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News: Bausünden der 60er Jahre

Die Konzepte und Leitbilder für Großraumsiedlungen waren in den USA und der Bundesrepublik dank eines starken kulturellen Austauschs in den Grundzügen gleich. Trotzdem unterscheidet sich die Verwirklichung dieser Pläne stark. Dies läßt sich vor allem auf die unterschiedliche Art der Finanzierung der Projekte und der damaligen politischen Weltanschaung zurückführen.
Regina Fiorito hat in einer Untersuchung am Kunsthistorischen Institut der Universität zu Köln die Großbauprojekte der 60er Jahre in Deutschland und den USA miteinander verglichen. Die USA und die Bundesrepublik Deutschland standen beide in den 60er Jahren vor der Aufgabe, Wohnraum in großem Umfang bereitzustellen.

Die beiden Großprojekte Düsseldorf-Garath und Reston zum Beispiel waren in übergeordnete Konzepte eingebunden. Das eine gehörte zum "Großraum Düsseldorf" und war für 30 000 Einwohner bestimmt, das andere war mit 75 000 geplanten Bewohnern Teil von "Washington 2000". Gemeinsame Schwerpunkte der Planung waren eine ansprechende Architektur, Bereitstellung gemeinschaftlicher Einrichtungen, Einbindung der umgebenden Natur und die Sicherstellung einer sozialen Mischung. Der wesentliche Unterschied ist die Art der Finanzierung, die in Reston von Anfang an privat war, während die ersten Bauabschnitte in Garath von der öffentlichen Hand getragen wurden. Daß vor allem die Finanzierung eine entscheidende Rolle spielt, zeigt die weitere Entwicklung der Siedlung Garath. Die letzten Bauabschnitte wurden von gemeinnützigen Einrichtungen wie der Neuen Heimat übernommen, die unter einem stärkeren Kostendruck arbeiteten. So wurden vermehrt vorfabrizierte Bauteile verwendet, es wurde enger gebaut und weitgehend auf Dekor verzichtet. Dies sind Trends, die vor allem in anderen amerikanischen Wohnsiedlungen zu finden sind. Eine weitere Folge der unterschiedlichen Finanzierung betrifft die Planungssicherheit. So wurden die anvisierten 75 000 Einwohner in Reston nie erreicht. In Jahr 1975 betrug die Einwohnerzahl nur 23 000.

Derartige Satellitenstädte und Großprojekte unterlagen in beiden Ländern schon während ihrer Bauzeit starker Kritik. Erschienen in der Planungseuphorie der 60er Jahre gleich der Zeitraum von mehreren Jahrzehnten für planbar, so waren die Ergebnisse eher ernüchternd. Ein bekanntes Negativbeispiel ist beispielsweise die "Neue Stadt" Chorweiler bei Köln. Unter dem Eindruck der Monotonität der Siedlungen und von Untersuchungen, die einen Zusammenhang zwischen der Qualität der Wohnbebauung und der Kriminalitätsrate sowie sozialen Konflikten nahelegten, änderten sich die Konzepte. So wurden in den 70er Jahren städtische Wohnbauideale wieder aktuell. Es wurde zum Beispiel mehr Wert auf die Gestaltung der Räume zwischen den Gebäuden gelegt. Eine Strategie war eine engere Bebauung, was sich in dem Motto "Urbanität durch Dichte" niederschlug.

Die stärkere Ausrichtung in den USA auf Kosteneffizienz entspricht auch unterschiedlichen kulturellen Voraussetzungen. In der Bundesrepublik ist der öffentliche Wohnungsbau schon seit der Jahrhundertwende Bestandteil der Wohnungspolitik. Da die Städte und Gemeinden auf diese Weise einen starken Einfluß auf die Planung und Durchführung haben, stehen gemeinschaftliche Konzepte wie der Charakter einer Siedlung oder die Möglichkeit, "sich zu Hause zu fühlen", im Vordergrund. Dagegen hatte soziale Planung nach Ansicht von Fiorito für US-Amerikaner damals etwas "anrüchig kommunistisches". Ziel war dort immer das eigene Haus, das als ein Mittel zur Verteidigung gegen den Kommunismus verstanden wurde. Dementsprechend war die Aufgabe des öffentlichen Wohnungsbaus in den USA eher die Schaffung kostengünstiger Übergangslösungen als die Ausbildung neuer Zentren mit eigenem Charakter. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, daß noch Ende der 60er Jahre in den USA ein Bauprojekt realisiert werden konnte, das gar nicht auf die bekannte Kritik an den schon vorhandenen Großprojekten einging: Im Osten der Bronx wurde Co-op City gebaut. Dort wurden in nur zwei Jahren 35 Wohnhochhäuser fertiggestellt. Die sozialen Folgen waren bei der Planung jedoch nicht berücksichtigt worden. Da in die neueren Bauten nur diejenigen mit ausreichendem Einkommen ziehen konnten, wurde die soziale Mischung in den angrenzenden Wohngebieten gestört. Dies war besonders problematisch, da diese Gebiete schon vorher mit Armut und sozialen Problemen zu kämpfen hatten.

Die unterschiedliche Herangehensweise zeigt sich auch bei einem Vergleich von Co-op City mit der ähnlich großen Gropiusstadt in Berlin. Schon die deutlich längere Bauzeit von 13 Jahren deutet darauf hin, daß andere Ziele verfolgt wurden. So ging es nicht nur darum, Wohnraum zu schaffen, sondern auch ein angenehmes Wohnumfeld. Dies wird nach Auffassung von Fiorito aus der Einbeziehung von öffentlichen Verkehrsmitteln und der Berücksichtigung gemeinschaftlicher Einrichtungen in Gropiusstadt von Anfang an ersichtlich. In Co-op City wurden gemeinschaftliche Einrichtungen dagegen erst zögerlich nach Fertigstellung des gesamten Wohnkomplexes hinzugefügt

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