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Das aktuelle Stichwort: Autoabgase und Feinstaubbelastung

Bald ist es soweit: In deutschen Städten drohen Fahrverbote, weil die Belastung mit Emissionen nach einer neuen Regelung der Europäischen Union zu hoch sind.
Auspuff
Relativ unbeachtet von Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit verabschiedete die EU am 22. April 1999 die in ihrer Konsequenz weitreichende Richtlinie 1999/30/EG. Ihre – verkürzte – Kernaussage lautet trocken: "Der ab dem 1. Januar 2005 einzuhaltende Tagesmittelwert für PM10 beträgt 50 Mikrogramm pro Kubikmeter bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr." Die vorgeschriebene Umsetzung in nationales Recht erfolgte dreieinhalb Jahre später am 11. September 2002.

Was aber besagt diese Gesetzesvorgabe nun konkret? Und welche Auswirkungen hat dies auf den deutschen Alltag? In einfache Worte übersetzt, birgt die Richtlinie einigen Sprengstoff, denn sie verpflichtet die Europäer zu mehr Luftreinhaltung, und das heißt in vielen Fällen Einschränkungen für den Straßenverkehr.

Seit Jahresanfang darf die Belastung der Luft mit Feinstaubpartikeln flüssiger wie fester Natur, die kleiner als zehn Mikrometer sind, nur noch an maximal 35 Tagen den gesetzten Grenzwert überschreiten. Ist dies dennoch der Fall, muss der Gesetzgeber eingreifen. Denn Feinstäube werden nach einer Studie der EU-Kommission europaweit für jährlich bis zu 310 000 Tote – davon etwa 65 000 in Deutschland – verantwortlich gemacht. Diese Menschen sterben vorzeitig an emissionsbedingten Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen.

Im besonderen Blickpunkt steht dabei der so genannte Dieselruß – fester Verbrennungsrückstand des Dieselkraftstoffs, der zusammen mit Abgasen in die Luft geblasen wird. Kritisch werden vor allem kleinere Partikelgrößen betrachtet, denn alle Schwebstoffe, die größer als 2,5 Mikrometer sind, bleiben an den Schleimhäuten von Mund und Nase hängen oder verfangen sich in den Bronchien, von wo sie mit Sekreten abtransportiert und schließlich verschluckt werden. Feinere Staubteilchen dagegen dringen meist tief in die Lunge ein und setzen sich dort ab.

Der Kohlenstoff des Dieselrußes führt dann zu einer physikalischen Beeinträchtigung der Lungenfunktion, da er die Oberfläche der Lungenbläschen vermindert. Der Ruß und eventuell anhaftende weitere Schadstoffe bewirken in der Folge mechanische Reizungen und können bestehende Atemwegserkrankungen wie Asthma verstärken sowie Entzündungsprozesse im Lungengewebe auslösen. Ultrafeinen Partikeln mit einer Teilchengröße unter 0,1 Mikrometer gelingt es mitunter sogar, über die Lungenbläschen in die Blutbahn vorzudringen und sich über den Blutweg im Körper zu verteilen: Schäden an der DNA sind eine weitere mögliche Folge.

Zu den Feinstaubbelastungen in den Städten trägt Dieselruß mit etwa 20 bis 30 Prozent bei – allerdings mit stark steigender Tendenz, denn Dieselfahrzeuge erfreuen sich wachsender Beliebtheit bei Autokäufern. Weitere Quellen, die direkt aus dem Straßenverkehr resultieren, sind etwa der Abrieb von Bremsen und Autoreifen.

Während letztere allerdings nur durch Fahrverbote minimiert werden könnten, ließen sich die Partikel aus der Verbrennung von Diesel effektiv mit Filtern um bis zu 97 Prozent reduzieren. Deutsche Hersteller bieten diese Filter jedoch in Neufahrzeugen häufig nicht serienmäßig oder nur gegen Aufpreis an, was sich bei vielen Fabrikanten erst zum Sommer ändern soll. Zudem fährt der überwiegende Teil der deutschen Diesel-Flotte – 95 Prozent von etwa 18 Millionen Autos und nahezu alle Lastwagen – noch völlig ohne Abgasreinigung.

Diese rollenden Emittenten werden mit dem neuen EU-Gesetz nun verstärkt zum Problem der Städte, die ihre Bewohner vor den Belastungen aus Verkehr und Industrie schützen müssen. Bereits am 18. März wurde in Teilen Münchens der festgelegte Grenzwert schon zum 34. Mal überschritten, und in vielen anderen Städten der Bundesrepublik wie Berlin, Düsseldorf, Dortmund oder Mannheim sieht es nicht besser aus. Die verantwortlichen Behörden scheuen jedoch noch vor Konsequenzen wie der City-Maut oder beschränkten Fahrverboten zurück: Beide Maßnahmen erzielten im Ausland – etwa in Italien, in London oder Stockholm – zumindest zeitweilige Verbesserungen.

Die Städte reagieren bislang nur unzureichend auf die neue Gesetzgebung; die ersten betroffenen Bürger streben daher bereits Musterklagen an, um so Verbesserungen zu erzielen. Da die EU-Behörden zudem eine dauerhafte Nichtbeachtung ihrer Vorgaben nicht hinnehmen wollen, drohen auch von dieser Seite weitere Sanktionen.

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