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Klimadiskussion: Bärendienst

Der Klimaforscher Peter Gleick hat sich Zugang zu einem Strategiepapier erschlichen, das die Taktik von Klimaskeptikern enthüllt. Doch Klimatologen müssen mit ihren Sachargumenten überzeugen - und sollten sich nicht auf das oft fragwürdige Niveau ihrer Gegner herablassen.

Der Vorgang erinnert an "Climategate": die Veröffentlichung illegal erlangter E-Mails, die sich wichtige Klimaforscher um Phil Jones von der Climatic Research Unit (CRU) der University of East Anglia geschrieben hatten. Hacker hatten diese Daten im Jahr 2009 von Computern der Universität gestohlen und kurz vor der damaligen Weltklimakonferenz in Durban veröffentlicht, um die Forschungsarbeiten zum Klimawandel und die daran beteiligten Wissenschaftler zu diskreditieren. Sie würden betrügen, Daten manipulieren und missliebige Kritiker mundtot machen, lauteten die Vorwürfe – Vorwürfe, die durchweg haltlos sind (wenngleich manche der internen Mails in einem durchaus fragwürdigen Ton geschrieben waren) und von verschiedenen Untersuchungsausschüssen durch die Bank zurückgewiesen wurden. Bis heute ist unklar, wer hinter diesem Datendiebstahl steht; der Verdacht, es seien radikale Gegner der These vom menschengemachten Klimawandel gewesen, liegt allerdings nahe.

Nun hat aber auch die Klimaforschung ihr eigenes kleines "Climategate". Der US-amerikanische Forscher Peter Gleick vom Pacific Institute hat auf seinem Blog zugegeben, dass er sich ein Strategiepapier des Heartland Institute erschlichen hat. Dieser konservative Thinktank, der sich offiziell und offensiv für freie Märkte und gegen staatliche Einmischung jeglicher Art einsetzt, verneint auch, dass der Mensch das Klima beeinflusst und zu steigenden Erdtemperaturen beiträgt.

Um diese Meinung unter die Menschen zu bringen, finanziert das Institut unter anderem Craig Idso, Anthony Watts, Fred Singer oder Robert Carter, die zu den bekanntesten Skeptikern des Klimawandels zählen. Der Atmosphärenphysiker Fred Singer zum Beispiel erkennt zwar die Rolle von Kohlendioxid als Treibhausgas an – und billigt ihm auch eine verstärkende Wirkung mit steigender Konzentration zu –, verglichen mit natürlichen Einflussfaktoren werde sein Potenzial aber völlig überschätzt, so der Forscher. Er ist allerdings gleichzeitig ein bekannter Lobbyist von Erdölfirmen (ebenso wie von Tabakunternehmen) und hat an der Erstellung von PR-Strategien für diese mitgewirkt. Der Geograf Craig Idso vertritt die Meinung, dass steigende CO2-Gehalte den Pflanzen und damit der Menschheit ausschließlich nützen – und erhält monatlich 11 600 Dollar vom Heartland Institute als Unterstützung.

Das von Gleick veröffentlichte Papier listet auch auf, wer das Institut unterstützt – darunter namhafte Firmen wie Microsoft, der Pharmahersteller GlaxoSmithKline, der Tabakkonzern Altria und eine Stiftung von General Motors. Viele dieser Unternehmen haben sich mittlerweile gegenüber der Presse geäußert, dass sie zwar Zahlungen an das Heartland Institute geleistet hätten, diese Mittel aber nicht in Lobbyarbeit für einen abgeschwächten Klimaschutz flossen. Diese wurden vielmehr von zwei nicht namentlich genannten Stiftungen und einem anonymen Großspender bezahlt. Mit dem Geld richtete das Institut unter anderem mehrere Konferenzen im Sinne eines Anti-IPCC-Gipfels aus, denen "Nature" ein verheerendes Zeugnis ausstellte: "Die Wissenschaft verschwand hinter wilden Vorwürfen und politischer Propaganda."

Darüber hinaus arbeitet der Thinktank angeblich darauf hin, dass Klimatologie und Klimawandel zukünftig nur als "wissenschaftliche Kontroverse" an Schulen und Universitäten gelehrt werden. Unter Lehrern bestehe eine starke Voreingenommenheit und Tendenz, die "alarmistische Perspektive" der (weit überwiegenden) Mehrheit der Klimatologen zu übernehmen. Der von Heartland erstellte Lehrplan möchte dagegen Zweifel daran schüren, dass der Einsatz von Kohle, Erdöl und Co die Erderwärmung vorantreibe. Dieser Teil des von Gleick veröffentlichten Materials wurde von Heartland allerdings umgehend als Fälschung zurückgewiesen, und tatsächlich soll es sich in Aufmachung und Format vom Rest des Dokuments unterscheiden.

Mindestens ebenso fragwürdig wie der gesamte Inhalt der Heartland-Publikation ist jedoch ohnehin die Art und Weise, wie Gleick daran kam: Nach eigenen Angaben wurden ihm Anfang des Jahres anonym entsprechende Daten zugemailt. Um ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, wandte er sich unter falschem Namen an das Institut – und bekam auch prompt das echte Dokument zugeschickt, das viele Angaben vor allem zu Finanzierungsstrategien und Budget aus der vorherigen Korrespondenz bestätigte. Daraufhin sandte der Klimaforscher, der auch Mitglied der National Academy of Sciences ist, das Strategiepapier wiederum anonym an verschiedene Blogger und Zeitungsredaktionen, die die Inhalte schließlich publik machten. Erst jetzt hat Gleick selbst zugegeben, dass er das Material geleakt hat.

Damit begibt sich der eigentlich renommierte Wissenschaftler jedoch auf ein Niveau, das Klimatologen zu Recht an ihren Gegnern kritisieren – gerade auch im Zusammenhang mit dem originären Climategate. Neben einer Anzeige durch das Heartland Institute (das übrigens Zeitungen und Bloggern mit Klage drohte, sollten diese aus dem Material zitieren) droht ihm vor allem auch ein Verlust an Reputation. Jahrelang hatte er sich zusammen mit vielen Kollegen gegen Unwahrheiten, Unterstellungen und Lügen von Seiten bestimmter Klimaskeptiker gewehrt, deren Tun etwa im Falle von "Climategate" ebenfalls die Grenze der Legalität überschritten hatten. Nun greift er selbst zu diesen Mitteln.

Schlimmer noch befürchten viele Beobachter der Klimadiskussion, dass diese Tat das Meinungsklima in den USA weiter verschärfen dürfte. In kaum einem Land der Erde treten Klimaskeptiker aggressiver auf als in den USA, doch gerade deshalb sollten Wissenschaftler beim Ton der Vernunft bleiben und mit ihren Sachargumenten dagegen halten – auch wenn es angesichts des Gepolters der Gegenseite bisweilen schwer fällt. Doch die Forscherwelt besitzt reichlich Material für ihre These: Auch in den Vereinigten Staaten bestätigt die weit überwiegende Mehrheit der Forscher aus den unterschiedlichsten Fachbereichen, dass der Mensch das Klima massiv beeinflusst und die Erde aufheizt.

Eines muss man Peter Gleick immerhin zugestehen: Er besitzt den Mumm und bekennt sich öffentlich zu seinem Tun. Die Hacker, die in die Climatic Research Unit eingedrungen und das erste Climategate ausgelöst hatten, verstecken sich noch heute feige in ihrer Anonymität.

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