen unterschiedlichster Art.

http://www.youtube.com/watch?v=V5hHoGQdXnU
© Maria Theresia Schmah & Alexander Schmah, Lawrence Berkeley National Laboratory
Der STAR-Detektorkomplex

Unter anderem entstehen so auch Antiprotonen. Dies sind die Gegenstücke zu den Protonen, die in allen Atomkernen normaler Materie enthalten sind. Beim leichtesten Element, dem Wasserstoff, befindet sich exakt ein Proton im Atomkern. Antiprotonen sind also die Atomkerne des Antiwasserstoffs. In früheren Experimenten war es bereits gelungen, Antiprotonen einzufangen und mit Positronen, den Antiteilchen der Elektronen, zu Antiwasserstoff-Atomen zu verschmelzen. Damit lässt sich hervorragend untersuchen, ob sich die elektromagnetische Kraft bei der Antimaterie genauso verhält wie bei normaler Materie. Diese Messungen haben die Symmetrie der elektromagnetischen Kraft bezüglich Materie und Antimaterie bislang stets bestätigt. Die Untersuchung der starken Kernkraft zwischen Antiprotonen ist so aber nicht möglich.

Gespiegelte Flugbahn

Um zu überprüfen, ob sich die Wirkung der starken Kernkraft zwischen Antiprotonen von der zwischen Protonen unterscheidet, mussten die Forscher große Datensätze durchforsten. Bei hochenergetischen Gold-Gold-Kollisionen entstehen Tausende von Teilchen. "Aber nur ein kleiner Teil von ihnen sind Antiprotonen", sagt Aihong Tang, der in Brookhaven für die STAR-Kollaboration arbeitet, zu der fast 600 Wissenschaftler aus zwölf Ländern gehören.

Aus den vielen Spuren im Detektor mussten die Forscher dann herauslesen, welche der Teilchen Antiprotonen waren, die sich bei ihrer Erzeugung nahe genug beieinander befanden. Antiprotonen hinterlassen im Detektor im Prinzip dieselbe Spur wie Protonen – nur dass ihre Flugbahn in dem Magnetfeld des Detektors genau die entgegengesetzte Krümmung hat. Denn während Protonen positiv geladen sind, besitzen Antiprotonen eine negative Ladung und bewegen sich deshalb exakt spiegelverkehrt durch Magnetfelder.

Nach hundert Millionen Kollisionen: Die Antiklimax

"Nach der Analyse von einigen hundert Millionen Kollisionen konnten wir die starke Kernkraft zwischen zwei Antiprotonen bestimmen", sagt Zhengqiao Zhang, der in Brookhaven und am Shanghai Institute of Applied Physics tätig ist. Wie sich herausstellte, war sie ebenso anziehend und stark wie zwischen zwei Protonen. Mit diesen Ergebnissen am Relativistic Heavy Ion Collider in Brookhaven hat die STAR-Kollaboration die gängigen Theorien bestätigt.

Noch kann man bei diesen Messungen nicht von Präzisionsexperimenten sprechen – dazu reicht die Datenlage nicht aus. Die Messfehler sind noch beträchtlich. Andere Experimente, etwa spektroskopische Untersuchungen an Antiwasserstoff, liefern um Größenordnungen präzisere Vergleiche zwischen Materie und Antimaterie. Ein großer Vorteil dieses Experiments besteht aber darin, die bereits bekannten Symmetriebestimmungen um eine weitere zu ergänzen, die auf einem anderen, bislang ungeprüften physikalischen Effekt beruht. Die Methode lässt sich auch an größeren Beschleunigern wie dem Large Hadron Collider bei Genf oder der noch in Bau befindlichen Beschleunigeranlage FAIR (Facility for Antiproton and Ion Research) bei Darmstadt nutzen. Die Forscher hoffen deshalb, in Zukunft noch sehr viel besser eingrenzen zu können, inwieweit Materie und Antimaterie wirklich Spiegelbilder sind.

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