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News: Augenprothese für Blinde

Wer den guten Rat: 'Behüte es wie Deinen Augapfel' nicht befolgt, könnte womöglich für den Rest seines Lebens sprichwörtlich 'im Dunkeln stehen'. Denn selbst die moderne Medizin kann Blinden nur in manchen Fällen das Augenlicht wiedergeben. Das Sehvermögen geht beispielsweise verloren, wenn die Netzhaut oder Retina beschädigt wird. Ihre Millionen Rezeptoren verwandeln Lichtreize zu Nervenimpulsen, die unser Gehirn anschließend wieder zu Bildern interpretiert. Erstmals pflanzten nun Wissenschaftler erfolgreich künstliche Silizium-Chips - die ähnlich der Retina Licht in elektrische Signale verwandeln - in die Augen blinder Patienten ein. Die Forscher erhoffen sich für die Zukunft, Blinden mit krankhaft geschädigter Netzhaut durch Silizium-Sehprothesen wieder zum Sehen zu verhelfen.
Das Auge gehört zu den wichtigsten Sinnesorganen des Menschen. Wie in einer Kamera wird hier durch eine kleine Öffnung – die Pupille – Licht auf eine Rückwand – die Netzhaut – geworfen, wo es ein auf dem Kopf stehendes Abbild der Umgebung widerspiegelt. Die lichtempfindlichen Rezeptoren der Netzhaut "übersetzen" anschließend die einfallende Lichtenergie in elektrische Signale, die als Nervenimpulse über den Sehnerv zum Gehirn geleitet werden. Wird die Retina durch Krankheiten, wie beispielsweise der Retinitis Pigmentosa oder durch Verletzung geschädigt, so kann dies zur vollständigen Blindheit führen. Dieser Verlust des Augenlichtes gilt bisher als unheilbar.

Alan Chow von der Optobionics Corporation in Illinois und seine Mitarbeiter bringen nun einen Hoffnungsschimmer in die Dunkelheit von Retina-Patienten, der ihnen in der Zukunft sogar wieder zum Sehen verhelfen könnte. Kürzlich gelang es den Wissenschaftlern erstmals, einen Silizium-Chip, der die Funktionen der defekten Netzhaut übernehmen soll, in die Augen von nahezu blinden Patienten einzusetzen. Der Chip wurde von Optobionics Corporation entwickelt und besitzt auf einem Durchmesser von zwei Millimetern und einer Dicke von nur etwa 2,5 hundertstel Millimetern 3 500 mikroskopische Solarzellen, so genannte Mikrophotodioden. Jede dieser Dioden ist mit einer eigenen Elektrode ausgestattet, welche die Lichtenergie in Tausende winziger elektrischer Impulse verwandeln, um damit die noch funktionsfähigen Zellen der Retina anzuregen. Eine externe Batterie benötigt der Chip übrigens nicht, denn die benötigte Energie bezieht er aus dem einfallenden Licht.

Ihre Erfindung setzten die Wissenschaftler in einer mikrochirurgischen Operation in die Augen von Retinitis Pigmentosa-Patienten, im Alter zwischen 45 und 75 Jahren, ein. Hierzu schnitten sie an drei Stellen im weißen Bereich des Augapfels winzige Öffnungen, die kleiner waren als der Durchmesser einer Nadel. Durch diese Einschnitte brachten die Mikro-Chirurgen anschließend eine Miniatur-Vorrichtung zum Schneiden und dem Erzeugen eines Vakuums in das Auge ein. Mit dem Klein-Werkzeug konnten sie die Gel-artige Masse aus der Mitte des Auges durch eine Salzlösung ersetzen. Daraufhin öffneten sie die Retina an einer exakt festgelegten Stelle, durch die sie dann Flüssigkeit injizierten, um die Retina von der Rückseite des Auges abzulösen. Der so unter der Retina entstandene Hohlraum war gerade groß genug, um den Silizium-Chip aufzunehmen, den die Chirurgen durch die vergrößerte Injektionsöffnung einsetzten. Anschließend schlossen sie die Öffnung der Netzhaut über dem Chip und leiteten Luft in die Mitte des Auges ein, um die Retina sanft auf das Implantat zu drücken und die Einschnitte zu schließen. Das Auge resorbierte die Luftblase innerhalb von ein bis zwei Tagen und ersetzte sie durch die entstehende Augenflüssigkeit.

"Mit diesem Experiment wollen wir die Sicherheit und Anwendbarkeit einer künstlichen Silizium-Retina untersuchen, indem wir eine kleine Version des Implantates in den Randbereich der Retina einbringen", meint Alan Chow. "Die Operationen mit dem Ziel, die Implantate an die vorgesehenen Stellen einzusetzen, wurden alle erfolgreich abgeschlossen. Wir hoffen nun, dass die Implantate die Retina der Patienten so stimulieren können, dass diese innerhalb des nächsten Monats ein gewisses Maß an Sehfähigkeit an der Stelle der Implantate entwickeln", erklärt er. "Den Raum unter der Retina zu verwenden, um eine Vorrichtung zu fixieren, die künstlich die Netzhaut stimuliert, scheint ein logischer Schritt zu sein, um den Verlust von Lichtrezeptoren auf der Retina auszugleichen", erklärt Gholam Peyman vom Tulane University Medical Center, der ebenfalls bei den Versuchen mitwirkte. Er glaubt, dass die Versuche neue Möglichkeiten eröffnen, um das Sehvermögen von Retinitis Pigmentosa-Patienten im Endstadium wieder herzustellen – "wenn das Implantat nicht abgestoßen wird, und imstande ist, die Netzhaut erfolgreich anzuregen", räumt er allerdings ein.

Siehe auch

  • Spektrum Ticker vom 14.3.2000
    "Gute Aussichten"
    (nur für Ticker-Abonnenten zugänglich)
  • Spektrum Ticker vom 22.3.2000
    "Heilung im Blick"
    (nur für Ticker-Abonnenten zugänglich)

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