Kometenforschung : Aufregend alter Sternenstaub
Kometen sind nichts weiter als schmutzige Schneebälle, die im Sonnenlicht verdampfen. Wer sich diese einfache Vorstellung bewahren möchte, sollte besser nicht weiterlesen. Allen neugierigen Naturen bieten die ersten Daten von der Raumsonde Stardust ein komplexeres Bild von den verkannten 'Schweifsternen'.
Des Kometen Kern
Zumindest ist auch dieser Komet düster: Weniger als fünf Prozent des einfallenden Lichtes strahlt er zurück. Damit gehört Wild 2 wie seine Kollegen zu den dunkelsten bekannten Objekten im Sonnensystem. Sie alle überzieht eine Art Mantel aus einem nicht flüchtigen Stoff. Das Material für die berühmte Koma und den noch berühmteren Schweif entweicht anscheinend recht kleinen Gebieten auf oder gar unter der Oberfläche.
Mit Experimenten im Labor versuchen die Forscher, mögliche Antworten zu finden. Verschiedene Materialien werden beschossen und die entstehenden Krater mit den Strukturen auf dem Kometen verglichen. Danach sieht es tatsächlich so aus, dass Einschläge zumindest für einen Teil der Vertiefungen verantwortlich sein können. Und noch ein Ergebnis: Wild 2 muss ziemlich hart im Nehmen sein. Denn sein Kern hält fest zusammen. Eine klare Absage an den Gedanken, es handle sich um einen lockeren Haufen von Brocken, die hauptsächlich durch Gravitation verbunden sind. "Wir sind sicher, dass es sich um ein stabiles Material handelt, denn es lassen sich Steilhänge und spitze Erhebungen damit bilden", erklärt Brownlee.
Damit dürfte die Diskussion, was Kometen im Innersten zusammenhält, neu entfacht sein und diesmal zu differenzierteren Aussagen gelangen. Denn mag Wild 2 ein fester Klumpen sein, so trifft das wohl nicht auf alle Kometen zu. Ansonsten hätte Shoemaker-Levy seine erste Begegnung mit Jupiter im Jahre 1993 vermutlich heil überstanden. Stattdessen hat ihn der Riesenplanet aber mit seiner Gravitation in Stücke gerissen, die schließlich im nächsten Zyklus auf Jupiter einprasselten. Wie es aussieht, gibt es Kometen in verschiedenen Ausführungen.
Rätselhafter Staub
Während aus den größten Vertiefungen von Wild 2 kein Material den Kern verlässt, strömen an rund zwanzig Stellen Staubteilchen davon. Antrieb dafür ist vermutlich die Sonneneinstrahlung, die Wassereis und andere flüchtige Substanzen sublimieren und aufsteigen lassen, wobei kleine Teilchen mitgerissen werden. Ein Team um Zdenek Sekanina vom California Institute of Technology hat diesen Prozess genauer unter die Lupe genommen [2]. Die Wissenschaftler lokalisierten die meisten der kleinen Jets erwartungsgemäß auf der sonnenzugewandten Seite, nur einzelne Quellen lagen im abgewandten Bereich. Obwohl die Beschleunigung gering ist, erreichen gerade kleinste Teilchen innerhalb einer Minute einen Abstand von einem Kilometer vom Kern.
Die großräumige Verteilung des Staubs verfolgten Anthony Tuzzolino von der Universität Chicago und seine Kollegen mit dem so genannten Dust Flux Monitor [3]. Da Stardust mit nur 6,1 Kilometern pro Sekunde viel langsamer an seinem Kometen vorbei flog als andere Sonden bei früheren Missionen, entstand eine Profil mit deutlich besserer räumlicher Auflösung. Es offenbarte eine Feinstruktur mit zwei größeren Staubregionen in 600 beziehungsweise 4000 Kilometern Entfernung vom Kern.
Das enger am Kometen fliegende Material kann durchaus der weggepustete Staub der Jets sein, meinen die Wissenschaftler. Die Teilchen weiter draußen sind dagegen ihrer Ansicht nach eher aus einem abtrünnigen Brocken von etwa einem Meter Durchmesser hervorgegangen, der sich vor kurzem vom Kern gelöst hat. Bei Kometen ein durchaus üblicher Vorgang, wobei Klumpen bis hin zur Größe von Lastwagen abbrechen.
Wie alles zusammenpasst
Ihren Ursprung haben sie vermutlich in der Oort'sche Wolke, die das Sonnensystem in rund 0,8 Lichtjahren umschließt, oder in dem ringförmigen Kuipergrütel, der in der Nähe von Pluto beginnt. Dort haben sich Milliarden Brocken angesammelt, die parallel zu den Planeten aus der ursprünglichen Staubscheibe entstanden sind, aus welcher das Sonnensystem hervorgegangen ist. Wie in einem kosmischen Kühlschrank haben Kometen darum einen Schnappschuss vom Urmaterial unserer Welt bewahrt. Für die Wissenschaft stellt sich nur das Problem, wie sie an dieses Material herankommen soll.
Dafür sorgen gelegentliche gravitatorische Störungen der Bahnen in der Oort'sche Wolke oder dem Kuipergürtel. Wandert beispielsweise ein Stern an der Sonne vorbei, kann das einige Objekte in die Tiefen des Weltraums oder in Richtung der Planeten schleudern. In manchen Fällen findet der Brocken eine neue stabile Bahn und zieht als Komet regelmäßig seine lang gezogenen elliptischen Wege.
Unterwegs verdampft ein Teil seiner Materie, vor allem in Nähe der Sonne. Aus Sicht der Forschung ein unschöner Vorgang, denn es geht stetig Information verloren. Gut möglich, dass Halleys Komet deshalb so strukturlos ist, weil die vielen Vorbeiflüge an der Sonne ihm längst seinen ursprünglichen Charakter geraubt haben. Wild 2 scheint dagegen noch frisch zu sein. Bis zu einer Begegnung mit Jupiter im Jahre 1974, die ihm eine weitere Bahnänderung aufgezwungen hat, hielt er sich wohl fern von der Sonne. Und seitdem, so schätzt Brownlee, hat er vielleicht nur einen Meter seiner Oberfläche eingebüßt. Das würde zumindest im Zusammenhang mit dem festen Material sein wildes Aussehen erklären.
In seltenen Fällen gerät ein Komet so sehr auf Abwege, dass er auf die Erde stürzt. Vor allem in der Frühzeit des Sonnensystems mag das öfter vorgekommen sein. In Anbetracht der chemischen Zusammensetzung des Kometenstaubs, der ja voller organischer Verbindungen ist, stellt sich deshalb die Frage, ob diese Himmelsboten als Lieferanten von Bauteilen an der Entstehung des Lebens beteiligt waren.
Es geht bei der Kometenforschung also nicht nur um die Schweifsterne an sich, sondern tatsächlich um die ständig bohrenden Fragen, wo wir herkommen und ob wir alleine sind im Universum. Mit Stardust alleine wird dieses Rätsel nicht gelöst werden. Aber wenn das Aerogel mit dem gesammelten Staub sicher gelandet ist, haben die Wissenschaftler zum ersten Mal direkt Material vom Anfang des Sonnensystems in den Händen. Und dann ist da ja noch die Sonde Rosetta, die in zehn Jahren eine Landeeinheit auf einem weiteren Kometen absetzen will. Welche Überraschungen dann wohl auf uns warten?
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