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Paläobotanik: Antikes Laub

Den genetischen Bausatz gab es bereits vor fast 400 Millionen Jahren - trotzdem gingen weitere zwanzig Millionen Jahre ins Land, bevor bei den Pflanzen große Blätter in Mode kamen: War es dafür vorher einfach zu heiß?
Fryopsis frondosa
Als Spiegel der jeweiligen Standortbedingungen kommen sie manchmal ziemlich verfremdet daher, doch ihre Funktion ist weitgehend die gleiche. Ob zart und dünn, von Speichergeweben aufgebläht oder zu einem Nadelblatt zusammengerollt – Blätter sind der Inbegriff des Pflanzendaseins: Als Organe der Fotosynthese kontrollieren sie die Wasserdampfabgabe an die Atmosphäre, fangen das Sonnenlicht ein und mischen auch beim Gasaustausch kräftig mit. Bei den ersten Landpflanzen fielen die Blätter allerdings noch sehr klein aus, erst sehr viel später nahmen sie an Größe zu. Warum eigentlich?

Blattfossilien | Die Abnahme der atmosphärischen Kohlendioxidkonzentration hat offenbar vor 380 bis 340 Millionen Jahren die Blattevolution vorangetrieben und die Ausbildung großer Blätter ermöglicht. Im oberen und mittleren Bild sind die farnartigen Blätter der Gattung Archaeopteris zu sehen, das untere Bild zeigt versteinerte Blätter von Fryopsis frondosa.
Colin Osborne von der Universität Sheffield und seine Kollegen gingen ins Detail: Sie musterten die Blätter verschiedener, aus dem Devon und Unterkarbon stammender, fossiler Pflanzenarten. Anhand von hoch auflösenden Digital-Fotos bestimmten sie jeweils die Blattfläche und die maximale Blattbreite und zählten unter dem Lichtmikroskop, wie viele Spaltöffnungen, auch Stomata genannt, Gasaustausch und Transpiration der Blätter sicherten. Hier wurde auch sichtbar, wie lang die Schließzellen waren, die mit ihren unregelmäßig verdickten Zellwänden bei Änderungen des hydrostatischen Drucks dem Wasserdampf das Tor zur Atmosphäre öffneten oder versperrten. Diese Maße verwerteten die Forscher und stießen mittels einer Diffusionsformel auf den Widerstand, den die Pflanzen dem entweichenden Wasserdampf entgegenzusetzen hatten.

Zusammengesetzt offenbarten die einzelnen Puzzleteilchen: Vor 380 bis 340 Millionen Jahren, als der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre abnahm und sich die Temperaturen mehr und mehr abkühlten, vergrößerten sich die Blätter um das 25fache und standen in immer regerem Austausch mit ihrer Umgebung. Je jünger das Fossil, desto mehr Spaltöffnungen waren in seine Außenhaut eingebettet. Damit intensivierten die Pflanzen nicht nur ihre Kohlendioxidaufnahme, sondern schufen sich auch ein angenehmeres Klima, indem sie stärker transpirieren und von der dabei frei werdenden Verdunstungskälte profitieren konnten. Bei zwei Arten hatte sich zeitgleich mit der Vergrößerung der Blätter die Stomatadichte um den Faktor acht erhöht.

Besteht hier ein Zusammenhang? In einer Simulation stellten Wissenschaftler den Energiehaushalt der Blätter nach. Einmal ließen sie nur den Kohlendioxidgehalt und die Temperatur sinken, ohne die Blätter mit zusätzlichen Spaltöffnungen auszustatten. Anschließend erhöhten sie die Anzahl der Stomata und vergrößerten die Schließzellen nach Vorlage der Fossilien. Die Unterschiede waren nicht zu übersehen: Ausgestattet mit einer zusätzlichen Portion Stomata konnten es sich die Blätter leisten, ihre Fläche um das 25fache zu vergrößern – blieb die Zahl der Spaltöffnungen hingegen gleich, war es nur das Dreifache.

Nach Meinung der Forscher spielten daher in der Evolution der Blätter weniger stammesgeschichtliche Aspekte eine Rolle als vielmehr die Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen: Vor 400 Millionen Jahren war die Atmosphäre noch derart mit Kohlendioxid angereichert, dass die Pflanzen mit sehr wenigen Spaltöffnungen auskamen – ein zweischneidiges Schwert, erfolgen doch Kohlendioxidaufnahme und Wasserdampfgabe damals wie heute über ein und dieselbe Öffnung. Stomataarme Blätter konnten sich demnach rasch überhitzen, die Ausbildung großer Blätter war fatal. Als nun die Kohlendioxidkonzentration abnahm, war der Weg für die Entwicklung belaubter Pflanzen geebnet.

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