Direkt zum Inhalt

News: Ausradiertes molekulares Gedächtnis

Nicht bei allen Genen herrscht Gleichheit zwischen den Geschlechtern. Bei manchen, speziell markierten Genen ist nur die von Mutter vererbte Variante aktiv, bei anderen die vom Vater. Während der Embryonalentwicklung verschwinden diese Markierungen jedoch und werden durch neue ersetzt. Und das in rasantem Tempo: Nur 24 Stunden brauchen die Zellen, aus denen Eierstöcke oder Hoden entstehen, um ihre Markierung auszuradieren. Zu schnell für ein passives Verschwinden.
Ein raffinierter Weg, mit der Zellen die Aktivität ihrer Gene regulieren, ist die zuerst in Bakterien aufgespürte DNA-Methylierung. Das Enzym Methyltransferase heftet dabei an spezielle Cytosinbasen der DNA jeweils eine Methylgruppe und aktiviert darüber das Gen, oder – je nach Platzierung der Methylgruppe – legt es still. Allerdings eignen sich nicht alle Cytosinmoleküle gleichermaßen für eine solche Anheftung. In 90 Prozent der Fälle erhalten nur Cytosine aus so genannten CpG-Inseln eine Methylierung. Diese CpG-Inseln bestehen aus einer langen Folge von mindestens 200 Dinukleotid-Cluster der Basen Cytosin und Guanin.

Die Markierung durch DNA-Methylierung setzt die Zelle bei der so genannten genomischen Prägung ein. Hier ist nur einer der beiden vererbten Genkopien im Organismus aktiv – manchmal das von der Mutter stammende Allel und manchmal das väterliche. Vereinigen sich jedoch Spermium und Eizelle, dann entledigt sich der entstehende Embryo bereits während seiner ersten Entwicklungsschritte der elterlichen Erbschaft und schreibt sein Gedächtnis neu.

So ist aus Mausembryonen bekannt, dass vom Achtzellstadium bis zum Stadium des Keimbläschens – somit vor der Einnistung des Embryos in die Gebärmutter – die Methylierungen verschwinden. Sobald sich der Embyro eingenistet hat, wird er als unbeschriebenes Blatt von einer regelrechten Welle der Neumethylierung überrollt. Forscher des Tokyo Institute of Technology haben nun entdeckt, dass die Ausradierung des elterlichen Gedächtnisses in rasantem Tempo stattfindet: Nur einen Tag benötigen die sich entwickelnden Embryonen nach Meinung von Arbeitsgruppenleiter Fumitoshi Ishino für diesen Prozess.

Dieses Ergebnis erhielten die japanischen Forscher, als sie aus Mäuseembryonen jene Zellen entnahmen, die im Laufe der Entwicklung zu Eierstöcken und Hoden heranreifen sollten und aus ihnen Klone züchteten. Je nachdem, aus welchem Zeitfenster der Embryonalentwicklung die entnommenen späteren Geschlechtszellen stammten, lebten die Tiere kürzer oder länger: Zellen, in denen die genomische Prägung bereits ausradiert worden war, bildeten nur kurzlebige Klone. Dagegen überlebten die Klone, deren Zellen noch angelagerte Methylgruppen trugen, deutlich länger.

Die Forscher glauben nicht, dass die DNA der Zellen innerhalb von nur 24 Stunden die angehefteten Methylgruppen passiv verloren haben. Vielmehr scheint die Zelle ihr Prägungsmuster aktiv durch entsprechende, noch unbekannte Mechanismen zu entfernen. Ishino sieht mit seinen Ergebnissen den Verdacht erhärtet, dass Embryonen ohne korrekte genomische Prägung nicht überleben können: "Klone, die keine elterliche Information tragen, entwickeln sich nicht richtig." Mit zwei aktiven Genkopien ergeht es den Embryonen allerdings auch nicht besser – sie sterben.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.