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Botanische Raffinessen: Begonienblätter überleben blau im Dunklen

Tief unten am Boden des Tropenwaldes ist es auch bei strahlendem Sonnenschein nicht sehr hell. Wer hier wachsen will, muss Tricks kennen wie die blaublättrige Begonie.
Blau schimmerndes Blatt der bodenbewohnenden Begonia pavonina.

Begoniengewächse auf dem Dschungelboden Malaysias nutzen einen anatomisch-quantenoptischen Trick, um die wenigen ins tiefe Unterholz einfallenden Lichtwellen optimal zu nutzen. Kern der effektiven Lichtsammelstrukturen sind dabei umgestaltete irisierende Chloroplasten in den Zellen der Blätter: In diesen "Iridoplasten" stapeln sich präzise zueinander orientierte Membransysteme als photonischer Kristall, der die besonders nutzbaren Wellenlängenbereiche bündelt und im Fotosynthese-Apparat konzentriert. Damit erhöhen die Schattengewächse die Effizienz ihres Systems um vielleicht fünf bis zehn Prozent, rechnen Heather Whitney und ihr Team vor – und sind damit Konkurrenten am Waldboden voraus.

Die Wissenschaftlerin hatte die Zellen des auffällig bläulich schimmernden Blattgewebes von Begonia pavonina im Licht- und Elektronenmikroskop untersucht und sich dabei auf die spezielle innere Struktur der Chloroplasten konzentriert. Das Thylakoidmembran-System in diesen Organellen übernimmt in allen Pflanzen die Lichtreaktion der Fotosynthese, bei der die Strahlungsenergie des Sonnenlichts in chemische Energie umgewandelt wird. Anders als grüne Durchschnittsgewächse sammeln die blauen Begonien dabei aber vor allem die langwelligen Anteile des grünen Wellenlängenbereichs, die in den dunklen Bodenbereichen dichter tropischer Wälder dominieren. Blaue Wellenlängen werden als Folge dieser Anpassung besonders stark reflektiert, was die äußere Erscheinung der Blätter erklärt.

Ursache des ungewöhnlichen Reflexions- und Absorptionsverhaltens der Begonien-Chloroplasten ist die regelmäßige Anordnung ihrer inneren Membranstrukturen: Nur wenige Thylakoidmembranen sind in etwa 40 Nanometer dicken Schichten so übereinander angeordnet und von rund 100 Nanometer breiten Lücken gitterartig getrennt, dass eine feinskalige Nanostruktur entsteht. Dieser photonische Kristall aus sich wiederholenden Mustern unterschiedlich reflektierender Elemente lässt Lichtwellen je nach Frequenz unterschiedlich innerhalb der Struktur schwingen und mit sich selbst interferieren: Im Begonienblatt werden dann blaue Wellenlängen um 470 Nanometer stark reflektiert, grüne Wellenlängen um 500 bis 550 Nanometer dagegen im Blattgewebe gebündelt und stärker absorbiert. Dies passt gut zur Zusammensetzung des Lichts am dunklen Standort der Gewächse: Bis zum Waldboden kommen vor allem die Anteile blauen, gelben und orangen Lichts des ursprünglichen Strahlungsspektrums der Sonne weniger gut durch, weil sie schon im Blattwerk höher wachsenden Pflanzen genutzt werden.

Aus dem Tierreich kennt man verschiedene Beispiele von photonischen Kristallen an der Körperoberfläche, die dort vor allem für eine schillernde Erscheinung sorgen – etwa bei Schmetterlingen, Käfern oder Chamäleons. Photonische Kristalle sind aber auch von technischem Interesse, da mit ihnen etwa die Effizienz von Solarkollektoren erhöht werden kann. Bei den blau schimmernden und energieeffizienten Begonien finden sich beide Effekte.

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