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Evolution der Immunschwächeviren: Auch Gorillas übertragen HIV

Ein Biss im Westen Afrikas hatte vor rund 100 Jahren geholfen, aus einem harmlosen Menschenaffen- ein tödliches Menschenvirus zu machen: HIV. Dabei sprangen die Viren nicht nur von Schimpansen über - auch Gorillas übertrugen die Erreger.
Gorilla

Das Aidsvirus HIV-1 ist in Westafrika mindestens viermal von Affen auf den Menschen übergesprungen: Zweimal – wie seit Längerem bekannt – von Schimpansen, zweimal aber auch von Gorillas. Das schließen Forscher nach neuen Virusgenanalysen aus Kotproben von Menschenaffen, die sie an verschiedenen Stellen in Afrika gesammelt haben. Auch der Vorläufer des zweithäufigsten, in Westafrika epidemischen Subtyps des Immunschwächevirus (das HIV-1 Gruppe O) zirkulierte demnach in Flachlandgorillas in Kamerun, bevor er den ersten Menschen infizierte.

HIV: Aus Schimpansen über Gorillas in den Menschen

Die afrikanische Entwicklungsgeschichte der verschiedenen HIV-Typen und ihrer Untergruppen wird seit dem vergangenen Jahrzehnt erst allmählich aufgeklärt. Der Urahn der tödlichen menschlichen Erreger war wohl ein über Jahrtausende in afrikanischen Affen heimisches und für die Tiere selbst kaum gefährliches Lentivirus, welches vor langer Zeit auf Schimpansen übergesprungen war. Dort hybridisierte es mit verwandten Viren wohl zur Schimpansenvariante SIVcpz (Simian Immunodeficiency Virus). Aus dem westafrikanischen SIVcpz-Pool heraus speisen sich schließlich auch alle der heute bekannten HIV-Varianten: Das Virus sprang dabei in Afrika offenbar mehrfach auf Menschen über, die von Affen gebissen wurden oder Affenfleisch verspeist hatten. Jedes Mal entstand so eine andere Variante des Erregers: Etwa die seltenere Form HIV-2, aber auch das klassische HIV-1 in seinen vier Ausprägungen der Gruppen O, P, N und vor allem M, die wohl seit den 1920er Jahren existiert und sich ab den 1960er Jahren dann in der Welt verbreiteten.

Seit 2009 wissen Forscher zudem, dass die SIVcpz-Vorläufer von HIV auch zwischen verschiedenen Menschenaffen wechseln können. Virusgensequenzanalysen hatten gezeigt, dass der Vorläufer der (bis dahin allein in zwei Patienten nachgewiesenen) HIV-1-P-Gruppe aus einem SIV von Gorillas kam: Die Gorillas mussten sich irgendwann zuvor einen SIVcpz eingefangen haben. Dies bestätigten nun die neuen Genanalysen: Der Affenvorläufer von HIV-1-P zirkuliert demnach noch heute in Flachlandgorillas im Südwesten von Kamerun. Und in Zentralkamerun entdeckten die Forscher Gorilla-SIV-Stämme, die sehr nahe mit HIV-1-Gruppe O verwandt sind, an der in Westafrika bei mehreren Epidemien bereits rund 100 000 Menschen erkrankten.

Die Forscher möchten nun mehr über die Gorillavariante SIVgor herausfinden, um das Puzzle des wiederholt entstandenen HI-Virus zu vervollständigen. Klar scheint, dass die Gorillavirusvariante älter ist als HIV. Allerdings kursiert sie in ihrem Menschenaffenwirt noch nicht so lange wie SIVcpz im Schimpansen, von dem sie abstammt. Das Gorillavirus findet sich zudem nur bei den westlichen Flachlandgorillas (Gorilla gorilla gorilla), nicht aber bei den östlichen Flachlandverwandten (Gorilla beringei graueri), die genauso mit infizierten Schimpansen zusammentreffen können, oder den eher abgelegen lebenden Berggorillas (Gorilla b. beringei). Auch die westlichen Flachlandgorillas sind aber deutlich seltener mit ihrem SIVgor infiziert als etwa die Schimpansen mit SIVcpz. Trotzdem reichte die Durchseuchung, um das Virus um 1920 herum auf den Menschen zu übertragen – also etwa zur gleichen Zeit, wie es beim HIV-1-M geschah. Spannend wäre nun herauszufinden, warum die Gruppe HIV-1-O aus Gorillas zwar in Afrika schwere Epidemien auslöst, sich aber bisher nie wie die gleich alte HIV-1-M-Version aus Schimpansen auch in andere Weltgegenden ausbreitete.

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