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Tinnitus und SSRI: Antidepressiva fördern wohl Störgeräusche im Ohr

Forscher sehen einen möglichen Zusammenhang zwischen Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) und Tinnitus. Der Signalstoff lässt Hör-Schaltkreise rauschen.
Ein Ohr und eine gezackte Linie, die wohl Schall darstellen soll.

Ein Rauschen oder Klingeln im Ohr ohne erkennbare Ursache, mal dauerhaft, mal unterbrochen – etwa 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung haben Tinnitus. Ein auffälliger Zusammenhang existiert dabei zwischen Tinnitus und Depression. Allerdings geht man bisher davon aus, dass Nebenwirkungen der Medikamente dabei keine Rolle spielen. Eine aktuelle Studie an Mäusen jedoch stellt das nach Ansicht zweier Wissenschaftler nun in Frage: Demnach könnten Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) indirekt einen an Tinnitus beteiligten Bereich des Gehirns aus dem Gleichgewicht bringen. Wie Laurence Trussell und Zheng-Quan Tang von der Oregon Health and Science University in »Cell Reports« berichten, macht Serotonin, dessen Konzentration die Medikamente erhöhen, Neurone im hinteren Schneckenkern überempfindlich. Dieser Hirnbereich leistet die sensorische Integration der Hörreize und erzeugt auch den Tinnitus.

Medikamente, die die Konzentration des Signalstoffs Serotonin im Gehirn erhöhen, gelten als wirksamstes Mittel gegen Depressionen und andere psychische Probleme wie Angststörungen. Allerdings kann mehr Neurotransmitter im Gehirn auch unerwünschte Effekte haben, und darauf sind Trussell und Tang vermutlich gestoßen. Sie untersuchten den Effekt von Serotonin auf die neuronalen Schaltkreise an jener Stelle der Geräuschverarbeitung, an der nach Ansicht vieler Fachleute auch die Tinnitus-Signale entstehen.

Wie sie berichten, hat der Signalstoff dabei einen sehr spezifischen Effekt: Er schwächt einerseits die Eingangssignale aus dem Ohr selbst ab, während er den Einfluss anderer Sinnesreize erhöht. Zusätzlich erwiesen sich jene Zellen, die beide Signaltypen zusammenführen, als hypersensibel. Der Gesamteffekt dieser Veränderung ist, so die beiden Forscher, dass plötzlich viel mehr Signale in die Hörleitung eingespeist werden, die gar nicht aus dem Ohr kommen. Man kann Mäuse zwar nicht fragen, ob sie einen Tinnitus haben, und die Effekte von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern waren nicht Gegenstand der Studie – dennoch hält Hauptautor Trussell die Ergebnisse für belastbar genug, Ärzte davor zu warnen, SSRI bei Tinnitus-Patienten zu verschreiben.

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