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Neurochemie der Abhängigkeit: Auch Ameisen werden drogensüchtig

Suchtverhalten galt bisher als exklusives Problem von Menschen und wenigen halbwegs cleveren Säugetieren. Falsch: Selbst das Gehirn von Insekten lässt sich von Rauschmitteln versklaven.
Eine drogenabhängige Camponotus-Ameise

Das Suchtverhalten von Menschen ist bestens untersucht – und ebenso die auffallend unterschiedliche Wirkung von typischerweise abhängig machenden Rauschgiften auf das weniger hoch entwickelte Gehirn verschiedener Tierarten. Tatsächlich werden neben Menschen lediglich einigermaßen intelligente Säugetiere wie Ratten oder Affen drogensüchtig. Abhängigkeiten entstehen meist auch nur dann, wenn Versuchstiere konditioniert werden, indem die Droge immer gemeinsam mit positiven Erfahrungen dargeboten wird, etwa mit einer leckeren Mahlzeit. Das, berichten nun Brian Entler von der University of Scranton und Kollegen, gilt aber nicht ausschließlich für Säugetiere: Ihnen gelang es, Ameisen schwer morphiumabhängig zu machen. Die Insekten sind damit die ersten Nichtsäugetiere, die klassisches Suchtverhalten an den Tag legen.

Die Forscher hatten in ihrem Experiment 90 Insekten in drei Gruppen getestet – eine erhielt zunächst ein Zucker-Morphium-Gemisch, das im Lauf der Zeit immer weniger Zucker und am Ende nur noch das Opiat enthielt. Die zweite Gruppe bekam eine zunehmend wässrige Zuckerlösung und am Ende pures Wasser, die dritte ständig gleich viel in Wasser gelösten Zucker. Am Ende dieser Konditionierungsphase ließen die Forscher allen Tieren die Wahl zwischen Zucker und Morphium. Dabei zeigte sich: Zwei von drei der zuvor an Morphium gewöhnten Tiere bevorzugten nun das Rauschmittel gegenüber dem Zucker, den sonst alle anderen Tiere im Versuch immer lieber auswählten.

Dies belege eine Abhängigkeit ihres Versuchstiers Camponotus floridanus, die allein auf neurochemische Effekte des Opiats zurückzuführen sei, erklären die Forscher. Untersuchungen des süchtigen Ameisenhirns zeigten deutliche Veränderungen in den Verhältnissen der Neurotransmitter Serotonin, Octopamin und vor allem Dopamin, das offenbar eine deutlich verstärkte Belohnungsreiz-Abhängigkeit anzeigt. Die Ameisen könnten demnach als Modell für die neurochemischen Auswirkungen von Sucht dienen, hoffen die Wissenschaftler.

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