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Klimapolitik: Kopflose Hühnerbrigade gegen den Klimawandel

In Australien bekämpfen sich Regierung und Wissenschaft zunehmend verbittert. Ideologie und Fakten prallen besonders beim Streit über den menschengemachten Klimawandel aufeinander - und beträchtlicher Flurschaden ist dadurch schon angerichtet.
Hitzewelle in Australien

Das Jahr 2014 wird heiß in Australien. Klimatisch, weil der gerade zu Ende gegangene australische Sommer der heißeste in die Klimageschichte Australiens war. 120 Temperaturrekorde wurden gebrochen. Zudem warnen Klimaexperten vor einer neuen Trockenperiode. Schon jetzt leidet die Landwirtschaft. Laut der zuständigen Behörde, dem ABARES (Australian Bureau of Agricultural and Resource Economics and Sciences), sind im Vergleich zum Vorjahr 15 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen verdorrt; bei einer Reihe von Feldfrüchten ist die Ernte zwischen acht und 36 Prozent geringer als im Vorjahr ausgefallen.

Politisch heiß wird der Herbst auf der Südhalbkugel. Dann nämlich stehen für Australiens Zukunft wichtige klima- und umweltpolitische Entscheidungen der seit Mitte September 2013 amtierenden Regierung an. Geführt wird diese vom konservativen Premierministers Tony Abbott. Abbott, und mit ihm Schlüsselfiguren seiner Regierung, halten menschliches Handeln als Ursache des Klimawandels für blanken Unsinn, Vertreter des Gegenteils für durchgedrehte grün-linke Spinner und Wissenschaft nur für nützlich, wenn Forschung der Heilung von Krankheiten dient.

Australiens Premier Tony Abbott | Der in London geborene Anthony "Tony" John Abbott ist bei den Bundeswahlen am 7. September 2013 zum Premierminister Australiens gewählt worden; das Foto zeigt ihn anlässlich seiner Amtseinführung. Er ist Mitglied der Liberalen Partei Australiens.

Einer der bekennenden Klimawandelskeptiker ist Dick Warburton, den Umweltminister Greg Hunt Mitte Februar zum Chefüberprüfer des Eenewable Energy Target (RET) berufen hat. Laut dem von der sozialdemokratischen Vorgängerregierung beschlossenen RET-Gesetz muss bis zum Ende des Jahrzehnts der Anteil der erneuerbaren Energie 20 Prozent betragen. Unmittelbar nach seiner Berufung bekräftigte Warburton in einem Interview mit dem Sender ABC seine Skepsis gegenüber dem globalen wissenschaftlichen Konsens, nach dem der Klimawandel auf menschliches Handeln zurückzuführen ist.

Wissenschaftliche Klimaberatung – ein politisches Instrument?

Das erste Opfer in den ersten Stunden der Abbott-Regierung war die unabhängige Klimakommission, eine noch von der abgewählten sozialdemokratischen Vorgängerregierung als wissenschaftlicher Think Tank geschaffene Einrichtung: "Mir wurde per Telefon die sofortige Auflösung der Climate Commission mitgeteilt", erinnert sich Professor Tim Flannery , geschasster Vorsitzender der Kommission und einer der profiliertesten Wissenschaftler Australiens.

Schockierender für die Wissenschaftswelt war der folgende Schritt der Regierung: Die Auflösung des Wissenschaftsministeriums, dessen Abteilungen den Ressorts Wirtschaft sowie Bildung unterstellt wurden. Für Entsetzen sorgte schließlich die Streichung von Zuschüssen in Höhe von umgerechnet 560 Millionen Euro über die nächsten vier Jahre für Australiens Universitäten.

"Ich finde es mehr als ungewöhnlich, dass der (Bildungs)Minister ein Gesetz in das Parlament einbringt, das er – in seiner Rede zur zweiten Lesung – offen als schädlich für unsere Universitäten und ihre Studierenden bezeichnet", klagt Jeannie Rea, Vorsitzende der Gewerkschaft National Tertiary Education Union (NTEU). Darüber hinaus soll die letztliche Entscheidung über die Vergabe von Forschungsgeldern von Expertengremien in die Hand von Ministeriumsmitarbeitern verlagert werden. "Man mag direkte politische Einflußnahme bei der Entscheidung über (...) Forschungsgelder in Ländern wie Nordkorea erwarten. In einem Land wie Australien, in dem unabhängige Universitäten das Fundament unserer Wirtschaft, Gesellschaft und Demokratie sind, ist das inakzeptabel", warnt Rea.

Abbotts Regierung ist noch nicht lange im Amt. Bis zur Sommerpause, die in Australien von Mitte Dezember bis Ende Januar währt, hatte die neue Administration jedoch mit Verve die Umsetzung ihres Wahlversprechens in Angriff genommen, so ziemlich alle umwelt- und klimapolitischen Entscheidungen der sozialdemokratischen Vorgängerregierungen zu kassieren.

Auf Tasmanien will Umweltminister Greg Hunt 74 000 Hektar geschützten Wald, Teil eines größeren, zum Weltkulturerbe gehörendes Waldgebiets, für die kommerzielle Nutzung freigeben. An der Küste von Queensland wurde der Bau eines der größten Kohlehäfen der Welt sowie die Ablagerung von Millionen Tonnen ausgebaggerten Sedimenten am Großen Barrier Riff genehmigt. Für Westaustralien suspendierte Canberra das Gesetz zum Schutz des in seinem Bestand bedrohten Weißen Hais, um den dortigen Behörden die präventive Tötung eines jeden Weißhais zu ermöglichen, der sich den sonnigen Stränden mit Badelustigen und Surfern nähert. Der staatlichen Forschungsinstitution Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) droht durch einen rigorosen Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst der Verlust eines Viertels ihrer Mitarbeiter.

Erschreckend ist die von Hass gegen Umwelt- und Klimaschützer geprägte Rhetorik von Regierungspolitikern sowie ihrer Verbündeten in Wirtschaft und Medien. Michael Roche, Geschäftsführer des Dachverbands der Mineralien- und Energiebranche von Queensland, feiert die Politik von Umweltminister Hunt als "Ende der Umwelthysterie". Die Tageszeitung Herald Sun jubelte nach dem Aus für die Klimakommission "Tim Flannery ist gefeuert – und das sollte auch mit Journalisten passieren, die Klimawandelpanikmacher sind". Abbott selbst sorgte in der Wissenschaftsgemeinde durch die Ankündigung für Empörung, die Finanzierung "verschwenderischer Forschungsprojekte" in Bereichen wie Philosophie und Sozialwissenschaften zu beenden. Wissenschaftler befürchten, dass auch Projekte der Grundlagenforschung Opfer der Wissenschaftsfeindlichkeit der Abbott-Administration werden. Der Säugetierforscher, Paläontologe und Umweltexperte Flannery betont: "Ohne Wissenschaft hat Australien keine Zukunft."

Warum sind Klimawandel und Klimaforschung im speziellen und Wissenschaft im allgemeinen für den bekennenden Katholiken Abbott und seine Jünger so knallrote Tücher? Professor Will Steffen antwortet auf diese Frage vielsagend: "Ich bin Klimawissenschaftler und kein Psychologe." Steffen, Klimaforscher an der Australian National University (ANU) und Ex-Mitglied der Klimakommission, weist aber auch auf die enge Verbundenheit der Abbott-Regierung mit der mächtigen Bergbau- und Energiebranche hin.

Privatspenden statt staatlicher Förderung für die Wissenschaft

Unter dem Namen Klimarat wurde die Klimakommission sofort nach ihrer Abschaffung als private Institution wiedergeboren. Flannery, Autor des Buchs "The Weather Makers: The History and Future Impact of Climate Change", sagt: "Informationen sind die Währung einer Demokratie und die Australier verdienen es, unabhängige Informationen über den Zustand unseres Klimas zu bekommen."

Flannerys Kollege Steffen ergänzt: "Von allen entwickelten Staaten ist Australien am stärksten den Einflüssen des Klimawandels ausgesetzt." Mit dieser Ansicht steht er nicht allein: Wie sehr sich die Australier angesichts Rekordhitzen, Rekordwaldbränden, Rekorddürren um ihre Zukunft sorgen, zeigt die Spendenbereitschaft zur Unterstützung des Climate Councils: Schon in den ersten Wochen nach seiner Gründung am 24. September nahm er mehr als eine Million australische Dollar an Spenden ein. Ob eine nachhaltige wissenschaftliche Forschung allein durch Spenden finanziert werden kann, ist offen. "Wir sind in Australien das größte Crowdfundingprojekt", sagt Flannery.

Nach der Aufbauphase will sich der Klimarat jetzt auf zwei Bereiche konzentrieren: Die Sicherstellung eines konstanten Spendenflusses, wobei zur Garantie der Unabhängigkeit keine Spenden von Unternehmen akzeptiert werden. Der zweite Schwerpunkt liegt auf wissenschaftlicher Arbeit. Nach der Veröffentlichung eines Reports über Waldbrände und Klimawandel soll noch in diesem Monat der Heatwaves Report folgen. Für den australischen Spätherbst (also im europäischen Frühsommer) ist dann die Veröffentlichung einer Studie über "Gesundheit und Energiesysteme" geplant.

Wohin Australiens wissenschaftspolitische Reise geht, wird sich in den kommenden vier Monaten zeigen. In wenigen Wochen wird Abbott seinen ersten Haushalt vorlegen. "Dann sehen wir ja, welchen Stellenwert die Wissenschaft noch hat", sagt Flannery. Am 1. Juli dann treten die neuen Senatoren ihr Amt an. Bei der Durchsetzung seines wichtigsten politischen Ziels, der Abschaffung der der Vorgängerregierung eingeführten CO2-Steuer, ist Abbott mangels einer eigenen Mehrheit im Senat auf das Wohlwollen der unabhängigen Senatoren angewiesen. Spuren die nicht, schließt Abbott auch eine "double dissolution" nicht aus: Fällt ein Gesetz zweimal im Senat durch, kann der Premier die beiden Parlamentskammern auflösen und Neuwahlen ausrufen.

Ob Abbott damit durchkommen würde, ist ungewiss. Steffen fühlt sich an 2007 erinnert, als der damalige Chef der Australian Labor Party mit einem klaren klimapolitischen Programm die Wahl gewann. Damals steckte Australien in der schlimmsten Dürreperiode seiner Geschichte. Nach dem Ende der Dürre 2009/2010 beschäftigten Themen Wirtschaft und Asylpolitik die Wähler mehr als Umwelt und Klima. Jetzt könnte angesichts der neuen Dürre das Pendel wieder zurückschwingen, glaubt Steffen. Der Mann könnte Recht haben. Laut einer gerade veröffentlichten Meinungsumfrage der Australian National University ist Abbott der unpopulärste Premierminister seit 25 Jahren.

Mahnungen für mehr klimawissenschaftliche Vernunft kommen derweil auch aus dem fernen London. Im Februar nannte Prinz Charles die (globalen) Klimawandelskeptiker eine "kopflose Hühnerbrigade", welche die Erkenntnisse der Klimawissenschaft ignoriert und ein "Trommelfeuer der schieren Einschüchterung" gegen ihre Kritiker abfeuert. Der Monarchist Abbott wird über die Worte des künftigen Staatsoberhaupts Australiens "not amused" gewesen sein.

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